Theater

Beate Faßnacht

Die Brust von der Frau aus Chur

War alles ganz weiß. Vom Schnee.
Von der Milch kann’s auch gewesen sein.
Meine Wangen fast glühend.
Glücklich war ich beim Melken. Was nicht bloß am Peter gelegen hat. Auch an der
frischen Luft und der vielen Zeit,
die ’s in den Bergen noch gibt.


Für die Liebe zum Geißenpeter macht sie alles. Die Frau, deren größte Nebenbuhlerin eine Ziege ist. Eine bedingungslose Liebe, die sie verteidigt bis auf’s Blut. Geneidet wird ihr dieses Glück der uneingeschränkten Hingabe von den Nachbarn mit dem Schreikind, der unglücklichen Frau des Polizisten und der Freundin Clara, deren Vater gerade in regem Austausch mit dem Sensemann steht.

All diese Figuren und ein verliebter Polizist treffen aufeinander. Sie dringen ein in die Zurückgezogenheit der Frau, die sich eins mit Heidi glaubt. Die in ihrem Streben nach Höherem der Wirklichkeit entflieht. Die sich, befreit von irdischer Last, der unerwiderten Liebe zum Peter hingibt. Für die das Paradies hoch oben in den Bergen liegt und die in behaupteter Selbstverstümmelung einen Abgesang auf die Weiblichkeit ertönen lässt.

In Die Brust von der Frau aus Chur prallt die Paarbeziehung auf die selbstgewählte Isolation. Die Schreikindfamilie sucht Heidis Ruhe, das Polizistenpaar ihre Gelassenheit und die vaterfixierte Clara ihre Selbständigkeit. Die Frau selbst wähnt sich glückselig in einer Mischung aus Gottergebenheit und Selbstaufgabe. Was zunächst beneidenswert erscheint, wird Heidis Jüngern immer unerträglicher. Das HEIDI steht für die fleckenlose Unschuld – und wird dafür geliebt. Doch dies ist nur noch im Mythos zu ertragen.

4 D, 2 H

UA: 20.09.2008 · Theater Basel · Regie: Marie Bues

Aufführungsarchiv

20
September 2008
Beate Faßnacht

Die Brust von der Frau aus Chur

Theater
UA
Regie Marie Bues
Theater Theater Basel, Basel

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Theater
Beate Faßnacht

Obwohl

3 D, 4 H

Draußen ist nicht mehr und drinnen wird es langsam dunkel. Und wenn man als Fremde eine Berghütte betritt, sollte man darauf gefasst sein, dass der Schankraum voll mit Menschen ist, die in ihrem ganz eigenen Universum leben. Das muss nicht zwingend gefährlich sein, obwohl!

Sie trinken ihre Viertel und Schnäpse, lüften regelmäßig das Fernsehdeckchen, um die Tagesschau zu sehen und reden auch mal über dies und jenes. Ganz bedächtig. Bedienung ist die Anni. Von der schwärmt auch Mann 2. Mann 3 eigentlich auch, obwohl, so ganz sicher ist er sich da nicht. Dem Dichter ist sie egal, der befindet sich im Reimrausch. Und Mann 1 kann’s eh nicht so ganz nachvollziehen. Das Kommando aber hat die Wirtin. Und plötzlich steht eine Fremde in der Tür. Das irritiert. Denn schon die kleinste Abweichung vom Altvertrauten wird hier argwöhnisch betrachtet. Wenngleich das Absurde ungewöhnlich schnelle Akzeptanz erfährt. Es schert sich nicht einmal einer darum, dass das Draußen nicht mehr zu existieren scheint. Weil in den vier Kneipenwänden im Irgendwo die Gesetzmäßigkeit der Gleichgültigkeit herrscht. Da mag kommen, was kommt. Das bringt hier keinen aus der Ruhe.

Beate Faßnacht schreibt mit bösem Witz über phlegmatische Männer, entfesselte Frauen, verdorbene Geschmäcker und eigene Gesetzmäßigkeiten. Ein dramatischer Leckerbissen voll präziser Beobachtungen der menschlichen Natur und ein faszinierendes Spiel mit der Umkehrung gängiger Erwartungshaltungen.

Theater
Beate Faßnacht

Zimmer Frauen

2 H

Zwei Männer beim Bier. Sind sich einig: Der Typ mit dem Zimmermädchen ist echt ein Arschloch. Gut, das kann einem Mann schon mal passieren. Wenn´s dumm läuft. Wobei, das ist dem Sepp so noch nie. Dem Fritz eh nicht. Aber der Sepp ist in Sachen Frau sicher kein unbeschriebenes Blatt. Vielleicht sieht er dem Arschloch deshalb auch so ähnlich. Findet zumindest Fritz. Und einig sind sie sich auch selten. Ist immer schwierig, wenn der eine viel Geld hat und der andere grad gar keins. So wie beim Sepp und beim Fritz. Und wenn dann der Fritz vom Sepp Geld pumpt, dann muss man aufpassen, dass daraus kein Abhängigkeitsding wird. Weil der Sepp dann den Fritz fragt, ob sie mal zusammen eine Frau gegen deren Willen. Das wär doch mal was. Aber da macht der Fritz nicht mit, der will lieber eine eigene. Sonst kommt er zum Schluss gar nicht dran. Das findet der Sepp jetzt saudumm. Der Fritz ist wirklich ein Ichbezogener Depp. Teilen kennt der gar nicht. Kein Wunder, dass dem seine Gemälde keine Sau mehr kaufen will.

Und dann - Ironie des Schicksals - werden dem Fritz genau die besten Bilder seines Lebens geklaut. Und die Hosen vom Sepp und vom Fritz, die auch. Weil so was hat Mann noch nie gesehen. Horden von wild gewordenen Japanerinnen. Was die mit denen machen, das hat der Fritz erst noch mit seiner Kreativität auf Leinwand verarbeitet, aber dann war’s für die Kreativität auch zu heftig. Opfer wär jetzt irgendwie das falsche Wort, weil dann hätten diese Weiber ja auch noch die Überlegenheit geklaut. Und die kann man Männern gar nicht klauen. Eh klar. Alles eben eine Frage der Auslegung. Immer.

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