Theater

Ulrich Zaum

Monsterballade

Eine Ballade - Frei nach Mary W. Shelley

Das Monster verkörpert einen kreatürlichen Kern, den jeder, wenn auch noch so diffus, in sich spürt, versteckt unter all den zivilisatorischen Schichten, die unsere soziale Persönlichkeit ausmachen. Essentielle Lebensimpulse: Liebe als alles verzehrender Wunsch, Zurückweisung, die Vernichtung bedeutet, und was dann noch bleibt, ist der Haß, die einsame Leidenschaft... Der Stoff hat ein ungemein wuchtiges melodramatisches Zentrum, die anderen Figuren hingegen könnten dem Repertoire der Moderne entnommen sein. In sich gebrochen, haltlos, labil...
Mary Shelley hat Dinge wahrgenommen, die sie so eigentlich nicht sehen wollte. Der unerträglich scharfe Blick schneidet durch jedes triviale Muster, sie beschreibt ein ganz neuzeitliches Phänomen, den Typus des Nicht Identischen.... Nicht die Kreatur ist das Monströse, sondern diese eigenartigen, ahnungsvollen Silhouetten aus einem kommenden Jahrhundert... Die Figur der Elisabeth - deutlich die Parallelen zu Mary Shelleys eigener Existenz. Eine hochbegabte Frau, die sich den vermeintlich größeren Geistern unterordnet. Percy B. Shelley, Lord Byron - beide völlig gefangen durch die Aufgabe, die eigene genialische Existenz zu behaupten... für die Menschen, mit denen sie leben, ziemlich verheerend. Mary Shelley hat alle Kinder verloren, dem Dichtergatten folgend auf seiner Suche nach Arkadien, kreuz und quer durch das schwüle, heiße, von Cholera verseuchte Italien. (Aus Ulrich Zaums Notizen zum Stück)

In intensiven dichten Szenen verwebt Ulrich Zaum Motive aus Shelleys Frankenstein mit den Biographien von Mary W. Shelley und Lord Byron. Expressive Silhouetten, kontrapunktisch gesetzt zu Songs aus phantastischem Material von Poe, Milton, Blake und Byron.

2 D, 3 H

UA: 3.06.2011 · Ruhrfestspiele Recklinghause in Koprod. mit den Hamburger Kammerspielen · Regie: Dania Hohmann

Aufführungsarchiv

03
Juni 2011
Ulrich Zaum

Monsterballade

Theater
UA
Regie Dania Hohmann
Theater Ruhrfestspiele Recklinghausen GmbH, Recklinghausen

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Junges Theater
Ulrich Zaum

Albert und der Sumo-Engel

2 D, 5 H, 3 stumme Rollen bzw. Puppen

Albert ist neun Jahre alt. Albert ist dick, auf eine Weise dick, wie sonst nur ein Schneemann. Und Albert ist angreifbar. Provoziert man ihn, schlägt er zu. Ein Mechanismus, den er selbst nicht kontrollieren kann. Ein paar mal ist er deswegen schon von der Schule geflogen. Typisch, sagen viele: "Der Russlanddeutsche, der Schlägerjunge".
Seine Mutter verzweifelt an ihm, gibt ihn zu seinen Vater. Für den aus Kasachstan stammenden Vater zählt nur der harte, männliche Überlebenskampf, die Mutter verlangt Anpassung, sie will den sozialen Aufstieg.
Zwei Welten, zwischen denen Albert hin- und hergerissen wird. Dann erfindet er sich eine eigene und lernt, dass es andere genauso machen. Selina etwa, das Mädchen, das er geschlagen hatte.

"Die festen Weltbilder sind hin, die sozialen Strukturen sind ziemlich kaputt und unsere kapitalistische Konsumwelt geht mit einer ungeheuren Wucht auf die ungeschützten, unbehausten Wesen los ... und wenn da alles so glatt liefe, wie es dieses Angstbild zitiert, dann würde diese Wucht sie alle zu kleinen Zombies machen. Außen hochglanzlackiert, innerlich völlig desorientiert...
Doch hinter der Coolness, die man der Außenwelt hinhält, steckt ziemliches Chaos.
Das heimliche Gefühl etwa, dass innendrin ein Monster steckt, das man niemanden zeigen darf. Die albernen Ängste nicht, die Unsicherheiten, Feigheiten, das ganze Bündel von Schwächen, das man mitschleppt und auch noch die albernen Größenphantasien und Träumereien. Das zeigt man den anderen nicht, denn alle anderen sind ja irgendwie normal, hängen ihr halbwegs zufriedenes Gesicht in die Welt. Nur von sich selbst, da weiß man, es ist alles gelogen, eine Maske."
(Aus Ulrich Zaums Notizen zum Stück)

Albert und der Sumo-Engel ist ein Auftragswerk für das Theater der Jungen Welt, Leipzig. Dort wird es am 1. Juni 2006 zur Uraufführung kommen.

Junges Theater
Ulrich Zaum

Der Drache, die Riesin und das dicke dreizehnte Königskind

10 Darsteller:innen, Verwandlungsdek

"Das Stück ist ein Phantasieflug in eine Märchenwelt und fängt dabei, wie jedes gute Märchen, sehr reale Wirklichkeit vergnüglich anders als nur realistisch ein. Schön eingetaucht ist es in die Bäder des poetischen, des emanzipatorischen und des clownesken Kindertheaters und - das Wichtigste dabei - auch gut abgetropft, so dass keines penetrant überwiegt. Bilder bleiben haften und nicht die Moral, obwohl es eine hat. ... Hauptfigur ist ein kluges, freches und mutiges Mädchen, das auch Angst haben darf und schimpfen kann wie ein Rohrspatz. Mit dem Bauer kämpft es gegen die wunderbar sanft-verfressene Riesin, die genüsslich Kirchtürme samt Pfarrer vertilgt, und gegen den Drachen, der eigentlich ein verwunschener Prinz und über seine Rückwandlung zum Menschen alles andere als glücklich ist. Viel fremdartiger erscheint die Gegenwelt der Erwachsenen, bizarr und grotesk gezeichnet als Höflinge des Königs und kleinbürgerliche Kleinmutersbacher."
(Neue Zürcher Zeitung über die Uraufführung am Basler Theater am 13. November 1993)

Anlässlich einer Inszenierung des Stückes am Theater der Jugend in Wien erläuterte der Regisseur Thilo Voggenreiter: "Der letzte Flug des Drachen erzählt von einem Initiationsprozeß, vom Erwachsenwerden - ein Grundmuster in allen Märchen. Das Mädchen zieht aus, um etwas zu lernen. Es geht mit Pfiffigkeit und Frische an alles heran und hebt dabei die verknöcherte Erwachsenenwelt aus den Angeln. Als es den Drachen in einen Menschen verwandelt, will dieser das gar nicht. Am Ende muß das Mädchen erkennen, daß es unverstehbare Dinge gibt, die man in ihrer Fremdheit belassen muß. Die Figur des Drachen, die in den Mythen alles Völker vorkommt, steht für das Archaische, Fremde, Wilde." (Bühne)



Theater
Ulrich Zaum

Blattgold

3 D, 11 H, 3 Dek

1918, gegen Ende des 1. Weltkriegs, treffen sich auf einem verlassenen Festplatz die Zurückgebliebenen und Invaliden: ein Graf samt Assistenten, ein Arzt und sein blinder Patient und ein im Krieg verrückt Gewordener. Unter diese heterogene Gesellschaft haben sich einige Varieté-Künstler gemischt, die hoffen, aus der desolaten Verfassung der Kriegsgesellschaft Kapital schlagen zu können.
Der bekannteste unter ihnen ist Hanussen, ein Artist und Hellseher, der mit einem Geiger und Zauberer zusammen ein Frontspektakel plant. Das Kriegsende macht sein Pläne zunichte. Hanussen ist hoch verschuldet und beschließt nach 10 Jahren, während derer seine Lage immer aussichtsloser wurde, Selbstmord zu begehen. Er überlebt jedoch und gerät in die Gesellschaft einer aufstrebenden SA-Clique, der auch der Graf angehört. Hanussen wittert seine Chance und versucht sich als "Seher" der Bewegung. Als Lohn für sein Engagement fordert er nach der Machtergreifung Hitlers die Unterstützung für seine bislang aufwendigste Show. Die Nationalsozialisten bringen den lästigen Mitwisser jedoch um. Bei seiner Ermordung bekommt den Schergen die Tatsache seiner jüdischen Herkunft zupaß: Herschel Steinschneider, alias Graf Erik Hanussen.
Ulrich Zaum zeichnet in seinem Stück den Weg eines Opportunisten, der jedoch nichts anderes als eine Marionette an den Fäden der Machthaber ist. Es gelingt ihm, ein Bild der wechselnden Zeiten zu zeichnen, auch durch die Auswahl eines ungewöhnlichen Personenkreises, der durch Halb- oder Traumfiguren wie die Foppgeister, den wilden Mann, den Blinden, den toten Zauberer ergänzt werden. Hanussen, der Hellseher, vermag sein eigenes Schicksal nicht zu sehen - oder er sieht es, kann ihm aber nicht entkommen.

UA Frei
Theater
Ulrich Zaum

Golem

1 D, 5 H

In einer Neufassung hat Ulrich Zaum jetzt seine Golem-Version zu den mitreißenden Liedern der Tiger Lillies geschrieben.

Athanasius Pernath taucht auf und mit ihm skurrile und merkwürdige Gestalten. Der Student Charousek, der einen perfiden Rachefeldzug gegen den geizigen Trödler Aaron Wassertrum führt. Zottmann, der Scherzartikel-Fabrikant und gleichzeitig alternder Lustnutznießer der jungen Prostituierten Rosina. Loisa, der alles für Rosina tut und schließlich auch den Mord an Zottmann begeht. Pernath allerdings muss dafür unschuldig lange ins Gefängnis gehen. Während dieser Zeit bringen Wassertrum und Charousek sich selbst um. Als Pernaths Unschuld bewiesen und Loisa gejagt wird, wischt Rosina dem Loisa das A von der Stirn, übrig bleibt der Tod. Der golemische Loisa wird zu einem Brocken Lehm und Pernath nimmt seinen Abschied.

Die merkwürdige Geschichte des Athanasius Pernath, der immer tiefer in die undurchsichtigen und unheimlichen Machenschaften einer mystischen Unterwelt einbezogen wird, ergibt im Zusammenspiel mit der wunderbaren Musik der Tiger Lillies ein gruselig-phantastisches Wunderspiel.

"Die Musik von Jacques ist eine anarchich-alchemistische Mischung aus Bänkelsang und Bluesballade, Zirkusorchester und Walzerseligkeit, Kurt Weill und Tom Waits, dargeboten von traurigen Pianos, betrunkenen Trompeten und engel- oder vielmehr kastratenhaften Countertenören von schriller Schönheit (...) Songs wie 'Paper Cutter' oder 'Fear' sichern diesem Golem einen Platz zwischen der schwarzen Pädagogik von Shockheaded Peter und dem Teufelspakt des Black Rider." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)


Theater
Ulrich Zaum

Irrlichter

3 D, 3 H, Verwandlungsdek

Else Lasker-Schüler in der Stadt Zürich, im Exil. Sie hat erzählt und mehrfach beschrieben, wie sie Februar 1933 in Berlin von SA-Männern auf der Straße niedergeschlagen wurde. Wie sie aufgestanden, zum Bahnhof gelaufen, ohne jedes Gepäck in den Zug gestiegen ist. Wie sie länger als eine Woche unerkannt durch die Stadt Zürich irrte, mal am Seeufer schlafend, mal in einem Park, irgendwann aufgegriffen von der Polizei.
Else Lasker-Schüler hat aus jeder Phase ihres Lebens Legenden gewoben. Ein Auge den realen Dingen zugewandt, das andere in phantastischen Welten, laufen Wirklichkeit und Imagination wie selbstverständlich ineinander, sieht sie sich selbst wie eine Nomadin durch die geordnete Welt der schweizerischen Großstadt schweifen.
Das Exil, das für bürgerliche Existenzen oft die traumatische Erfahrung völliger Entwurzelung bedeutete, ist für diese Frau, die nie an festen Vorstellungen, Erwartungen, vernünftigen Kalkulationen entlang gehandelt hatte, kein Bruch gewesen.
Die Jahre in Zürich bedeuten für sie die Steigerung, die Intensivierung all ihrer Lebensmotive, all ihre Konflikte in einem Kampf, den sie immer mit einer vermeintlich feindlichen Umwelt, schließlich immer mehr nur noch mit sich selber führte.
"Die äußere Wirklichkeit wird kaum mehr faßbar, die inneren Phantasien dominieren und irgendwann beginnt auch der szenische Raum, nach ihren Regeln zu funktionieren, nach den Regeln magischer Wirklichkeit.
Einer Wirklichkeit, die eine ganz eigene Zeiterfahrung besitzt, wie in einem Traum.
Es gibt keine Vergangenheit, kein Alter. Sie ist Kind, Mädchen, alte Frau, nichts ist abgeschlossen und die Toten sind nicht tot. Ihr Traumspiel, eine Schlußvorstellung. Abschied von einer Welt, Abschied von Europa." (Ulrich Zaum)

Theater
Ulrich Zaum

Himmelsleiter

5 D, 10 H, Verwandlungsdek

Himmelsleiter, beginnend mit den Novemberaufständen 1918, endend in den Jahren des Kalten Krieges, erzählt von Schicksalen aus der Generation der um 1900 Geborenen.
Gustav Reiser, Grete Thiemich und Arnolt Brunner (alias Arnolt Bronnen) sind die zentralen Figuren, deren Lebensweg von 1919 bis 1952 hier in expressionistisch knapper, schlaglichtartiger Montagetechnik nachgezeichnet ist: bekanntlich ein Zeitabschnitt der Ausnahmezustände, der rasant aufeinanderfolgenden politischen und ideologischen Richtungswechsel in Zentraleuropa.
Unter dem Eindruck des ersten Weltkriegs sympathisieren die Figuren allesamt mit dem Kommunismus. Generationenstreit, inneres Exil, Verrat, Opportunismus, Spitzelei, persönliche Verluste, politische Überzeugungen: Die Bedingungen politischer Loyalität werden in diesem Stück im Kontext der konkreten Lebenssituationen ausgeleuchtet. Die aus heutiger Sicht mehr als dubiose vom Kommunismus zum Nationalsozialismus zum Sozialismus hakenschlagende Biographie des expressionistischen Dichters Arnolt Bronnen, dessen Weg hier leicht verfremdet in der Figur des Brunner nachgezeichnet ist, eignet sich wie keine zweite, die ideologische Verführbarkeit des Menschen darzustellen.
Mit Himmelsleiter ist es Ulrich Zaum gelungen, zentrale Momente der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts zu einem plastischen Bilderbogen zusammenzustellen und die Geschichte des fast vergessenen intellektuellen Kommunismus in Deutschland exemplarisch aufleben zu lassen.

Junges Theater
Ulrich Zaum

Peter Pan und die Insel der verlorenen Jungs

6 Darsteller:innen

Auch J.M. Barrie ist einer der "verlorenen" Jungs. Nach dem Tod des älteren Bruders hörte er auf zu wachsen,um im Leben dann nie mehr größer als 152 cm zu werden. In seinen Geschichten hängt er dem verlorenen Bruder nach, der sich in sein Neverland davon gemacht hat; in ein Leben ohne davor und danach, ohne Freunde, Geschwister, Vater und Mutter.
In dem oft so eigenartig diffus und unbestimmt bleibenden Erzählgespinst des Romans tauchen jäh, knapp, radikal, die großen, unnennbaren Schrecken der Kindheit auf. Empfindungen von Verlust und Tod.
Und die Familie, der vermeintliche Ort der Geborgenheit, wirkt beinahe surreal, ganz seelenlos und hohl. Eigentlich repräsentiert hier Familie die Umkehrung von Geborgenheit; die Kinder wirken etwas verloren in dieser Realität. Sie sind genährt und werden versorgt und wirken im Innersten doch unbehaust, wie nicht ganz da. Nimmerland ist keine nette kleine Flucht, kein verspieltes mal eben Ausbüchsen in die Phantasie. Nimmerland bedeutet eine ziemlich verzweifelte Suche nach Leben, nach einem Ort, an dem man diesem Zustand der Unwirklichkeit entkommt.
Peter Pan ist düster und schön und geht in der Wahrnehmung, wie verloren Kinder in ihrer Existenz sein können, weit über den Denk- Horizont seiner Zeit hinaus. Vermutlich ist das der tief anrührende Nerv des Stückes - kindliche Wahrnehmungen der Verlorenheit und daraus entstehend ein Bewußtwerden von der eigenen Identität.
ent … (Ulrich Zaum)

UA Frei
Theater
Ulrich Zaum

Graceland

1 H

Es glitzert, es blinkt, Magic Elvis betritt die Bühne, Zeit für den Showdown. Vom begehrten, heißumschwärmten Superidol verwandelt sich der King of Rock´n Roll nach und nach in das hilflose, hässliche Wrack seiner letzten Tage.
Ummantelt von seinen Hits versprüht er anfangs noch den Charme des ewigen Gewinners, verteilt seine Aufmerksamkeiten mit der Gönnerhaftigkeit eines Königs. Noch ist James Dean ihm näher als jeder andere. Noch sind die kleinen Pillen zwischendurch ein Symbol für die Weltgewandtheit des Popstars. Doch nach und nach ändert sich der Ton, bröckelt der Verputz der makellosen Show. Er, der einst die Bühnen dieser Welt beherrschte, der Frauenherzen systematisch brechen konnte, weiß wie das Business funktioniert. Doch was ihm fehlt sind Kraft und Selbstbeherrschung, immer öfter muss das Professionelle dem Privaten weichen. Einsam und enttäuscht flieht er zu den Drogen. Geplagt von Reue und von Schuld sucht er Trost bei seiner Tochter. Erfindet eine Welt, die seine nie mehr sein wird. Elvis ist nur noch eine Legende.

Ulrich Zaum hat mit Graceland einen Monolog geschrieben, wie er Elvis gar nicht gerechter werden könnte. Der begehrteste Mann des 20. Jahrhunderts ertrinkt in einem funkelnden Feuerwerk aus Glamour und Fame. Einzig seine Songs dienen noch als stützende Beweise einer Zeit, in der die Person Elvis Presley seinen Songs in nichts nachstand. Dem Verfall aber war nichts entgegenzusetzen.

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