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Hannah Zufall

Die Welt ein Geruchstheater: die Uraufführung von GLORIA am Stadttheater Gießen öffnet die Sinne für die Welt der Gerüche

Am 20.9.2025 fand am Stadttheater Gießen die Uraufführung von GLORIA statt. Bei diesem Geruchstheater wurden die Sinne für den überbordenden Facettenreichtum der Gerüche geöffnet. Der Text von Hannah Zufall und die Inszenierung von Simone Sterr übersetzen Duft in Bild, Odeur in Klang und Ausdünstung in sprachliche Superlative - insgesamt eröffnet sich eine vielfältige Geruchslabor-Installation. Gloria ist sowohl gesegnet und bestraft mit ihrer hochsensiblen Nase. Während sie zwischen Selbstbehauptung und Überforderung durchs Leben schwankt, versucht sie, ihrer dementen Mutter durch Gerüche die letzten Erinnerungen zurückzuholen. Eine Erzählung von kollektiver Überreizung zwischen Sinnesrausch und Taubheit, die wir als Gesellschaft erleben. Doch vielleicht gelingt es uns auch, dadurch neue Formen der Nähe zu erschaffen.

Szenenfoto GLORIA: Dascha Ivanova © Lena Bils

"Sie sollten ein Deo verwenden, das weniger auf überspannten Zitrus und mehr auf mineralische Thermik setzt. Das würde diesen klammen Geruch von übersäuerter Einsamkeit neutralisieren."

Gloria ist jung, schlagfertig und selbstbewusst. Dank der experimentellen Erziehung ihrer Mutter kann sie so gut riechen wie ein Hund. Zu schön, um wahr zu sein? Für Gloria ist ein Kaffee eine Reizüberflutung von achthundert Einzelnoten und Menschen sind ein offenes Buch aus Schweiß, Angst und Parfüm. Ihr Talent führt sie immer wieder in komplizierte Beziehungen und irgendwann in die Einsamkeit. Gefühle, Krankheiten, Geheimnisse? – Gloria riecht sie alle und hat endgültig genug davon, da sie das Leben auch mit allen anderen Sinnen genießen will.
In Zeiten, in denen wir die Welt vor allem audiovisuell wahrnehmen und Fake News an zweifelhafter Macht gewonnen haben, geht Hannah Zufall in ihrem Text instinktsicher und ohne Täuschung der Nase nach. Wo aktuell ökologische, kriegerische und kapitalistische Zerstörung das Geschehen bestimmen, erzählt sie von der Kraft menschlicher Sensibilität. (Stadttheater Gießen)

Regie: Simone Sterr
Bühne: Gitti Scherer
Kostüme: Carlotta Schuhmann
Musik: Jojo Büld
Dramaturgie: Tim Kahn
Regieassistenz und Abendspielleitung: Sasha Schewelew
Ausstattungsassistenz: Eliana Beltrán Palacio
Mit: Dascha Ivanova Aletheia / Anna Huberta Präg / Nina Plagens / Joey Nashaa Scholl

© Dirk Skiba

Hannah Zufall

Hannah Zufall ist Autorin und Theatermacherin. Sie lebt in Berlin. Arbeiten von ihr werden u.a. am Deutschen Theater Berlin, Schauspielhaus Graz, Deutschen Theater Göttingen, Landestheater Schwaben, Zimmertheater Tübingen, an der Oper Leipzig, der Kammerphilharmonie Bremen, dem Orchestre National Tunisien und an der Philharmonie Jena aufgeführt. Sie hat in Hildesheim Szenische Künste und in Aix-en-Provence Les arts du spectacle studiert. 2013 wurde sie für den ersten Osnabrücker Dramatikerpreis sowie 2014 für den Leonhard-Frank-Preis in Würzburg nominiert. 2018 promovierte sie in Literaturwissenschaften und wurde für ein Schreibstipendium in das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf eingeladen. 2019 war sie Literaturstipendiatin der Stadt Jena und wurde bei dem Bochumer Dramatikwettbewerb Spiel.Frei.Gabe ausgezeichnet sowie bei dem Retzhofer Dramatikerpreis 2021 von der Jury gewürdigt.

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