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Theater

Lisa Sommerfeldt

stadt.land.fluss

Fabian liebt Marla. Marla will in die weite Welt. Anna liebt Fabian. Fabian lebt für die Kunst. David liebt Anna. Doch die tröstet sich nur mit ihm. Vier junge Menschen haben die Schule hinter sich und alle Möglichkeiten vor sich. Doch wer die Wahl hat, der hat die Qual. An welchem Ort sollen sie leben, mit welchem Partner, welche Laufbahn sollen sie einschlagen? Wie kann sie gelingen, die vollkommene und unablässige Erfüllung, die uns täglich suggeriert wird? Wie wird man denn maximal glücklich in der postmodernen Welt, in der wir alle unseres Glückes Schmied sein müssen? Wer kann noch Tag für Tag unkonventionell und originell sein? Vorgezeichnete Wege stehen unseren vier Helden nicht mehr offen, Traditionen dürfen ihnen nichts mehr gelten. Wer nicht reüssiert, der hat seine Sache nicht gut genug gemacht, war eben nicht kreativ genug im großen Spiel der Optionen und Optimierungen. So klammern sich unsere vier Helden mehr und mehr an das Wenige, das sie erreicht haben - an ihre allenfalls passablen Jobs und ihre unehrlichen Beziehungen. Überfordert und unfähig zu radikalen Entscheidungen versuchen sie sich an einer "Konstruktion von Liebe", die zum Scheitern verurteilt ist.

stadt.land.fluss oder die konstruktion der liebe ist eine Tour de Force durch die Seele einer Generation. Im Sinne Tschechows ist es eine große Komödie

2 D, 2 H

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Lisa Sommerfeldt

Weberei oder die Erfindung des Bademantels

3 D, 2 H, Chor der Seidenraupen

An den heimischen Webstühlen arbeiteten meist Frauen, während später in den Textilfabriken hauptsächlich Männer und Kinder angestellt waren. Im 2. Weltkrieg wurden Zwangsarbeiter ausgebeutet und in der Zeit des Wirtschaftswunders Gastarbeiter ins Land geholt, bevor schließlich die prekäre Arbeit nach Polen und Bangladesch ausgelagert wurde. Wie haben sich Globalisierung und Massenproduktion auf die Textilherstellung ausgewirkt? Wer trägt das Risiko und wer hat Anspruch auf Gewinn, Erbe und Kapital? Verwebt in einem weiteren Erzählstrang hören wir den Chor der Seidenraupen von ihrem Versuch erzählen, im 18. Jahrhundert in Deutschland heimisch zu werden. Das scheiterte zunächst an den Witterungsbedingungen, wurde aber im 20. Jahrhundert von den Nationalsozialisten als Beitrag der Schulen und Altenheime für die Kriegswirtschaft wieder aufgenommen, um Fallschirmseide für die Luftwaffe zu gewinnen.

Am Beispiel einer fiktiven Fabrikantenfamilie erzählt Lisa Sommerfeldt in WEBEREI oder Die Erfindung des Bademantels von Aufstieg und Fall der großen Ära der Textilherstellung. Angelehnt an deutsche Firmengeschichte, entsteht ein berührendes Generationendrama, das von den wechselhaften Zeiten berichtet: von den bescheidenen Anfängen, dem rauschhaften Aufstieg, den Rückschlägen durch Kriege und die Verstrickung in Nationalsozialismus, Ausbeutung und Zwangsarbeit bis hin zu den Auswirkungen von Massenproduktion und Globalisierung. Gleichzeitig ist WEBEREI oder die Erfindung des Bademantels ein Bild für die Gesellschaft und ihre Verbindungen, Seilschaften und Abhängigkeiten. Und dafür, wie jeder und jede versucht, Geld zu verdienen, seinen Platz zu finden, nützlich oder womöglich unentbehrlich zu sein, sich zu vernetzen und sein oder ihr Glück zu machen.

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Lisa Sommerfeldt

Mädchen mit Hutschachtel

3 D, 1 H

Am 22. Oktober 1940 wurden in Bruchsal alle verbliebenen Jüdinnen und Juden verhaftet. Sie hatten eine Stunde Zeit, um das Allernötigste zu packen, ehe sie durch die Stadt zum Bahnhof getrieben und von dort in das Internierungslager Gurs deportiert wurden. Unter ihnen war das dreizehnjährige Mädchen Edith mit seiner Mutter. Auf einem Propagandafilm sieht man sie deutlich mit einem kleinen runden Koffer in der Hand, der aussieht wie eine Hutschachtel. Lisa Sommerfeldt hat aus Gesprächen mit Zeitzeugen, privaten und historischen Dokumenten die Lebensgeschichten von Edith und ihren Verwandten rekonstruiert und sie zu einem schmerzhaften, präzisen Erinnerungstext montiert.
Edith Leuchter, geborene Löb, überlebte die Shoah. Mit Hilfe des OSE (Œuvre de secours aux enfants) konnte sie aus dem französischen Lager befreit werden und sich bis zum Kriegsende versteckt halten. Ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder Heinz, der noch eine Zeit lang in einem Frankfurter Kinderheim geschützt war, wurden in Auschwitz ermordet. Ihr Vater konnte vor Kriegsausbruch in die USA auswandern, von wo aus er vergeblich versucht hat, die nötigen Papiere für die Ausreise seiner Familie zu organisieren. Lange Jahre kämpften Edith Löb und ihr Vater um Wiedergutmachung, für die sie immer neue Nachweise erbringen mussten.
Die Autorin zitiert auch aus den Schreiben der bundesdeutschen Verwaltung: „Als entschädigungsfähige Haft wird anerkannt: 10 Monate und 17 Tage. Nach § 17 Abs. 1 BEG beträgt die Geldentschädigung für jeden vollen Monat erlittener Haft 150,-- DM.“

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Lisa Sommerfeldt

wing.suit

2 D, 1 H

Marie und Florian sind verheiratet und haben zwei Kinder. Er ist der erfolgreiche Anwalt, sie ganz die liebevolle Mutter. Doch hinter der schönen Fassade liegt ihre Beziehung in Trümmern. Während Florian sich nur noch in lebensgefährlichen Wingsuit-Sprüngen lebendig fühlt, leidet Marie still und einsam unter ihrer traditionellen Rolle, die sie nie wollte. Sie trauern um ihre Liebe, aber quälen einander dennoch unbarmherzig mit Vorwürfen und gegenseitigem Misstrauen. Florian beginnt eine Affaire mit seiner attraktiven Kollegin Lena und will gerade aus der festgefahrenen Ehe ausbrechen als bei Marie Brustkrebs diagnostiziert wird. An Trennung ist jetzt nicht mehr zu denken. Florian ist überfordert und versagt kolossal als Partner und als Geliebter. Marie hingegen kämpft mit allen Mitteln um ihr Leben, auch mit sehr hässlichen. Wer hat recht, wer unrecht? Wer muss nachgeben und wofür denn noch? Der Machtkampf eskaliert. Am Ende steht Florian an der Klippe, bereit zum Sprung - der Wingsuit wird ihn nicht mehr retten.

Mit voller Wucht lässt Lisa Sommerfeldt ihre Figuren aufeinanderprallen, schutzlos verbeißen sie sich ineinander. In den Höhen und Tiefen einer langjährigen Beziehung erkennen wir uns alle wieder, in den kleinen Gehässigkeiten ebenso wie in der zärtlichen Suche nach Nähe. Doch Marie und Florian kennen kein Maß mehr, sie verlieren in diesem Kampf jede Form. Was als gemeinsamer Höhenflug begann, endet als Sturz ins Bodenlose.

Lisa Sommerfeldt

germania (AT) Gespenster der blutenden Frau

germania ¿ (AT) ist ein kritischer Gegenentwurf zu Heiner Müllers "Germania 3, Gespenster am toten Mann". Ich bewundere Heiner Müllers Stück sehr. Und dennoch: Das Stück spiegelt die schulische, männliche, allgemein als normal empfundene deutsche Geschichtsschreibung. Rosa Luxemburg wird bezeichnenderweise nur wortlos als Statistin vorbeigeführt. Was passiert nun also mit der deutschen Geschichte, wenn man den Frauen Stimmen und Redezeit gibt? Ändert sich das Empfinden für die Wichtigkeit von Ereignissen? Wo verschieben sich Akzente und Schwerpunkte? Wie lautet die Antwort auf Heiner Müllers „Germania 3“, wie lautet die Erzählung deutscher Geschichte, wenn man die Frauen fragt? Wenn hier statt Thälmann, Stalin und Hitler die Geschichte aus weiblicher Perspektive erzählt wird: von Rosa Luxemburg, Magda Goebbels, der Hexe von Buchenwald (Ilse Koch), Hannelore Kohl und Margot Honecker? Und wie geht die Erzählung weiter, wenn Romy Schneider und Angela Merkel zu Wort kommen? Während hier nicht Rosa Luxemburg, sondern Hitler, Stalin und Thälmann nur als Statisten wortlos vorbeigeführt werden? In großer Wertschätzung von Heiner Müllers Werk möchte ich mich kritisch und literarisch mit seinem Werk auseinandersetzen und eine neue, weibliche Erzählung deutscher Geschichte als Antwort auf seinen männlichen Entwurf wagen. Und dabei in die Vergangenheit, aber auch in eine mögliche Zukunft blicken. (Lisa Sommerfeldt)

"Hannelore Kohl: Fernsehinterwiews. Aber man wird älter. Und wir Frauen müssen auch noch schön sein. Sollen mithalten mit den Schauspielerinnen. Denen stundenlang die Betonfrisur gemacht und geföhnt wird. Die haben ihren Text. Und wenn es nicht hinhaut, dann noch ein Take und noch ein Take. Bis es perfekt ist. Ich hab nur einen Take. Stehe abends um acht nach fünf Interwiews und sonstigen Tätigkeiten da und muss im freien Fall formulieren. Und einen Wahlsieg verkaufen, an den ich selbst nicht mehr glaube. Das ist ein Lebenswerk. Da muss man durchhalten, da nimmt man auch mal die falsche Medizin. Da fallen schon auch mal die Haare und Nägel aus, nach dem Allergieschock, da färbt sich schon mal die Haut blau. Da erholt man sich schon auch mal nicht mehr davon. Da trägt man schon auch mal Perücke und dickes MakeUp. Da wird der lichtdurchflutete Kanzlerbungalow zur Qual. Da erstarrt das Lächeln auch mal, wenn die Schmerzmittel nicht wirken. Blitzlichtgewitter. Der moderne Scheiterhaufen. Da verbrennt man von innen. So ein abgelichtetes Leben will verkraftet sein."

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