Hans Sahl

Theater
Joseph Hayes

An einem Tag wie jeder andere

Deutsch von Hans Sahl
3 D, 12 H, 2 Dek

Drei Häftlinge sind entflohen. Glenn, ihr Anführer, hat eine Rechnung mit dem Polizisten Bard offen. Glenn will einen Killer bezahlen, damit der den Polizisten tötet. Bis eine Komplizin das dafür nötige Geld bringen wird, nisten sich die Häftlinge im Haus der Durchschnittsfamilie Hilliard ein. Unter ständiger Androhung von Gewalt, zwingen sie die Familie, ihr normales Leben fortzuführen. Die Versuche, sich von den Verbrechern zu befreien, scheitern wiederholt. Die Situation wird dadurch nur noch angespannter. Für Glenn symbolisieren die Hilliards alles, was er hasst. Die Familie wiederum ist erschüttert über den Einbruch einer anderen Realität, die sie hofften, nie kennen lernen zu müssen.
Die Übergabe des Geldes verzögert sich immer wieder. In der zähen Wartezeit reißt den Verbrechern nach und nach die Geduld. Erstes Opfer ist ein Mitarbeiter der Müllabfuhr, der etwas von den Zuständen im Haus bemerkt haben könnte. Dass Vater Dan bei der Beseitigung der Leiche mithelfen muss, löst bei ihm einen Umschwung aus: Er ist überzeugt davon, dass die Vorgänge alles zerstört haben, was ihm wichtig war: Vertrauen und Geborgenheit in der Familie zum Beispiel. Er will Rache und sät Zwietracht unter den ungleichen Verbrechern. Dan wächst über sich hinaus und fasst einen waghalsigen Plan. Bis zum Showdown zwischen ihm und Glenn bekommt die heile Welt der Mittelklasse jedoch noch etliche Risse.

Die ermittelnde Polizei, die bürgerliche Familie und die Verbrecher: auf drei Ebenen konjugiert Hayes in diesem dramatischen Kriminalstück verschiedene Facetten einer Bedrohung durch, von psychologischem Terror bis hin zu physischer Gewalt, von sozialen Aspekten bis hin zu unanfechtbarer Solidarität.

Theater
Arthur Miller

Der Preis

Deutsch von Hans Sahl
1 D, 3 H, 1 Dek

Der Preis spielt im Dachgeschoss eines abbruchreifen Hauses, in dem das Mobiliar der Familie Franz aufbewahrt ist. Dieses Mobiliar soll nun verkauft werden. Dieser Verkauf lässt die beiden Brüdern Victor und Walter Franz nach langer, freiwillig gesuchter Trennung noch einmal aufeinandertreffen.
Der Vater der beiden war ein angesehener, reicher Mann, der bei einem großen Börsenkrach sein Vermögen verlor und wegzog, nachdem auch seine Frau gestorben war. Victor verzichtete auf sein Studium und wurde Polizist, um sich um seinen Vater zu kümmern. Walter beendete sein Studium, schickte monatlich 5 Dollar Zuschuss und wurde ein erfolgreicher Chirurg. Als die beiden Brüder beim Verkauf des Mobiliars an den jüdischen Makler Salomon aufeinandertreffen, müssen sie erkennen, dass eine Versöhnung nicht mehr möglich ist.
Liebe und Verantwortung sind die beiden Grundpfeiler, um die es geht. Victor beschuldigt Walter des Egoismus. Walter beweist, dass Victor vom Vater nur ausgenutzt wurde. Dieser aber will sich nicht eingestehen, dass er sein Leben an eine Illusion verschenkt habe. Die vielen Jahre Trennung lassen sich nicht wieder gut machen. Walters Versuch scheitert. Er verzichtet auf die Hälfte des Erlöses und geht ohne Abschied. Esther, Victors Frau steht zwischen den beiden; sie anerkennt die Motive Walters und hält doch auch wieder zu ihrem Mann. Eine Lösung gibt es auch für sie nicht mehr.

Theater
Arthur Miller

Die Erschaffung der Welt und andere Geschäfte

Deutsch von Hans Sahl
1 D, 8 H, Verwandlungsdek

Von der Erschaffung Adams und Evas bis zum ersten Brudermord: Die einzelnen Stationen sind bekannt und werden auch hier erzählt: die Versuchung, der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies, der erste Zwist unter Brüder, der erste Mord. In diesem Rahmen zeigt Miller Menschen, die um die Liebe Gottes buhlen und ihn doch immer wieder missverstehen. Lucifer, von Gott gemacht und ausgebildet, kommt ins Spiel. Nichts wünscht sich der schizophrene Engel mehr, als von Gott wie ein Sohn geliebt zu werden. Aber gleichzeitig will er ihn stürzen. Er meint, den Willen Gottes zu kennen, aber auch er missversteht Gott. Lucifer wirkt als Katalysator. Er verführt Eva, und er ist es, der ihr beibringt, dass sie nicht zu viele Muscheln gegessen habe, sondern ein Kind erwartet.
Die Menschen, hin- und hergerissen zwischen dem Glauben an Gottes Güte und wütender Verzweiflung ob der ihnen auferlegten Strafen, entzweien sich zusehends. Kain fordert bei seinen Eltern die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ein. Die Erkenntnis, dass auch ihre Mutter gesündigt hat, ist für die ersten Brüder der Menschheitsgeschichte ein Schock. Kain ist es, der den Sabbath erfindet und seine Familie auffordert, Gott zu preisen. Daraus wird: eine feiste Orgie. Und Gott erscheint - und feiert mit. Indem er sich als Feinschmecker gebärdet und Abels Speisen vorzieht, treibt er Kain zur bekannten Tat. Denn Gott weiß: Ohne die Sünde wäre er selbst überflüssig. Das Kainsmahl: ein ewiges Lächeln.

Die Suche des Menschen nach Antworten gesteigert zur Ekstase: Arthur Miller ergänzt die alttestamentarische Erzählung um die neuzeitliche Psychologie und macht sie damit für heute dingfest.

Theater
Thornton Wilder

Die Heiratsvermittlerin

Deutsch von Hans Sahl
7 D, 10 H, 4 Dek

Die Heiratsvermittlerin ist eine nur sehr gering abgeänderte Fassung von The Merchant of York, das ich ein Jahr später als Unsere kleine Stadt schrieb. Eine der Möglichkeiten des im neunzehnten Jahrhundert üblichen Unsinn der Inszenierung abzuschütteln, ist die, sich über ihn lustig zu machen. Diese Posse parodiert die Repertoirestücke der Schauspieltruppen, die ich als Junge im Ye Liberty Theatre in Oakland , Kalifornien, sah. Ich habe bereits deutsche Seminararbeiten gelesen, die es mit dem großen österreichischen Original, worauf es sich gründet, vergleichen. Diese angehenden Literarhistoriker sind sehr verdutzt. Da findet sich in meinem Stück das meiste der Intrige; da finden sich einige witzige Sentenzen; aber es handelt von ganz anderen Dingen. Nestroys wundervolle und bitter lachende Stücke - wie die meisten von Molière und Goldoni - handeln von dem Unheil, das Menschen in ihrem eigenen und im Leben anderer durch die verschrobenen Illusionen, die sie hegen, anrichten. Mein Stück handelt von dem Streben der Jungen (und nicht nur der Jungen) nach einem größeren, freieren Teilhaben am Leben. Man stelle sich einen österreichischen Apotheker vor, der ans Regal tritt, um aus einer Flasche abzufüllen, welche, wie er weiß, eine ätzende und scharfe Flüssigkeit enthält, die garantiert Warzen und "Wimmerln" entfernt, und man stelle sich seine Überraschung vor, wenn er entdeckt, dass die Flasche über Nacht mit sehr amerikanischem Birkenrindenbier gefüllt worden ist. (Thornton Wilder)

Theater
Thornton Wilder

In den Windeln

Deutsch von Hans Sahl
2 D, 3 H, 1 Dek

Im Central Park, New York, nimmt eine kleine tiefgründige Farce ihren Lauf: Das Kindermädchen Millie vertieft sich in eine romantische Erzählung und hofft inständig, auch ihr Leben hielte einmal Liebe bereit. Vielleicht sogar durch den Wachtmeister mit den unbeholfenen poetischen Tendenzen, doch seine deutlichen Annäherungsversuche vermasselt das Baby Tony, das bei allem ein Wörtchen mitzureden hat. Sein Problem ist nur: Die Sätze lassen sich im Kopf formen, aussprechen kann er sie aber noch nicht. Das Baby Tony verzweifelt schier an der Unterforderung, zwar alles wahrnehmen, aber zu nichts Stellung beziehen zu können. Die Babysprache, derer sich Erwachsener im Umgang mit ihm bedienen, beleidigt ihn zutiefst.
Das Baby Moe ist da besser dran, denn seine Mutter hat entdeckt, dass Baby Moe sich am schnellsten beruhigt, wenn man ihm das ABC, das Einmaleins, Straßennamen oder ähnliches vorsagt. Aber auch Moe denkt, dass die Erwachsenen mit ihrem ständigen "mein kleiner Dummer" etc. über ihn lachen. Seine Mutter hält das Zusammenleben mit einem Baby eh für Krieg. Als das Kindermädchen Millie auch noch lautstark eine Hasstirade auf Babies und darauf, wieviel Raum sie beanspruchen, hält, beschließt Moe dorthin zu gehen, wo "die Leute auf einen treten" - also ins Grab. Aber auch das Sterben hat ein Baby nicht selbst in der Hand. Tony bemüht sich darum, Moe wiederaufzubauen: Irgendwann werden sie schon erwachsen werden.
Der Wachtmeister fasst das Dilemma schließlich zusammen: Babies benehmen sich wie Erwachsene und Erwachsene wie Babies. Das große Missverständnis zwischen ihnen ist jedenfalls nicht zu klären. Die Aufgabe kann nur sein, es möglichst unbeschadet zu überstehen.

Theater
Arthur Miller

Nach dem Sündenfall

Deutsch von Hans Sahl
7 D, 7 H, Verwandlungsdek

"Eden hatte zwei Alternativen zur Folge: einmal die Alternative Kains - zu morden, um dann hinterher zu sagen, man habe nichts gewusst. Die andere Alternative erfüllt den Rest der Bibel und Menschheitsgeschichte mit dem Pathos eines jahrtausendealten Bemühens, die zerstörerischen Instinkte des Menschen einzudämmen, sein Bedürfnis nach Größe, Reichtum, Vollendung, Liebe zu befriedigen, ohne indessen Gesetz und Frieden in ein Chaos zu verwandeln. Die Frage, auf die das Stück hinausläuft ist demnach, wie dies herbeigeführt werden kann. Quentin betritt die Bühne in dem niederdrückenden Bewusstsein seiner eigenen und der Sinnlosigkeit dieser Welt. Er hat zwei unglückliche Ehen hinter sich, aber seine Verzweiflung ist zu ernst, zu tödlich, als dass er andere dafür verantwortlich machen könnte. Worum er sich verzweifelt bemüht, ist, sich über sein eigenes Verhalten Klarheit zu verschaffen. Er hat kürzlich eine Frau gefunden, die ihn liebt. Aber solange er noch an sich selbst zweifelt, möchte er nicht die Verantwortung für ein anderes Leben auf sich nehmen. Er ist demnach vor dieselbe furchtbare Alternative gestellt, mit der Eva Adam konfrontierte, nämlich, eine Entscheidung treffen zu müssen. Dies ist aber nur möglich, wenn man sich selbst erkannt hat, und niemand hat sich selbst erkannt, der nicht in sich den Mörder erkannt hat, die heimliche, ewige Konspiration mit den Mächten der Zerstörung. Der Apfel kann nicht mehr in den Baum der Erkenntnis zurückgesteckt werden ..." (Auszüge aus Millers Aufsatz "Ein Mann steht vor Gericht")

Theater
Audio
Thornton Wilder

Wir sind noch einmal davongekommen

Deutsch von Hans Sahl
5 D, 14 H, 2 Dek

Mit seinem Stück Wir sind noch einmal davongekommen hat Thornton Wilder ein modernes Welttheater geschaffen. Es gehört zu den großen dramatischen Werken dieses Jahrhunderts.
"Sein Thema - die Darstellung der geistigen und vitalen Kräfte, die dem Menschen nach allen Katastrophen wieder den Mut zum Leben geben - hat nichts von seiner Aktualität verloren, seit das Stück sich nach dem letzten Weltkrieg die Bühnen der Welt eroberte. Wilders Held, Mr. George Antrobus, ist zum Sinnbild des Mannes geworden, der trotz aller inneren und äußeren Gefahren und Versuchungen nie den Glauben an die Menschheit verliert. Dasselbe gilt für Mrs. Antrobus, die zum Idealbild der sorgenden Mutter wurde. Auch in Henry, dem sich stets gegen die Ordnung der Welt empörenden Kains-Typ, und in Sabina, der Verkörperung aller weiblichen Verführungskünste, hat der Dichter Figuren geschaffen, die - in der Sprache der Psychologen - als Arche-Typen der Menschheit gelten können." (Kölner Stadt-Anzeiger)
Dreimal gerät die menschliche Ur- und Normal-Familie in äußerste Bedrängnis: Im ersten Akt durch den Einbruch der Eiszeit, im zweiten durch die Sintflut, im dritten durch den Weltkrieg. Aber Mr. und Mrs. Antrobus und ihre die Menschheit umfassende Familie tauchen aus allen Trümmern wieder auf, bauen neu und sind wieder einmal davongekommen. Thornton Wilders Schauspiel mit dem beziehungsreichen Titel ist ein mutiges Stück. Der Dichter glaubt an die Lebenskraft der Menschheit trotz der schauerlichen "Wiederkehr des Gleichen". Das Stück hat keinen Schluss, das Spiel geht weiter.

Theater
Audio
Arthur Miller

Zwischenfall in Vichy

Deutsch von Hans Sahl
17 H, 1

1942, Vichy in Frankreich. Eine Gruppe Häftlinge wartet in einem Haftlokal auf das Verhör, das über Leben und Tod entscheiden wird. Den meisten Männern ist klar, warum sie hier sitzen: Sie sind Juden. Ihre zum Teil gefälschten Papiere können sie nicht mehr schützen. Nur einem von ihnen wird es gelingen, sich freizukaufen. Während des qualvollen Wartens macht die entsetzliche Nachricht den Umlauf, dass die KZs im Osten keine Arbeitslager, sondern Vernichtungslager sind. Der Überlebenswillen treibt besonders den Schauspieler Monceau dazu, die Nachricht zu beschönigen. Er traut es den Deutschen, dem Kulturvolk, dem besten Publikum der Welt, nicht zu, dass sie Menschen, gar Künstler verbrennen. Der Aristokrat von Berg bringt diese Selbsttäuschung auf den Punkt: Darin genau liegt die Stärke der Nazis: dass sie das Unvorstellbare tun.
Fluchtgedanken, verzweifelte Hoffnung und nüchterne Hoffnungslosigkeit - einer nach dem anderen wird dem "Professor für Rassenkunde" vorgeführt, kaum einer kehrt aus dem Verhörraum zurück.
Leduc, Psychiater, und von Berg bleiben für eine Weile allein. In ihrem Gespräch erkennt von Berg, woraus sich sein unbestimmtes Schuldgefühl speist, nämlich aus der uneingestandenen Erleichterung darüber, dass er selbst kein Jude ist. Von Berg, der sein Land verließ, um nicht zu den Unterdrückern zu gehören, gesteht sich am Ende ein, dass auch er sich der Mitverantwortung für die grausamen Taten der Deutschen nicht entziehen kann. Den Passierschein, den er erhält, gibt er heimlich an den Juden Leduc weiter. Ein Akt der Humanität, der sofort die Frage nach Schuld aufwirft: Leduc wird ein Überlebender sein.

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