Theater

Porträt

Rosa von Praunheim

Eine Welt ohne Rosa ist grau

Wir trauern um Rosa von Praunheim. Niemand hat das Lieben, Leben und Leiden schwuler Männer so derb, zotig, furchtlos und zärtlich beschrieben, verfilmt, gedichtet und gemalt wie das skandalöse Universalgenie Rosa von Praunheim. Unser herzliches Beileid an alle Angehörigen.

Porträt von Rosa von Praunheim

Es war nicht damit zu rechnen, dass Rosa von Praunheim sterben würde. Rosa wurde 80, 81, 82, 83 und schrieb und filmte mit einem Furor, der seinesgleichen wird suchen müssen. Irgendwann schien es so, als ob Rosa von Praunheim erhaben über das Sterben sei, als ob diese Energie niemals versiegen könnte, als ob seine Furchtlosigkeit unaufhaltsam für die Ewigkeit gelten würde. Wie Rosa sich mit ungezügelter Freude in jeden Kalauer warf, das Theater mit zotiger Derbheit, zärtlichem Kitsch und politischer Inbrunst im Innersten traf, war ein Ereignis. Noch vor einem Jahr schrieb er DIE INSEL DER PERVERSEN für das Deutsche Theater Berlin, und es ist zum Niederknien, wie Rosa in diesem bösen Schenkelklopfer von den allzu nahen Abgründen unserer politischen Zukunft erzählt. Und das mit so viel bösem Witz und Humor, mit so viel schmerzlicher Wahrheit, Zärtlichkeit, Liebe und Kitsch, dass klar wird, wie selten so eine Wucht passiert: so eine wuchernde, dringliche, selbstzerstörerische, hochkomische und zärtliche Wucht. 
Und immer wieder und überall: Penisse. In allen Formen und Farben ziehen sie sich durch sein Werk, werden bunt und fröhlich durch die Rosa-Welt geschwenkt, gleichzeitig aber auch immer gewahr, dass ein gestörtes Verhältnis des Mannes zu seinem Penis Gefahr bedeuten kann. 
Im Verlag sammeln sich die kleinen Geschenke, die Rosa gerne verteilte. Beim Berliner Bembel Salon, an dem er jedes Jahr teilnahm, bekamen alle Gedichtschnipsel von Rosa in die Hand gedrückt, kleine abgerissene Seiten mit skurril schönen, absurd komischen und manchmal auch traurig entrückten Rosa-Weisheiten. Bei seiner Geburtstagsfeier zum 80. Geburtstag am Deutschen Theater Berlin schenkte er allen Anwesenden Gummiinsekten. Auf den Schreibtischen sitzen seitdem Gummigrashüpfer. An den Wänden hängen Kalender mit Rosas Zeichnungen und Gedichten. So viele Spuren, die Rosa hinterlässt und die von seiner Großzügigkeit erzählen. Rosa war zu viel Mensch für einen Rosa allein, deshalb sprudelten das Leben und die Ideen nur so aus ihm heraus. Wahrscheinlich blieb ihm gar nichts anderes übrig, als sich fortwährend mitzuteilen, auszuteilen und gleich wieder davonzueilen. Für Rosa war Diplomatie nie das Mittel der Wahl. Sein Weg ging immer geradeaus, direkt durch die Wand, Rosas Herz und Verstand ließen keine Kompromisse zu.

2023 sollte eine Veranstaltung mit Rosa im Frankfurter Filmmuseum stattfinden. Am Tag selbst musste Rosa krankheitsbedingt absagen. Also galt es zu improvisieren. Rosa war nicht da, deshalb waren an diesem Abend einfach alle Rosa. Seine Gedichte wurden vom Publikum gelesen. Rosas Sprache lief durch viele Körper. Und Rosa war so unglaublich präsent. Dieses Erleben tröstet, seitdem wir wissen, dass Rosa nie mehr da sein wird. Weil Rosa – natürlich –  in allen weiterleben wird, die ihm begegnet sind, in allen, für die er unermüdlich gekämpft hat, in allen, denen er mit seinem Schaffen immer wieder aufs Neue bewiesen hat, dass eines einfach gar nicht verhandelbar ist: die künstlerische Freiheit eines rosasprudelnden Geistes. 

"Jedes Gedicht hat ein Gesicht
Eines des Todes und eines der Geburt
Beide sehen gleich aus
Das ist die Tragik, und deshalb lieben wir das Theater." (RvP)

Rosa von Praunheim

Rosa von Praunheim wurde 1942 in Riga geboren und wuchs in der Nähe von Berlin und in Frankfurt am Main auf. Er gilt als wichtiger Vertreter des postmodernen deutschen Films in den Genres Dokumentar-, Autoren- und Avantgardefilm. Er war vor allem mit seinem Dokumentarfilm von 1971 Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt der öffentliche Wegbereiter und einer der Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland. Sein Werk umfasst zahlreiche Filme, Bücher, Hörspiele und Theaterstücke und wurde vielfach ausgezeichnet. 2015 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Seinen 77. Geburtstag feiert er 2019 im Deutschen Theater mit seiner Produktion Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht. Für seine Verdienste um den deutschsprachigen Film und als "Wegbereiter der Schwulenbewegung in Westdeutschland“ erhielt Rosa von Praunheim den Ehrenpreis des Saarbrücker Filmfestivals, den Max Ophüls Preis 2020. Bei den Autoren[theater]tagen 2020 gehört Rosa von Praunheims Text Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs zu einem der insgesamt drei Gewinnertexte, die im Deutschen Theater Berlin uraufgeführt wurden. Rosa von Praunheim ist am 17.12.2025 im Alter von 83 Jahren in Berlin verstorben.

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