UA Frei
Theater

Manfred Schild, Giovanni Boccaccio

Decamerone

Ein Stück Boccacio

Ein Wissenschaftler trifft nächtens in einem Park eine wunderschöne Frau und stellt fest, dass es seine eigene Zeit ist, die er soeben kennengelernt hat. Fünfzehn Jahre seines Lebens hat er sich pflichtbewusst um eine exakte wissenschaftliche Erfassung der Geschichten des Decamerone bemüht, aber begriffen hat er sie nicht. Also führt seine Zeit ihm die Welt dieser Geschichten vor Augen. Es sind Geschichten über Betrug, wo Frauen ihre Männer betrügen, weil diese Männer ihre Frauen heimlich mit Männern betrügen, wo junge Frauen ihr Recht auf Leben einfordern, wenn steinalte Männer diese Frauen zwar besitzen, aber nicht mehr lieben. Es ist eine Geschichte über einen Glaubensmann, der nicht glauben will, was er glauben soll. Dafür lässt er andere glauben, was er sie zu seinem Nutzen glauben lassen kann. So schickt er den religiös delirierenden Ehegatten zum Beten aufs Dach und lässt sich selbst inzwischen von der Ehefrau den wahren Glauben an das Leben lehren. Es sind Geschichten über Straßenräuber und Marktplatzflittchen, die jenseits aller bürgerlichen Moral die Hoffnung auf das glorreiche Jenseits genüsslich über Bord werfen und das Jammertal des Diesseits zum Fest erklären. Und es sind natürlich auch Geschichten über die Liebe: über ihre Schönheit und ihre Nähe zum Tod. Carpe diem oder memento mori? Boccaccio selbst sagt im Decamerone, dass "...es für den Verständigen keinen Schmerz gibt, der dem über die verlorene Zeit gleichkäme." (Manfred Schild)

4 D, 4 H, St, Verwandlungsdek

Aufführungsarchiv

12
April 2012
Manfred Schild, Giovanni Boccaccio

Decamerone

Theater
Regie Ulrich Kunze
Theater Staatstheater Meiningen, Meiningen

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Theater
Manfred Schild

Morgen mein Meister

1 D, 1 Dek

In der neuen Zeit der Geschwindigkeit, der hektischen Produktivität, der Effizienzsucht schwebt über allen Köpfen das Schattengespenst einer Ökonomie, die unser Leben scheinbar zwingend diktiert. Das Vokabular der Marktwirtschaft prägt zunehmend unser Weltverständnis. Mobilität, Flexibilität, Innovation, Performanz, Effizienz.
Eine Frau macht sich fertig - wie auch immer. Sie bereitet sich auf einen großen Abend vor, denn "in der Welt gibt es Täter und Opfer, und wer ein Date mit einem von den Großen hat, der gehört per se schon zur ersten Gruppe". Beatrix hat diese Nacht das alles entscheidende Date mit dem Consulting Berater ihres Chefs. Sie verwandelt sich vor den Augen der Betrachter von einem Menschen in ein makelloses Produkt, das den Anforderungen der neuen Leistungsprofile entspricht. Sie steigt in die Ritterrüstung der Neunziger, um den Krieg zu gewinnen. Sie hat ihren Körper trainiert, die Sprache der neuen Spielregeln gelernt, und sie ist bereit, in Zeiten der Produktion als Produkt zu funktionieren. Denn sie will überleben - "einmal möchte ich so viel Geld haben, dass ich wirklich begreifen kann, wie man das Wort Freiheit buchstabiert".
Morgen mein Meister ist das Portrait einer sensiblen Frau, die spürt, dass der Boden, auf dem ihr Leben aufgebaut ist, brüchig geworden ist, die in Zeiten, die härter geworden sind, zu überleben versucht. Es ist die Geschichte eines Menschen, der bedrohlich weit den Ursprung seines Ich verlassen hat.

Theater
Manfred Schild

Muttersöhnchen

4 H

Anlässlich der Fußball-WM hat der Unternehmer Erich, dessen Firma gerade dabei ist, einen lukrativen Auftrag für einen Hotelbau in den Emiraten abzuschließen, eine VIP-Lounge gemietet. Dorthin lädt er nun seine Kumpels - den Möbeldesigner Otto, seinen PR-Mann Max und seinen Jugendfreund Walter – ein, um sich mit ihnen bei viel Bier das Spiel anzusehen, wie echte Kerle das eben tun.
Bald schon aber machen die gehäuften Anrufe von Ottos Mutter klar, dass der jedenfalls noch ziemlich an Mutters Rockzipfel hängt. Max, dem er sich anvertraut, sitzt seinerseits im selben Boot. Was Otto die sonntägliche Schnitzelpflicht bei Muttern, ist Max die samstägliche Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie. Nicht unproblematisch, aber da gibt es Gott sei Dank noch Walter – und der lebt noch bei Mama! Otto und Max stürzen sich mit Feuereifer auf diesen vermeintlich gravierendsten Fall, um Walter in die Freiheit zu führen.
Nur Erich kennt solche Probleme scheinbar nicht. Er trifft seine Mutter nur gelegentlich vor Gericht, wo der Entmündigungsprozess, den er gegen seinen Vater angestrengt hat, verhandelt wird. Erich ist knallhart, nicht so ein Weichei wie diese Muttersöhnchen um ihn herum. Oder?

"Man(n) kann seine Mutter mögen, man kann sich wegen ihr die spärlichen Haare raufen, man kann sie abgöttisch verehren oder jeden Sonntag mit ihr ein Schnitzel essen müssen. Aber man kann vermutlich nie aufhören, diese rätselhafte Verbindung NICHT zu verstehen." (Manfred Schild)

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Theater
Manfred Schild

Sitzfleisch

1 D, 4 H, Verwandlungsdek

Der Möbelmarkt Kleinwetzelsrhode hat es geschafft. Dank umsichtiger Firmenpolitik wurde er von dem weltumspannenden Konzern Globl Mogl gekauft. Fortan wird das Sommersitzmöbel Frühlingsblümchen zwar wie gehabt von Theodor Lotterbeck, dem Enkel des Erfinders dieses Sitzmöbels, und Frau Tunzenbach, der Frau für alles, verkauft, doch die imperiale GloblMoglEminenz wacht mit Analystenaugen über den Verkaufserfolg. Und was erfüllt mit Schrecken? "DIE ABTEILUNG FÜR SONNENSITZMÖBEL LAHMT!!" Umgehend wird Bruno, der Mann fürs Grobe, ins Krisengebiet geschickt, um die Menschen wieder zum Sitzen zu bringen. Mit ihm hält der erfolgsorientierte Kapitalismus Einzug in den betulichen Familienbetrieb. Erdacht wurde von den Analysten ein SONNENSITZMÖBELDAUERSITZCONTEST. Gewinnaussicht: 1 Millionen Euro. Doch die Kleinwetzelsrhoder sind kritisch und bis auf Oskar findet sich niemand, der an diesem Wettbewerb teilnehmen möchte. Damit aber die Welt ein Auge darauf wirft, opfert Bruno sich als Gegensitzer. Auf dem Dach des Möbelmarkts sitzt nun der Ehrgeiz des einen neben der Geduld des anderen, die Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Die Öffentlichkeit lebt und leidet mit Ihnen, Sonnensitzmöbel Frühlingsblümchen findet reißenden Absatz. Sitzen wird wieder modern. Doch das Happy End bleibt aus. Die Sitzenden werden ihres Harrens nicht gewürdigt, Gewinner sind und bleiben immer die anderen. Ein Ende in Schall und Rauch.

Sitzfleisch, eine schräge Parodie auf die Auswüchse der Gewinnorientierung, offeriert comicartig schrill-komische Bilder einer Gesellschaft, in der man durch Aussitzen wahrlich nichts gewinnen kann.

Digitales Textbuch