Igor Memic

Igor Memic im Interview

Igor Memic im Interview(c) Constance Doyle

Mit seinem Debütstück OLD BRIDGE sorgte der britisch-bosnische Dramatiker Igor Memic im Londoner West End für Aufsehen. Mit unmittelbarer Dringlichkeit erzählt er die Geschichte einer Gruppe junger Menschen, die den Beginn des Bosnienkrieges hautnah miterleben. Oliver Franke führte ein exklusives Interview mit Igor Memic über Nostalgie als Überlebensmechanismus und die politische Relevanz von Dramatik. 


In OLD BRIDGE geht es um den Bosnienkrieg in den 90er Jahren - ein fast vergessener Krieg mitten in Europa. Vier junge Menschen erleben den Ausbruch des Krieges in der Stadt Mostar hautnah mit. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen? Was assoziieren Sie mit Mostar als Schauplatz?

Gerade deshalb, weil er vergessen ist. Wenn ich an mein Geburtsland und die Menschen, die dort leben, denke, sehe ich einen Ort, der von so viel Liebe, Freude und Großzügigkeit erfüllt ist. Aber immer wenn ich Bosnien in den Nachrichten sehe, erkenne ich diesen Ort nicht wieder. Wir neigen zu dem Trugschluss, dass, wenn eine Katastrophe in einem weit entfernten Land eintritt, sei es ein Krieg, ein Erdbeben oder was auch immer, die Betroffenen irgendwie anders sind als wir. "Anders". Ich wollte eine Geschichte über vier Freunde erzählen, die am Ende Ihrer Straße leben könnten. Eine Geschichte darüber, wie die Größe des menschlichen Geistes immer überdauern wird, wenn das Undenkbare geschieht. Egal, wo es passiert. Ich konnte einfach nicht glauben, dass ein Stück, das ich über ein Europa vor dreißig Jahren geschrieben habe, für das Europa, in dem wir heute leben, so schmerzhaft relevant sein könnte. 


Sie schreiben aus der Perspektive einer Frau, die auf ihre Jugend zurückblickt. Warum haben Sie sich für diese Erzählstruktur entschieden?

Nostalgie ist ein Überlebensmechanismus. Wir blicken zurück und romantisieren das, was wir durchgemacht haben, weil das die einzige Möglichkeit ist, uns mit dem zu versöhnen, was wir erlebt haben. Bitten Sie jemanden, der einen Konflikt erlebt hat, Ihnen zu erzählen, woran er sich erinnert, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es nicht die Tage sind, an denen er hungrig war, sondern die, an denen er mit seinen Freunden zusammensaß, lachte und von besseren Tagen träumte. Aber wenn man unter der Oberfläche kratzt, verbirgt sich dort etwas Dunkles. OLD BRIDGE ist im Grunde eine Liebesgeschichte, eine Geschichte über die Schönheit und Nostalgie der Jugend, aber auch eine über eine Frau, die versucht, ihrer Vergangenheit auf die einzige Art und Weise, die sie kennt, einen Sinn zu geben: indem sie Geschichten erzählt.


Was bedeutet das dramatische Schreiben für Sie? Welche Möglichkeiten bietet Ihnen das Drama, die andere Literaturgattungen vielleicht nicht bieten?

Das Drama ist ein Medium, das sich von allen anderen unterscheidet. Es hat die Intimität eines Romans, die erzählerische Kraft eines Films und die gemeinschaftliche Heilkraft einer Live-Aufführung. Wenn die Lichter angehen, sitzt man mit Fremden zusammen, aber wenn das Stück zu Ende ist, hat man als Gemeinschaft etwas erlebt - Lachen, Weinen und Heilung. Ich war schon immer von der phänomenologischen Kraft des Theaters angezogen - ein Stück existiert, wenn es aufgeführt wird, nicht wenn es geschrieben ist. Jede Aufführung ist einzigartig, sie wird nur von denjenigen erlebt, die zusammen in diesem Raum saßen, und wenn sie vorbei ist, wird es diesen Moment nie wieder geben. Selbst wenn am nächsten Abend derselbe Text, dieselben Gefühle gespielt werden. Ich denke, das ist der Zauber des Theaters, und wenn es gut gemacht ist, gibt es nichts Vergleichbares auf der Welt.


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