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Matthias Beltz

Die Frankfurter Verlobung

11. September 2001. Manhattan brennt, Frankfurt pennt. Da bricht das Fernsehen ein in ein kleines privates Fest. Krieg ist in der kleinsten Hütte, wer schützt unsere Wasserwerke?

Gerhard, Rechtsanwalt, 55 Jahre alt, realpolitisch orientiert, mit tiefer Bindung an die alte linksradikale Vergangenheit, und Bille, Kinderärztin, 45 Jahre alt, linksliberal, sehr in die Zukunft denkend, hatten beschlossen, zu heiraten. Sie wollen das in einer kleinen Feier als Verlobung begehen und haben Johannes, Billes Sohn, und dessen Freundin Mascha eingeladen. Dazu wird Gerhards früherer Freund, der Minister, erwartet.

Erst sind sich alle einig, daß Heiraten etwas Schönes ist, sie baden im Wasser der Zufriedenheit und der Sicherheit. Sie plaudern über die klassischen Themen: Wer ist Freund, wer ist Feind? Nach dem Kommunismus ist die Politik öde und leer, Technik und Naturwissenschaft bestimmen die Welt, Widerstand ist nicht mehr möglich.
Plötzlich ist der Terrorismus da. Sie erfahren von der Katastrophe von New York und beginnen den Tanz zwischen Betroffenheit, ästhetischer Faszination. In allen vier Personen ringen zwei Prinzipien miteinander: "Die Mode ist die ewige Wiederkehr des Neuen" gegen "Was soll ich anziehen nach dem 11. September?". Dann steht die Polizei vor der Tür. In ihrem Wahn verbarrikadieren sich die vier, es kommt zu einer Schießerei, Gerhard wird verletzt - die Polizisten wollten nur sagen, daß der Minister nicht kommen kann, weil jetzt Krieg ist.

Nach der Verwechslungsgroteske bitten Gerhard und Bille Johannes und Mascha ihre Trauzeugen zu sein. Beide sagen zu, denn nur die Liebe zählt und das Leben geht weiter. Nichts ist so, wie es vorher auch nicht gewesen ist.

2 D, 4 H

UA: 07.02.2003 · Schauspiel Frankfurt · Regie: Anselm Weber

Ursendung: 25.04.2004 · WDR · Regie: Klaus Wirbitzky

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Matthias Beltz

Ich bin nichts, ich hab nichts, aber ich lach mich tot

2 H, 1 Stimme, 1 Dek

KASPER Wissen Sie, warum die amerikanische Unabhängigkeitserklärung Unabhängigkeitserklärung heißt? Weil sie erklärt, daß jeder selber schauen soll, wie er weiter kommt, unabhängig davon, wie es dem anderen geht.

Der Schauplatz ist eine schmuddelige Garderobe im "Keller einer großen Sporthalle einer mittelgroßen westdeutschen Großstadt", dominiert durch ein Schild: "Es ist verboten, keine Angst zu haben". Am Rande einer Benefizgala zugunsten Obdachloser streiten hier ein Witzeerzähler und ein Literatur-Rezitator über Kunst und Unkunst, das Verhältnis von Comedy und Theater, Zynismus und Pathos, über "U" und "E".

EIGENBROD Man hat uns belogen, schändlich belogen.
Man hat uns auf die hinterhältigste Weise betrogen.
Sie haben uns aufs Gemeinste die Katastrophe versprochen
sie haben uns zittern lassen vor Todesangst,
sie haben uns den Untergang vorhergesagt und die Folter und das Ende -
und jetzt diese Schmach: Nichts ist passiert.
Die ganze Aufregung war genauso vergebens wie dieses aufgeregte Jahrhundert,
vergebens bis in die morschen Knochen.
Man hat uns die Folterwerkzeuge gezeigt, gegrinst -
und dann alles wieder in den Fundus geräumt.
Die totale Erschütterung der eigenen Person -
bloß ein Aufsprudeln der Nudeln in der 5-Minuten-Terrine.
Das ist das wirkliche Ende: Der Zug der Zeit fährt gar nicht ab.
Der Untergang des Abendlandes wird auf ungewisse Zeit verschoben.

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