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Junges Theater

Stanislava Jevic, Klaus Schumacher

Anybody Home

Alma weiß nicht, wie das alles angefangen hat. Der Zerfall ihrer Familie. Eben waren sie noch kleine Kinder, die glücklich in die Grundschule hüpften. Aber irgendwann fing alles an, sich zu verändern. Wie Billardkugeln in einer zu großen, sich permanent ausdehnenden Spiralgalaxie, verloren sie sich im unendlichen Raum und erreichten sich nicht mehr. Die Algorithmen hatten unmerklich Besitz von ihnen ergriffen und sie gingen sich verloren. Wie ihr Haus Feuer gefangen hat? Sie weiß es nicht genau. Es war ein sehr heißer Sommer, als ihre Zwillingsschwester Seraphin und sie 18 Jahre alt wurden ...

Anybody Home entwirft das eindringliche Porträt einer auseinanderdriftenden Familie im Strudel der Gegenwart. Stanislava Jevic und Klaus Schumacher zeichnen Figuren, die stellvertretend für die Zuschauenden die Widersprüche und Spannungen einer durch soziale Medien und das Internet überforderten Gesellschaft erleben. Aller Überforderung zum Trotz ringen die Familienmitglieder umeinander, um ihre Verbundenheit und darum, der scheinbaren Sinnlosigkeit einer taumelnden Welt einen Sinn entgegenzusetzen.

Altersempfehlung 14+

3 D, 3 H

UA: 20.09.2025 · Junges Schauspielhaus Hamburg · Regie: Klaus Schumacher

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Junges Theater
Stanislava Jevic, Dominique Enz

Out There

1 D, 1 Divers, Die Figur Leo definiert sich als genderfluid und benutzt die Pronomen dey / deren

Manchmal reicht nur ein Blick, und Deine Welt gerät ins Wanken. Du hast das Gefühl zu schweben. Leo ist auf einer Fridays for Future-Kundgebung und steht mitten in der Menschenmenge. Es regnet in Strömen. Und was passiert? Hier auf der Demo, bei der es um nichts weniger als die Rettung unseres fucking Planeten geht, verliebt sich Leo – in die Rednerin auf dem Podium. Angelina ist so anders als alle anderen Mädchen in deren* Freundeskreis. Eine engagierte und ehrgeizige Aktivistin und Lebenskünstlerin. Hat sie Leo gerade angeschaut? Ist das wirklich passiert?

Die nächsten Tage und Nächte scrollt Leo stundenlang durch Angelinas Timeline und Feeds. Langsam nähern sich beide via Messenger an. Sie mögen dieselben Filme und sind voneinander fasziniert. Aber es gibt auch vieles, was sie trennt. Angelina lebt mit ihrer Familie in einer Plattenbau-Großsiedlung. Leo und deren Patchwork-Familie wohnen in einem wohlhabenden Stadtteil. Während Leo vor sich hinträumt und deren dunkle Gedanken zu verdrängen versucht, organisiert Angelina Demos und ist Klassenbeste. Beide suchen sie eine Person Out There – da draußen. Doch um die Person zu finden, müssen die beiden den nächsten Schritt wagen.

Out There nähert sich über zahlreiche Chatverläufe und Facetime-Calls den Figuren an und wechselt mühelos zwischen Leos und Angelinas Erzählperspektive. Was daraus entsteht, ist eine vielschichtige und einfühlsame Liebesgeschichte über das Leben von jungen Menschen in unserer dauervernetzten und durchdigitalisierten Gegenwart.

*Die Figur Leo definiert sich als genderfluid und benutzt die Pronomen dey / deren.

Junges Theater
Stanislava Jevic

Die Erfindung meiner Kindheit

1 D

Anastasia erinnert sich genau an ihre Kindheit: An das magische Hochhaus, in dem sie aufwächst, gleich neben dem Kanal, der zum reißenden Fluss werden kann, an den Fahrstuhl, der einen in den sechsten Stock zu Fantomas und seinem Wolf bringt, an die Spielgefährt*innen, mit denen sie und ihre Schwester Anita heimlich nachts Horrorfilme schauen, an den Klang der Sprache ihrer Eltern und an das ferne Land Jugoslawien, das es einmal gab und das jetzt versunken ist – wie Atlantis. Und sie erinnert sich an die Prügel und die Gespenster ihrer Mutter, an die zärtlichen Hände ihres Vaters, die sie nicht immer retten können, das Lächeln ihrer Schwester und die Tränen in ihren großen traurigen Augen. Sie erinnert sich an die weiten, gelben Felder im Dorf ihres Vaters und an das blaue Meer und die Gischt in der weißen, venezianischen Küstenstadt ihrer Mutter – und an all die Menschen, die diese Welten und ihren Kopf immer noch bevölkern.

Die Erfindung meiner Kindheit oder All das, was mir das Leben rettete erzählt von einer harten Kindheit im jugoslawischen Gastarbeiter-Milieu der 80er Jahre in Deutschland. Im Zentrum stehen Anastasia und ihre Familie, die nicht wirklich in Deutschland angekommen ist. Die psychische Erkrankung der Mutter prägt die Sozialisation Anastasias und ihrer Schwester. Eine traumatische Kindheit wird beschrieben, wobei der Text immer wieder poetische und humorvolle Bilder der Befreiung davon entwirft. Das Stück ist ein mehrdimensionaler Erzählkosmos, der zwischen der Perspektive der erwachsen gewordenen Frau, die sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt und der kindlichen Perspektive hin- und herwechselt, wobei die Grenzen zwischen Realität und Erfindung verschwimmen. Es entsteht ein ästhetischer Sog, in dem die Kindheit wie in einem Hohe- und Klagelied heraufbeschworen wird – die Erfindung der eigenen Kindheit wird dabei zu einem nie endenden Prozess und zu einem Versuch, die Deutungshoheit über das eigene Leben zu ergreifen.

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