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Ferdinand Schmalz

"hildensaga - ein königinnendrama" in Worms – ein Rückblick auf die Nibelungen Festspiele 2022

Endlich nehmen die Frauen in Worms ihr Schicksal selbst in die Hand: Ferdinand Schmalz erzählt das Lied der Nibelungen als "Hildinnen-Epos", bei dem die Schicksalsgöttingen die Fäden ziehen. Bettina Walther über das Theaterereignis der Sommersaison.

Produktionsfoto Nibelungen Festspiele Worms © David Baltzer

Der Wormser Dom glänzte im Sonnenschein zur Feier dieses besonderen Abends. Bei sommerlichen Temperaturen und unter blauem Himmel feierte Ferdinand Schmalz' "hildensaga - ein königinnendrama” endlich seine lang erwartete Uraufführungspremiere. 2 Jahre später als ursprünglich geplant schritt Ferdinand Schmalz durch das Blitzlichtgewitter über den berühmten roten Wormser Teppich und durch ein Spalier von Schaulustigen, die gekommen waren um ihn und die nach Worms gereiste Prominenz aus Showbiz, Sport und Politik zu beklatschen. Im Park gab es einen Empfang der Ministerpräsidentin, zahlreiche Reden, Musik und kalte Drinks rund um die blutrot gefärbten Brunnen. Viel Spektakel also im Vorfeld, das dann aber von einem noch größeren Spektakel auf der Bühne übertroffen wurde.

Im Auftrag der Nibelungenfestspiele Worms hat Ferdinand Schmalz ein großes Stück Theater geschrieben, in dem er den Frauen ihr Schicksal selbst in die Hand gibt. Denn in seiner “hildensaga” schließen die von den Nibelungen verratenen Königinnen einen Pakt miteinander, um endlich den Lauf der Geschichte zu verändern. Statt den gewohnten Königinnenstreit aufzuführen, verbünden sich Brünhild und Kriemhild gegen die Burgunder, gegen ihre Männer, Väter und Brüder und begehren gegen ihre Rollenzuschreibungen und gegen die ganze hergebrachte Erzählung auf. Dabei kommen ihnen die drei Nornen zur Hilfe, die als Schicksalsgöttinnen das Geschehen bestimmen.

doch nun,
schwestern,
nun müssen wir hier eingreifen,
hier in die fäden rein greifen,
das schicksal nochmal wenden,
bevor es endgültig
zu spät.

In einem gigantischen Wasserbecken schwamm, tauchte und kämpfte ein großartiges Schauspielensemble und jagte schließlich mordlustig durch einen düsteren Wald, der als spektakulär knarzende Projektion den langsam im Dunkeln versinkenden Dom beleuchtete. Mit der ihm eigenen Lust an Witz und Wort und Doppelsinn hat Ferdinand Schmalz ein Feuerwerk der Abrechnung für seine Hilden gezündet, kongenial in Szene gesetzt von Roger Vontobel vor dem Wormser Dom, wo es vom 15. Juli an insgesamt 16mal für ausverkaufte Ränge sorgte. Die Kritiken überschlugen sich, "Freilichttheater vom Feinsten" fand Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung, Deutschlandfunk Kultur jubelte "Der Text, das hochkarätige Ensemble, die imposante Bühne – eine nahezu perfekte Mischung", von "einem großen Wurf" schwärmt der HR, während die Rhein-Neckar-Zeitung gar von einem "Triumph" spricht "der Worms zur Theaterhauptstadt Deutschlands macht"!

Und von dort aus ziehen die Hilden in die Welt, knüpfen die Nornen ihr Netz. Im Dezember schon wird die “hildensaga” am Volkstheater in München zu sehen sein, inszeniert von Christina Tscharyiski - weitere Produktionen des großen Schmalz’chen Königinnendramas sind in Planung.

© Apollonia T Bitzan

Ferdinand Schmalz

Ferdinand Schmalz (* 1985 in Graz), aufgewachsen in Admont in der Obersteiermark, studierte Theaterwissenschaft und Philosophie in Wien und absolvierte den Lehrgang Forum Text in Graz. Gleich mit seinem ersten Stück am beispiel der butter (uraufgeführt am Schauspiel Leipzig) erhielt er 2013 den Retzhofer Dramapreis, wurde 2014 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert, zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt und mit dem Wiener Dramatik Stipendium ausgezeichnet. Sein zweites Stück dosenfleisch eröffnete 2015 in einer Inszenierung des Burgtheaters die Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin und wurde 2016 ebenfalls zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. der herzerlfresser (uraufgeführt am Schauspiel Leipzig) wurde u.a. vom Deutschen Theater Berlin und vom Wiener Burgtheater nachgespielt, der RBB produzierte den Text als Hörspiel. Mit der thermale widerstand (uraufgeführt am Schauspielhaus Zürich) wurde Ferdinand Schmalz 2017 erneut nach Mülheim eingeladen. Im selben Jahr wurde ihm außerdem der Kasseler Förderpreis Komische Literatur verliehen. 2018 wird seine Adaption des Jedermann von Hugo von Hofmannsthal mit dem Titel jedermann (stirbt) im Großen Haus des Burgtheaters uraufgeführt. Ferdinand Schmalz lebt in Wien.

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