Alexander Müller-Elmau

Alexander Müller-Elmau, geboren 1961, arbeitet seit 1985 als freier Bühnen- und Kostümbildner. 1992 entstand sein erster Theatertext Foraminifere. Seit 2003 ist er auch als Regisseur tätig.

Alexander Müller-Elmau, geboren 1961, arbeitet seit 1985 als freier Bühnen- und Kostümbildner. 1992 entstand sein erster Theatertext Foraminifere. Seit 2003 ist er auch als Regisseur tätig.

UA Frei
Theater
Alexander Müller-Elmau

Das Labyrinth in der Wüste

1 D, 4 H

Die Wüste Deutschland im Jahre 1996, nach einem Gewitter.
Hier ereignet sich die Suche und Bewegung der Figuren umeinander. Es ist ein Ort ohne Anhaltspunkte. Wir befinden uns in einer Zeit nach dem Aufbruch.
Altvertraute Gesetzmäßigkeiten sind aufgehoben und durch ein neues, strenges Regelwerk ersetzt worden; dieses exerzieren die Figuren miteinander durch. Sie sind zänkisch und ohne Erinnerung. Diese Kombination fördert extreme Brutalität. Sie empfinden keine Verantwortung füreinander, sie haben sich gegenseitig überantwortet. In die Nischen der Abwesenheit der drei rastlosen Wanderer treten ein Jäger und eine stumme Frau. Das Spiel erlangt durch das ständige Auftauchen und Verschwinden der Figuren eine Dynamik, in der sich die Komik des Daseins in seiner Vielseitigkeit entfaltet.

"Ich denke, all meine Arbeiten sind immer wieder Versuche, weitere Realitäten unseres Daseins zu suchen: Realitäten, die in uns verborgen liegen und mehr und mehr durch unsere positivistische Weltsicht verdrängt werden, Realitäten, die visionär und spirituell auf uns und aus uns wirken können, ohne dabei esoterisch zu verklären. Es geht also immer wieder darum, andere Welten aufzuspüren, um durch eine Mehrdimensionalität von Wahrheit unserem Leben möglicherweise näher zu kommen oder unser Leben zumindest immer wieder neu zu befragen. Dies alles ist und bleibt jedoch Geheimnis - und sollte dies auch im Theater bleiben. Ich kann also nur Teile von all dem andeuten und es dem Zuschauer überlassen, sich selbst ein Bild zu schaffen." (Alexander Müller-Elmau)


Theater
Alexander Müller-Elmau

Die Verschwundenen

1 D, 2 H

Der Schrank ist ihr Haus, ihr Versorger, ihr Leben. Aus ihm essen sie, in ihm schlafen sie, auf ihm träumen sie. Eigentlich sind sie ganz zufrieden, der Mann und die Frau, auch wenn es früher anders war. Ganz anders wird es aber mit dem jungen Mann, der scheinbar belanglose Fragen stellend aus dem Schrank heraus vorbeispaziert. "Seitdem der da ist, ist alles anders" findet der Mann. "Nimm's nicht so schwer", beruhigt ihn die Frau. "Was heißt nicht so schwer - Wir leben Ohne es zu wissen Und sterben Ohne es zu wollen" schimpft der Mann. Und auf einmal können sie die Schranktür nicht mehr öffnen. Und die vom jungen Mann aufgehängten Zettel können sie nicht lesen. "Das ist unsere Chance Wir sind frei" freut sich der Mann und geht. "Es ist klüger zu bleiben" entgegnet die Frau. Und für eine kurze Zeit ist der Schrank das Haus des jungen Mannes, ist er der Herrscher über Zeit und Beständigkeit. Und dann ist er weg. Und aus dem Schrank klopft der Mann, der seine Frau sucht, und in seiner Hand hält er einen Apfel. Und als die Frau den Schrank öffnet, darf auch sie von dem Apfel der Erkenntnis naschen. "Ich werde bald gehen", sagt sie. "Hast du keine Angst", fragt der Mann. "Wovor?", wundert sie sich. Und dann versuchen sie nicht mehr unglücklich zu sein und an etwas Fröhliches zu denken. Aber ihnen fällt nichts ein. "Ich wußte es" sagt der Mann. "Ja", sagt die Frau.

Getragen von der Gewissheit der Beständigkeit plätschert das Leben von Mann und Frau träge vor sich hin. Allein der Habicht, in der Traumdeutung Symbol für die Befürchtung kommender Verluste, kündigt mit seinem hartnäckigen Kreisen die Veränderung an. Der Verlust des Schrankes, als Zeichen für das Verschwinden der Identität, führt jedoch zu keinem Aufbruch. Die Erkenntnis der Erfahrung "Riecht nach nichts". Damit ist der Stillstand besiegelt.

Theater
Alexander Müller-Elmau

Joa's Traum

1 H, Verwandlungsdek

Pommern 1912:
Joa befindet sich in einem leeren Raum. Das schmale Fenster ist geöffnet, ein Telefon steht am Boden, die Tür ist geschlossen. Unmerklich senkt sich langsam die Decke hinab.
Rastlos geht Joa im Raum umher, zählt seine Schritte. Er versucht verzweifelt, seine Gedanken zu ordnen, zwingt sich zur Ruhe, kämpft gegen die Angst an.
Da fällt es ihm wieder ein, ein Essen soll er geben. Doch es fehlen der Tisch, die Stühle, das Essen. Joa holt aus seiner Tasche eine Banane. Mit Kreide zeichnet er auf den Boden einen Tisch, darum herum 12 Stühle, dann ebenso viele Teller. In die Mitte legt er die Banane. Am Kopfende soll der Präsident sitzen - ein Präsidentenessen soll es werden. Die Banane reicht aber nicht für alle.
Immer wieder hört Joa den Todesschrei eines Schweines, der ihn jedesmal wie ein Blitz trifft und bei dem er sich vor Schmerzen krümmt.
Joa kämpft von neuem gegen seine Angst an, zwingt sich zur Ruhe. Noch ist er am Leben, "kommt alles in Ordnung".
Bis ins letzte Detail bereitet er das Präsidentenessen vor. Er wird immer hektischer.
Da ist wieder der Todesschrei eines Schweines zu hören. Das Zimmer füllt sich mit Blut. Verzweifelt versucht Joa, es wegzuwaschen. Probehalber sitzt er am Platz des Präsidenten. Beim Aufstehen bemerkt er, dass das Zimmer kleiner geworden ist, die Decke tiefer hängt. Das Fenster ist verschwunden. Joa muss auf allen Vieren kriechen.
Joa´s Traum ist ein atemloser, surrealistischer Monolog über die Angst, das unbekannte Bedrohliche - ein Alptraum. Sprache und Raum erzeugen zusammen eine eigene unheimliche Spannung, die sich im Verlaufe des Stückes bis ins Unerträgliche steigert.

UA Frei
Theater
Alexander Müller-Elmau

Land im Traum

2 D, 3 H, 1 Dek

Es könnte ein ganz normaler Familienbesuch sein mit all den bekannten Höhen und Tiefen - vor allem Tiefen. Vater und Mutter besuchen Tochter und Schwiegersohn. Man mäkelt am Essen, äußert seine despektierliche Skepsis gegeneinander, redet sich in Meinungsverschiedenheiten hinein. Die Paare unterschiedlichen Alters führen sich gegenseitig vor, wie man die Schwächen des jeweiligen Partners schamlos für die kleinen privaten Vergeltungen ausnutzt. Jede Beziehung ist kurz vorm Überkochen, aber der Deckel hält noch. Aus Gewohnheit oder aus Angst vor Veränderung.
So weit ist alles "ganz normal". Wären da nicht die Hunde und die Wanzen. Wäre da nicht das ständige Klingeln an der Tür. Und wäre da nicht der tote Fisch, der sich plötzlich bewegt, das entsetzliche Treppenhaus und das Gewehr. Nach und nach spürt man die Bedrohung hinter allem: ein System, offenkundig diktatorisch, mit strengen Regeln und Hinrichtungen. Besser man spricht nicht zu viel. Die Menschen in diesem System sind deformiert und korrumpiert und versuchen, ihr Leben unter den neuen Vorzeichen fortzuführen, als wäre es noch das alte. Mit mäßigem Erfolg.

Land im Traum ist eine bitterböse Parabel, fast schon schmerzhaft: möglicherweise ein Ausblick darauf, wie es wird, wenn das Land nicht aus dem Traum erwacht. "Deutschland. Heute.", gibt Müller-Elmau als Regieanweisung mit auf den Weg in die Abgründe behaupteter Normalität.

Aufführungsarchiv

Digitales Textbuch