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Lukas Rietzschel
Uraufführung von DER GIRSCHKARTEN nach Anton Tschechow
Am Ende stehen sie dort, in dem weißen Nichts, umnebelt und entrückt - die namenlose Familie. Starren in den Saal hinein, als ob wir - das Publikum - eine Antwort hätten. Antworten auf die Aushölung unserer Geselllschaft durch Alternative Fakten und durch eine zermürbende Zukunftsangst. Als ob wir eine Lösung für diese Familie finden können, die sich heillos verstrickt hat und nicht mehr aus dem wuchernden Garten des einstigen Familienbesitzes zu entkommen scheint.
Geschickt verwebt Lukas Rietzschel in seiner Komödie (denn das ist sie primär neben aller Abgründigkeit) die Tschechowsche Aktstruktur und reichert dem Stück aktuelle Gesellschaftsthemen an. Ähnlich wie bei seiner Vorlage, lässt Rietzschel seine Figuren plappern, ausweichen, prokrastinieren. Sie tun alles, nur nicht das, für das sie angereist sind. Die Dialoge sind herrlich entlarvend und machen den Schauspieler:innen auf der Bühne sichtlich Freude.
Ein letztes Mal versammelt sich die Familie im Haus der Großmutter. Das Anwesen soll mitsamt Garten verkauft werden. Ein Neubaugebiet entsteht, und baut sich mit ihren grellen LED-Straßenlampen und Carports bedrohlich vor dem alten Grundstück auf. Die Großmutter wehrt sich gegen die vermeintliche "Enteignung" und sabotiert ihre Pläne. Der Sohn erfährt, dass die Großmutter das Haus bereits an die Nachbarin verschenkt hat, welche es nun versiegeln lässt, um den Stillstand zu bewahren. Am Ende flieht die Familie; nur der alleinstehende Bruder bleibt zurück, eingeschlossen im versiegelten Haus.
Lukas Rietzschel hat einen Nerv mit seinem neuen Theaterstück getroffen: Nicht nur das Publikum, sondern auch die Kritiken feiern diesen tiefsinnigen, schmerzhaften nahen und irriwtzigen Abend. Der Girschkarten blüht in Leipzig. Am besten besucht man ihn noch einmal. Das Wummern der Planierraupen lässt den Boden bereits erzittern.
DER GIRSCHKARTEN
von Lukas Rietzschel
Komödie nach Anton Tschechow
Regie & Bühne: Enrico Lübbe, Kostüme: Teresa Vergho, Musik: Peer Baierlein, Thibault Madeline, Dramaturgie: Torsten Buß.
Vanessa Czapla, Niklas Wetzel, Dirk Lange, Lisa-Katrina Mayer, Thomas Braungardt, Katja Gaudard, Tilo Krügel.
Uraufführung am 27. November 2025