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Caren Jeß

Wo ist Trost? – AVE JOOST von Caren Jeß am Staatstheater Nürnberg

AVE JOOST von Caren Jeß ist eine Liebeserklärung. An einen verwahrlosten Mann, der für kurze Momente eine Form von Glück erfährt, die Speed, Fentanyl und elektronisch wummernder Hardcore fast schon unmöglich gemacht haben.

Ein Mann steht in einem schmalen, düster wirkenden Gang mit grafisch gestalteten Wänden, die schwarze Buchstaben oder Symbole zeigen. Hinter ihm steht eine Frau, die ihm die Augen mit ihren Händen verdeckt. Der Raum strahlt eine geheimnisvolle und dramatische Atmosphäre aus. © Konrad Fersterer

Er begegnet der blutjungen Malin. Wie selbstverständlich flicht sie ihn mit in ihre Fantasiewelt ein. Irgendwann lässt sich allerdings nicht mehr sagen, wie viel Intensität zwischen einer 14jährigen und einem 42jährigen zulässig sein kann. Branko Janack hat diese Ambivalenz in Nürnberg sehr berührend uraufgeführt. Im Kreis seiner Kumpels feuert Joost (wunderbar Justus Pfankuch) biertrinkend Äpfel gegen die Wand, bis sie zerplatzen und der Boden mit Fruchtfleischtrümmern bedeckt ist. Drei Männer (Amadeus Köhli und Joshua Kliefert als Vater und Sohn), die sich nach Nähe sehnen, aber nicht wissen, wie man sie geben kann. Dazwischen streift Annette Büschelberger unbeeindruckt als Erzählerin durch die Ruine und reicht auch gerne mal das Gewehr in die Hand. Pola Jane O´Mara als verschrobene Malin lässt sich davon nicht beindrucken. Fast wie bei John Steinbeck mutet die Tragik an, als Joost Malins Fantasien sehnsuchtsvoll schön weiterdenkt und für einen kurzen Moment die Möglichkeit eines besseren Lebens aufblitzt – so schnell nur und so flüchtig, dass sie im nächsten Moment schon wieder verloschen ist. Eine Reise nach Nürnberg, um dieses Flackern zu erleben, lohnt sich sehr.

„Und doch kommt es zwischen Malin und Joost zu einer unendlich zarten, fast unausgesprochenen Liebesbeziehung, deren Unmöglichkeit freilich über der Szene schwebt wie ein Felsbrocken, der gleich runterknallen und alle Hoffnung unter sich begraben wird.“ (Nürnberger Nachrichten)

AVE JOOST von Caren Jeß
Uraufführung am 14. März 2024, Staatstheater Nürnberg

Szenenfoto AVE JOOST von Caren Jeß am Staatstheater Nürnberg
© ® Konrad Fersterer
© Jewgeni Roppel

Caren Jeß

Caren Erdmuth Jeß, geboren 1985 in Eckernförde, studierte Deutsche Philologie und Neuere deutsche Literatur in Freiburg i.Br und Berlin. Als Dramatikerin trat sie das erste Mal 2017 in Erscheinung, als sie mit ihrem Stück Deine Mutter oder Der Schrei der Möwe den dritten Platz des Osnabrücker Dramatikerpreises belegte. 2018 gewann sie die Residency des Münchner Förderpreises für deutschsprachige Dramatik mit Bookpink. Mit der Grazer Uraufführungsinszenierung von Bookpink wurde sie 2020 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert und zur Nachwuchsdramatikerin des Jahres erklärt. Im Jahr davor gewann sie außerdem den Else-Lasker-Schüler-Stückepreis für ihr Stück Der Popper und den Preis der taz-Publikumsjury des 26. open mike für Die Ballade von Schloss Blutenburg. 2023 gewann sie für das Stück Die Katze Eleonore in der Produktion des Staatsschauspiel Dresden den Mülheimer Dramatikpreis sowie den Publikumspreis der Mülheimer Theatertage. Caren Jeß lebt in Dresden.

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