Theater

Falk Richter

Complexity of Belonging

(Complexity of Belonging)

Leben in den Weiten der sozialen Netzwerke. Was macht uns aus und zu wem gehören wir? Fragt sich z. B. die Traumatherapeutin mit Fernbeziehungs-Status oder der vietnamesische Tänzer, der sich gegen Rassismus wehrt. Das sich fragen auch die beiden Männer, die kurz vor der Familiengründung stehen – ebenso wie die Frau, die immerhin genau weiß, was sie sucht. Herkunft und Geschlecht, Sex oder Nationalität, was trennt, was verbindet uns und was heißt eigentlich inzwischen Identität?
Falk Richter und Anouk van Dijk haben für ihr drittes gemeinsames Projekt nach TRUST und PROTECT ME diesmal den Begriff der Zugehörigkeit in den Blick genommen und basierend auf persönlichen Geschichten individuelle Standpunkte formuliert.

Auftragsarbeit für das Chunky Move und die Melbourne Theatre Company

5 D, 4 H

UA: 9.10.2015 · Melbourne Theatre Festival · Regie: Falk Richter

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Theater
Falk Richter

Die Verstörung

Radioansagerstimme: …ist der kälteste Tag seit dem Jahr 1827…minus 34 Grad Celsius seit vorangegangenem Freitag… die Temperatur wird voraussichtlich über die Feiertage weiter fallen.
Kind: Mama hat das Handy ausgeschaltet – ich kann hier niemanden erreichen.
Radioansagerstimme: …erwarten die Meteorologen gegen 2 Uhr nachts einen Schneesturm mit einer gefühlten Temperatur von minus 42 Grad Celsius.

Ein Tag im Winter, der 24. Dezember, die Nacht der einsamen Menschen. Falk Richters neues Stück, eine kaleidoskopartige Montage von Minipsychodramen und alptraumhaften Bildern, folgt seinen Frauen und Männern durch den nächtlichen Großstadtdschungel in ihrer
bisher größten Krise: Sie gehen auf die Vierzig zu, die ersten Ehen und Karrieren sind gescheitert und Weihnachten verdichtet das Schlachtfeld der Beziehungen zum emotionalen Ausnahmezustand. Sie streiten und versöhnen sich, lieben, schlagen, hassen und verlassen sich.
Ihre Kinder irren auf dem Transit zwischen den Fragmenten ihrer Patchworkfamilien durch die Korridore der internationalen Flughäfen.

Ein zwölfjähriger Junge ist von seinem Vater im Flughafenkindergarten vergessen worden, und die Aushilfskindergärtnerin kann nur Geschichten von schrecklichen Unfällen und Katastrophen erzählen. Aber der Junge trifft auf eine alte Frau, die ihren Sohn sucht. Der hat sich seit Jahren nicht mehr gemeldet, weil er Tag und Nacht arbeiten muss. Und die beiden versuchen sich zu erinnern, wie diese eine berühmte Geschichte ging, die diesen Abend zu diesem einzigartigen hysterisch-depressiven Fest gemacht hat…
Ankündigung der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin

Theater
Michel Houellebecq, Falk Richter

Karte und Gebiet

Michel Houellebecq hat einen neuen Roman geschrieben, der die literarische Welt überrascht hat, denn er ist unaufdringlich, reich an Formen und Themen, voller Moral und Humor. Die Presse jubelte: «Perfekt» (Die Zeit), «Ein großer Wurf» (Süddeutsche Zeitung). Karte und Gebiet spielt im Gestern, Heute und Morgen und handelt von der Bildenden Kunst und ihren Marktmechanismen, von Tod und Euthanasie, von Vätern und Söhnen, defekten Heizungen, Steve Jobs und der Arbeitswelt, von William Morris, der französischen Provinz und ihrer Wiederentdeckung, einer schönen Russin – sowie von Michel Houellebecq und dessen Hund. Letztere werden so zerstückelt aufgefunden, dass ihre sterblichen Reste in einen Kindersarg passen.

Regisseur und Autor Falk Richter geht es bei seiner Adaption nicht um Nacherzählung und Vollständigkeit, sondern um die atmosphärische Übertragung der Houellebecq’schen Welt-Analyse auf die Bühne – mit den Mitteln der Bühne.

Michel Houellebecq, 1958 auf La Réunion geboren, wuchs auf dem Land in Frankreich auf. Er arbeitete als Agraringenieur und Informatiker. Der Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm mit Ausweitung der Kampfzone, später folgten Elementarteilchen und Plattform. Seine drastischen Schilderungen des asozialen, sexuell frustrierten Menschen brachten ihm das Label des Skandalautors ein. (Ankündigung Düsseldorfer Schauspielhaus)


Der S. Fischer Verlag vertritt ausschließlich die Rechte an der Bühnenbearbeitung von Falk Richter. Die Stoffrechte liegen weiterhin bei Michel Houllebecq. Bei Interesse können wir gerne den Kontakt zu seiner französischen Agentur vermitteln.

Theater
Falk Richter

Never Forever

4 D, 4 H

Eine Frau wird beobachtet: die unzähligen Informationen, die sich über sie finden lassen, fügen sich für ihren Beobachter zu keinem klaren Bild. Eine Therapeutin identifiziert sich so stark mit ihrer Patientin, dass ihr Leben außer Kontrolle gerät. Ein Vater, den seine Exfrau auf die Straße gesetzt hat, will seinen Sohn sehen. Ein Philosoph verachtet seine Studenten, die unentwegt auf ihre Smartphones starren und nur noch Highlights hören wollen. Ein vereinsamter junger Mann surft ruhelos im Internet und postet Extremes und Verstörendes in der verzweifelten Hoffnung auf Aufmerksamkeit. All diese Menschen finden keine Ruhe. Sie suchen nach echten Begegnungen, spiegeln dann aber doch nur sich selbst im Anderen und tauchen ab ins Digitale. Sie leben mit einer virtuell unendlichen Anzahl von Möglichkeiten, sie arbeiten bis zur Erschöpfung – vor allem an sich selbst. Vereinzelt, narzisstisch, abgekämpft, trägt jeder von ihnen eine verdrängte Wut in sich, die jederzeit hervorbrechen könnte.
Für sein neues Projekt sucht Falk Richter erneut den Grenzgang zwischen Schauspiel und Tanz und arbeitet zum ersten Mal mit Nir de Volff und seinen Tänzern der Compagnie TOTAL BRUTAL zusammen. Die Körperbilder und Bewegungsmuster in den Choreographien von Nir de Volff, die in schnellem Wechsel brutal-kraftvoll und sehr nah, intim und verletzlich sein können, erzählen in einer anderen Sprache davon, wie diese Welt in den Körpern der Menschen Spuren hinterlässt. (Ankündigung der Schaubühne Berlin)

Theater
Audio
Falk Richter

Unter Eis

3 H, 1 Kind

Paul, ein Berater, Mitte Vierzig, wird aufgerufen, schon zum zehnten Mal, das Gate schließt, boarding completed. Paul hört seinen Namen, immer wieder, er genießt es. Einen Moment ist er nicht effizient. Er steht still. Er friert. Er stürzt in einem nicht enden wollenden Angstschub durch die Erinnerungen an seine Kindheit, seine Siege und seine Niederlagen, seine Frauen, an die er nur noch vage Erinnerungen hat. Seine unerfüllten Sehnsüchte kehren mit aller Macht zurück. Er könnte ein anderer Mensch sein. Doch die nächste Generation lauert schon auf einen Moment der Schwäche, das Ende seiner Karriere.
"dann kippte sie plötzlich nach hinten weg und schlief ein, ich starrte sie an, starrte auf den Kanal, kalt, es fing an zu schneien, plötzlich ging ein Fenster auf, ich hörte Schreie, ein Mann und eine Frau in einem heftigen Streit, plötzlich fliegt eine Katze aus dem Fenster, der Mann hat die Katze am Schwanz gepackt und schleudert sie im hohen Bogen auf den Kanal, die Katze streckt alle Viere von sich, Angst in ihrem Gesicht, versucht, sich abzufangen, aber findet keinen Halt, keinen Halt im freien Fall, es ist so kalt draußen, es schneit, es friert, alles verlangsamt sich, die Katze schaut mich an, als suche sie Hilfe, ich schaue zurück, ich kann dir nicht helfen, mir geht's doch genauso, und sie fliegt panisch in Richtung der langsam zufrierenden Wasseroberfläche des Kanals, schlägt auf und friert wenige Zentimeter unter der Oberfläche mit dem Ausdruck größten Entsetzens, der panischsten Angst und Verzweiflung ein und bleibt liegen, zuckt noch ein paar Minuten oder Stunden, ich weiß es nicht, und stirbt, ich schaue wie gebannt auf die Katze, und sie friert fest, friert fest in ihrer Todesangst" (Ankündigung der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin)

Theater
Falk Richter

Alles. In einer Nacht.

1 Darsteller:innen

Alles. In einer Nacht. erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die die Nacht und die Großstadt zu ihrem Territorium erklärt. Sie verlässt die ihr zu friedlich gewordenen alltäglichen Strukturen, um alles, was sich ihrem Leben bislang an Erfahrungen und wechselnden Gefühlen nicht stellte, in einer Nacht am eigenen Körper und im eigenen Kopf zu erleben. Ganz bewusst sucht sie Situationen auf, die für sie bis dahin das Fremde waren. Und dabei ist sie genaue Beobachterin ihrer Selbst und ihrer jeweiligen Gegenüber: Sie will nicht hindurchrauschen durch das Chaos der Nacht, sondern erfahren, protokollieren, aufspüren, entdecken, verstehen. Bei Anbruch der Dunkelheit setzt sie sich Ziel und Frist. Sie will es wissen: Bis zum Morgengrauen will sie alles durchlebt haben, um sich danach entscheiden zu können, als wer sie wohin zurückkehren oder aufbrechen will.
Der Text setzt sich zusammen aus protokollierten, persönlichen Gesprächen, die der Autor und Regisseur mit der Schauspielerin Marie Bäumer und anderen Frauen dieser Generation führt, und mit weiteren Figuren und Textflächen zu einer neuen fiktiven Figur montiert. Die Figur "Marie" wechselt wie selbstverständlich von reiner Textsprache zu der musikalischen Sprache der Popsongs. Es sind die Lieder, Chansons und Popsongs, die die mythische Substanz einer jungen Generation bilden, weil sie für jedes Gefühl und jede Stimmung, ob wahrhaftig oder geliehen, eine Sprache liefern. (Falk Richter)

Theater
Falk Richter

Portrait. Image. Konzept.

1 D

Portrait. Image. Konzept. ist kein Sprechtheaterstück, das einzig und allein auf einer Textfassung beruht. Das Projekt arbeitet in unterschiedlichen medialen Bereichen, zeigt deren Strukturen und ihre Darstellbarkeit auf dem Theater. Es geht darum, neue Medien, wie Video, CD-Rom, Programmiersprachen und Fernsehschnittechniken auf eine Schreibweise für das Theater zu übertragen. (Falk Richter)

Richter: Stell Dir eine jugendlich-dynamische Moderatorin vor, die morgens aus dem Bett und vor die laufende Kamera gezerrt wird. Völlig unvorbereitet soll sie durch eine interaktive Gameshow moderieren, deren Spielregeln sie sich im Moment des Sprechens auszudenken hat.
S.F.: Ein Countdown...
Richter: ...im Mediensupermarkt. Ausschlachtung nach ökonomischen Prinzipien. Sie wird zum Werbeobjekt, denn sie muß ein Image aufbauen, das sich vermarkten läßt.
S.F.: Wie ist die Figur entstanden?
Richter: Am Computer und live auf der Bühne. - Es existiert ein Sampling-Programm auf CD-Rom, ein virtueller Text als Grundlage für die Entwicklung der Figur und der jeweiligen Inszenierung.
S.F: Das heißt, die Schauspielerin produziert live Text nach den Vorgaben Deines Programms?
Richter: Ja, Körpergestus, Mimik, emotionalen Gestus, Tempo, Rhythmik, Mediensprechweisen, Themen, Figuren, Imagekonzepte, Bewegungen... die Schauspielerin zappt sich durch ein Figuren- und Genreangebot.
S.F: Und emanzipiert sich davon.
Richter: Spielerisch. Das Programm ist so flexibel, daß es sich jeweils auf die Persönlichkeit und Individualität einer Schauspielerin einlassen kann, die Lust daran empfindet, mit Fremdmaterial ein eigenes Selbst zu konstruieren, dem eine eigene, eigenwillige Logik innewohnt.

Digitales Textbuch