Marlene Streeruwitz

Tolmezzo.
Eine symphonische Dichtung.
4 D, 3 H, 1 Dek
UA: 07.06.1994 · Das Schauspielhaus, Wien · Regie: Gerhard Willert
Barbies als hochschwangere Opernball-Debütantinnen nach einer Massenvergewaltigung, Kens als Heilige Sebastiane, Spiderman, der nur in die Oper geht und exklusive Monologe über Gott und Eros zu halten weiß, drei alte Sängerknaben als Straßenmusiker. Das Dröhnen von Güterzügen, die nach Auschwitz rollen, untermalen ihren Tanz. Die übrigen Besucher eines Wiener Kaffeehauses - Kleinbürger und enttäuschte Existenzen - empfinden diese Erscheinungen als normal oder registrieren sie nicht. Sie alle beteiligen sich an dem Ausverkauf des "alten Wiens". Klischees werden bedient, hochgehalten und demoliert: die Todessehnsucht, Mozartkugeln, Sissi, das große Gefühl: "Wir sind ja schon nicht mal mehr ein Museum." Und in all dem erinnert sich Manon Greeff an ihre Ehe mit einem Alkoholiker. Nach langen Jahren im Ausland besucht sie mit 75 ihre Heimatstadt Wien und speziell den ihr ehemals vertrauten Platz mit dem Kaffeehaus. Sie erinnert sich auch an ihre Freundin, blond und groß, die "eine der ersten" war, die abtransportiert wurde. Begleitet wird Manon von ihrer Tochter Linda, die sich angesichts des absurden Panoptikums vehement dagegen wehrt, etwas mit Österreich und Wien zu tun zu haben. Aber sie steckt mitten drin.

Außer in Zitaten - und das Stück steckt voller Zitate - gelingt es den Figuren nur mehr, im Staccato zu sprechen. Eine beschädigte Sprache - für beschädigtes Leben. Die Motive wiederholen sich in Variationen und verweben sich zu einer großartigen und bösen Groteske.

"Mit diesen Texten von Marlene Streeruwitz ist eine neue Fantastik aufs Theater gekommen - aggressiv, unbekümmert und unverschämt vital." (Siegfried Kienzle)