Gabriele D'Annunzio

Gabriele D'Annunzio (1865-1938): Dichter und Dandy, Abgeordneter und Stadtkommandant, Oberst und Fürst, italienischer Nationalheld. Die virtuose Darstellung dessen, was Leben und Genuss für ihn bedeuteten, machte den Italiener, der als Realist begonnen hatte, zum Hauptvertreter der Neuromantiker und der Dekadenz. Neben dem Einfluss von Nietzsche, Wagner und Maeterlinck auf seine symbolischen Dramen hinterließ die Freundschaft mit Eleonora Duse Spuren in seinem Bühnenwerk. Mit ihrer virtuosen Schauspielkunst förderte sie den Erfolg seiner Dramen.

Gabriele D'Annunzio (1865-1938): Dichter und Dandy, Abgeordneter und Stadtkommandant, Oberst und Fürst, italienischer Nationalheld. Die virtuose Darstellung dessen, was Leben und Genuss für ihn bedeuteten, machte den Italiener, der als Realist begonnen hatte, zum Hauptvertreter der Neuromantiker und der Dekadenz. Neben dem Einfluss von Nietzsche, Wagner und Maeterlinck auf seine symbolischen Dramen hinterließ die Freundschaft mit Eleonora Duse Spuren in seinem Bühnenwerk. Mit ihrer virtuosen Schauspielkunst förderte sie den Erfolg seiner Dramen.

Theater
Gabriele D'Annunzio

Die Gioconda

5 D, 3 H, 3 Dek

Cosimo Dalbo schwärmt nach seiner Pilgerfahrt auf dem Nil von der „Extase des Lichts“. Er erklärt die Sphinx als doppeltes Symbol für erhabene Einsamkeit bei Nacht und ermüdende Banalität bei Tag. Sein bester Freund Lucio kann nicht anders als die pathetischen Worte auf seine Lage zu beziehen. Er selbst hat als Bildhauer ein überragendes Kunstwerk geschaffen, dann aber einen Selbstmordversuch gemacht. Seine Zerrissenheit zwischen der alles andere negierenden Liebe zur Gioconda, seinem Modell, und der liebenden Dankbarkeit gegenüber seiner Ehefrau entspricht dem Bild, das Cosimo von der Sphinx zeichnet. Die Polarität von Künstlertum und bürgerlichem Leben – für Lucio ist sie nicht aushaltbar.
Seine Frau Silvia, berühmt für ihre schönen Hände, ringt um Lucio. Zuletzt weiß sie sich keinen anderen Rat, als die Gioconda im Atelier ihres Mannes zur Rede zu stellen. Dort sieht sie zum ersten Mal die von Lucio geschaffene Statue. Ihre Ergriffenheit ob der Schönheit der Statue bestärkt sie in der Annahme, Lucio retten zu müssen. Die Gioconda dagegen weiß, dass nur sie selbst das Werkzeug sein kann, Lucio zu Inspiration zu verhelfen. Der Kampf der beiden Frauen endet in einer Katastrophe: Silvia verliert ihre Hände in dem Versuch, die stürzende Statue zu retten.

D’Annunzio hat seine Tragödie Eleonora Duse gewidmet, die, so will es die Legende, die einzige Geliebte des Autors war, die nicht dem Wahnsinn verfiel. Die Gioconda ist das Werk eines exzellenten Symbolisten und Neuromantikers. Nachhaltige Symbole, eine expressive Sprache und starke Rollen – die großen Gefühle des Fin de Siècle leben hier weiter.

Gabriele D'Annunzio

Die Gloria

3 D, 13 H, St, 4 Dek

Eine gewaltige Zeitenwende steht bevor: Ruggero Flamma sammelt seine Gefolgsleute, um dem Diktator Cesare Bronte die Herrschaft zu entreißen. Wenn auch nicht unkritisch gegenüber Flamma, stehen seine Anhänger geschlossen hinter ihm, beseelt von dem Gedanken an ein geeintes Italien. Was sie trennt, ist ein Generationenkonflikt zwischen Bewahrern und Erneuerern.
Flamma ist siegesgewiss. In einer Rede beschwört er die guten Vorzeichen. Erschöpft und fiebernd trifft er danach auf Anna Commèna, die Tochter des bisherigen Machthabers. Sie ist als Tyrannin verschrien, eine verhasste und gefährliche Frau. Beide erkennen sich als zwei große Menschen, die sich gegenseitig zu Größtem hätten beflügeln können.
Die Commèna gibt ihren unbedingten Machtanspruch nicht auf. Ihr Vater, durch eine unbekannte Krankheit dem Tode nahe, hält ihr vor, sie würde sich als „Lockspeise“ an Flamma verkaufen. Seine Wut ist so gewaltig, dass er seine eigene Tochter erwürgen will. Kurz darauf stirbt er.
Die Commèna hängt sich an Flamma, den neuen Machthaber. Sie beeinflusst ihn stark, und er verfällt ihr gänzlich. Leidenschaft und Instinkt stehen jetzt gegen Staatsdenken und Rationalität. Die Commèna will gesättigt werden. Die fehlgeleiteten Energien führen zur Demontage des einstmals großen Parteiführers. Die Masse wendet sich gegen ihn. Flamma spricht von Abdankung und Flucht und bittet die Commèna am Ende, ihn zu töten. Zurück bleibt seine Frage: „Wer bist du?“

Übersteigerter Ehrgeiz und aufgeblasene Macht kehren sich unweigerlich ins Negative. D’Annunzio unterlegt diese Erkenntnis mit einer großen Ernsthaftigkeit. Sein Symbolismus und seine Sprachkraft zeichnen auch diese Tragödie von 1899 aus.

Gabriele D'Annunzio

Francesca da Rimini

7 D, 17 H, 4 K, St, 4 Dek

Francesca da Rimini und Paolo Malatesta waren das berühmteste Liebespaar Italiens im 13. Jahrhundert. Ihre tragische Liebe fand in der Folgezeit bei Künstlern aus allen Epochen und Genres in Kunstwerken ihren Nachhall – angefangen von Dante Alghieri über Anselm Feuerbach bis hin zu Sergej Rachmaninow.
Gabriele d’Annunzio zeichnet die Geschichte der Liebenden für die Bühne in großen Bildern und mit kraftvollen Symbolen nach.
Aus politischen Gründen soll Francesca den älteren Bruder Paolos heiraten. Damit sie einwilligt, wird sie getäuscht: Ihr wird der schöne Paolo als zukünftiger Ehemann vorgeführt. In dem einzigen Augenblick, in dem sich Francesca und Paolo sehen, entdecken sie ihre grenzenlose Liebe. Vermählt aber wird sie mit dem lahmen und soldatischen Giovanni.
Paolo kommt dennoch bald aus dem kunstsinnigen Florenz an den kalten und kriegerischen Hof Giovannis, um in der Nähe Francescas zu sein. Der dritte Bruder, martialisch und hitzig, ist ihr ebenfalls verfallen. Auf ihre Zurückweisung droht er damit, die heimliche Liebe zwischen ihr und Paolo öffentlich zu machen. Um sie einzuschüchtern, tötet er einen Gefangenen und bringt ihr dessen Kopf. Giovanni lässt sich von seinem Bruder aufwiegeln. Er fingiert seine Abreise, um die Liebenden zu überführen. Zurückgekehrt ermordet er seine Frau und seinen Bruder. Die Vorahnungen Francescas haben sich erfüllt.
In der Kunst darf von der Liebe gesprochen werden, im Leben hat sie keinen Platz. D’Annunzios Version des Stoffes fängt die widerstreitenden Lebenshaltungen des 13. Jahrhunderts ein: Kunst und Feinsinnigkeit auf der einen, Machthunger und Militarismus auf der anderen Seite bleiben unvereinbaren Haltungen.

Gabriele D'Annunzio

Traum eines Frühlingsmorgen

4 D, 3 H, 1 Dek

Traum und Schrecken haben sich in der Villa Armiranda zu einer offenbar schicksalhaften Einheit verbunden. Der weiße Pfau, der von Zeit zu Zeit im Park erscheint, ist Widergänger einer früheren Gewalttat, die aus falsch verstandener Liebe geschah. Jetzt ist es Donna Isabella, die über dem Mord an ihrem Geliebten wahnsinnig geworden ist. Er starb in ihren Armen, blutüberströmt.
Ihr Arzt schwärmt von der Trunkenheit der Welt und philosophiert über den Traum von einer Seele, die sich über alle Grenzen ausdehnen kann. Er hofft, seine Patientin könnte durch Virginio, dem Bruder des Ermordeten, von ihrem Wahn erlöst werden. Auch Isabella sieht in Virginio das Glück: In ihren Träumen ist er der zukünftige Mann ihrer Schwester Beatrice. Sie selbst will ganz in der Natur aufgehen, um das vermeintliche Paar beobachten zu können, ohne gesehen zu werden. Aber jedes Rot, ob von einer Beere oder einem Insekt, wirft sie auf ihren Schrecken zurück.
Virginio bringt immerhin Linderung, indem er davon spricht, dass seine Mutter den beiden Schwestern Isabella und Beatrice im Schmerz zugetan ist und sie von Schuld freispricht. Isabella erreichen die milden Worte kaum. Sie bricht zusammen. Nur im totalen Vergessen liegt für sie Befreiung.

Gabriele d’Annunzios Figuren reagieren hochsensibel auf alles, was das Gefühlsleben beeinflusst. Die Natur ist ihnen so zu gleichen Teilen Bedrohung und Erlösung. Und die Spanne der Seele von Schmerz und Liebe, Trauer und Glück ist zu groß, um sie aushalten zu können. Die Figuren d’Annunzios sind zerrissen, oder vielmehr: Sie zerreißen gerade im Moment.

Digitales Textbuch