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Fokus

Wolfram Lotz & Lothar Kittstein & Roland Schimmelpfennig

Bettina Walther berichtet über drei Münchner Premieren, die wir im November gerne besucht hätten

Durch den neuen Lockdown müssen wieder zahlreiche Premieren ausfallen, auf die unsere Autor.innen, die Theater und wir gemeinsam lange hingearbeitet haben. Bettina Walther berichtet über drei Münchner Premieren, die wir im November gerne besucht hätten: DER KREIS UM DIE SONNE von Roland Schimmelpfennig am Residenztheater, GESPENSTER – ERIKA, KLAUS UND DER ZAUBERER von Lothar Kittstein sowie DIE POLITIKER von Wolfram Lotz an den Münchner Kammerspielen.

Residenztheater Fassade und der Publikumsraum von den Münchner Kammerspielen © Simon Koy

Roland Schimmelpfennigs unter dem Eindruck der Corona-Krise entstandenes Stück DER KREIS UM DIE SONNE ist sein zweiter großer Wurf für das Münchner Residenztheater. Sein DER RISS DURCH DIE WELT, im November vergangenen Jahres uraufgeführt und seither an zahlreichen Theatern nachgespielt, erzählt vom Einbruch biblisch anmutender Naturkatastrophen in unser modernes Leben und wirkt nun ein Jahr später fast prophetisch. In seinem neuen Stück DER KREIS UM DIE SONNE trifft Schimmelpfennig genau den Ton, den es braucht, um fast beiläufig von der unfassbaren Erschütterung zu erzählen, die eine Pandemie mit sich bringt.

„Es wird bald hell. Schon? Tatsächlich, die Sonne geht auf. Ja? Nein? Und plötzlich ist alles anders. Als habe sich ein Schatten vor die Sonne geschoben.“

Nora Schlocker hat dieses hochpoetische Figurenpanorama inszeniert, die Bühne hat Irina Schicketanz gebaut, auf der u. a. auch unser Autor Thiemo Strutzenberger am 14.11. gestanden hätte. Dass ausgerechnet dieses Stück nun vorerst noch ungespielt im Dunkel des leeren Theaters warten muss, stimmt uns besonders wehmütig.

Gerne wären wir im November ein zweites Mal nach München gereist. Um uns am 22.11. an den Kammerspielen die jüngste Gemeinschaftsarbeit von RAUM + ZEIT anzuschauen: GESPENSTER – ERIKA, KLAUS UND DER ZAUBERER von Lothar Kittstein, inszeniert von Bernhard Mikeska. Lothar Kittstein und Bernhard Mikeska, sind in München keine Unbekannten. Denn ihre Arbeiten, in denen sie immer wieder mit der Logik eines konsistenten Raum-Zeit-Kontinuums und der inneren Welt der Wahrnehmung spielen, waren auch schon am Residenztheater zu sehen. Mit GESPENSTER arbeiten sie nun erstmals an den Münchner Kammerspielen und haben sich dafür eine berühmte Münchnerin vorgenommen: Ihr Abend beschäftigt sich mit der Schauspielerin, Kabarettistin und Autorin Erika Mann und zeigt sie als eine Frau, die gleichermaßen im Schatten des Über-Vaters Thomas Mann und im Schatten des todessehnsüchtigen Bruders Klaus Mann stand.

Weiterhin warten müssen wir außerdem auf Wolfram Lotz‘ Einstand an den Münchner Kammerspielen. In seinem Stück DIE POLITIKER, das wahlweise Gedicht, Mantra und Wortkaskade ist, betrachtet Wolfram Lotz eine Berufsgruppe, deren Nüchternheit der Lotzschen Übertreibungslust eher diametral entgegensteht. Felicitas Brucker inszeniert dieses vielgespielte Sprachkunstwerk mit Katharina Bach, Svetlana Belesova und Thomas Schmauser. Zur Premiere am 30.11. wären wir auf jeden Fall gekommen. Nun warten wir auf hellere Zeiten und darauf, dass es in Münchens Theatern wieder leuchtet!

© Adriana Jacome

Roland Schimmelpfennig

Roland Schimmelpfennig, geboren 1967 in Göttingen, ist Autor, Regisseur und vor allem einer der meistgespielten Gegenwartsdramatiker Deutschlands. Er studierte, nach einem längeren Aufenthalt als Journalist in Istanbul, Regie an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Seither schreibt er Theaterstücke für große Häuser wie das Deutsche Theater Berlin, das Burgtheater Wien, das Residenztheater München und das Schauspielhaus Hamburg – aber auch für internationale Bühnen in Stockholm, Kopenhagen, Toronto oder Tokio. Seine Theaterstücke – darunter auch viel gespielte Texte für das Kinder- und Jugendtheater - werden immer wieder mit Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem renommierten Mülheimer Dramatikerpreis. Im S. Fischer Verlag erschien zuletzt Roland Schimmelpfennigs vierter Roman Sie wartet, aber sie weiß nicht auf, auf wen.
Roland Schimmelpfennig lebt in Berlin und Valencia.


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© Andre Simonow

Wolfram Lotz

Wolfram Lotz, geboren 1981 in Hamburg, wuchs im Schwarzwald auf. Er studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft in Konstanz, und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er schreibt Theaterstücke, Hörspiele, Lyrik und Prosa und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, vor allem für Die lächerliche Finsternis. In seinen Stücken stellt er immer wieder die Darstellung von Wirklichkeit auf der Bühne in Frage und fordert ein "Unmögliches Theater", in dem die Fiktion die Realität bestimmt und verändert.

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Lothar Kittstein

Lothar Kittstein, geboren 1970 in Trier, studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte in Hannover und Bonn. Nach seiner Promotion arbeitete er als Headhunter bei einer kleinen Unternehmensberatung. Mit dem dramatischen Schreiben begann er 2003. Im Juni 2005 wurde sein Stück In einer mondhellen Winternacht zu den Autorentheatertagen des Thalia Theaters eingeladen, im September 2005 fand die Uraufführung von Spargelzeit am Theater Osnabrück statt. Lothar Kittstein nahm im Oktober 2006 an den Autoren-Werkstatttagen am Burgtheater in Wien teil. Für die Kurzgeschichte Norwegen bekam er den Würth-Literaturpreis 2006 verliehen. Gemeinsam mit dem Regisseur Bernhard Mikeska erarbeitet er seit 2009 Installationen, die mit den Wahrnehmungen der Theaterzuschauer spielen und sie direkt mit Schein und Sein konfrontieren. Ihre Arbeiten spielen mit der Logik eines konsistenten Raum-Zeit-Kontinuums und der inneren Welt der Wahrnehmung. Inszenierung und Realität verdichten sich zu einer neuen Erfahrung. Dabei spielen Geschichten, Personen und Orte aus dem kollektiven Gedächtnis einer Stadt eine besondere Rolle. Für Volker Lösch schrieb Lothar Kittstein die Ibsen-Überschreibung Volksfeind for Future. Lothar Kittstein lebt in Bonn.



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