Theater
Fokus

Caren Jeß & Yade Yasemin Önder & Ewald Palmetshofer & Falk Richter

Rückblick Heidelberger Stückemarkt & Mülheimer Theatertage: geballte Dramapower!

2020 versprach ein dramatisch außergewöhnliches Jahr für Fischer zu werden. In Heidelberg mit Yade Önder und in Mülheim mit Caren Jeß, Ewald Palmetshofer und Falk Richter traten vier völlig unterschiedliche und gleichzeitig beeindruckend eigensinnige Autor*innen ins Rampenlicht der Festivals. Was haben wir uns gefreut. Und dann kam alles völlig anders.

Logos Mülheimer Theatertage und Heidelberger Stückemarkt

Mit ihrem deutsch-türkischen Jugendstück DIE WORTE GEHÖREN UNS wurde die lyrische Dramatikerin und Open Mike Gewinnerin 2018, Yade Yasemin Önder, zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen. Simone Kaempf beschrieb diese formvollendete Verbindung von Panik, Politik und Poesie für nachtkritik folgendermaßen:
„Die Gefahr überträgt Önder in schönste Poetologie und erzählt den Schrecken der Kinder in atemloser Kurzdiktion: 'und auf geparkte autos rasseln / siebzehn punkte und ein komma / und auf das dach von edeka / kracht ein großes t und k / und vor uns im schnee / zerbricht ein kleines h / und dann landen zwanzig fragezeichen / vor unsren füßen und wir schreien.'"
Wie schade, dass 2020 niemand diesen Preis gewinnen konnte. Doch Verlierer*innen gab es trotzdem nicht. Das Preisgeld wurde unter allen Nominierten gleich verteilt. Und selbst die Lesungen fanden statt - allerdings im digitalen Raum.

Gleich dreimal wurden außerdem unsere Autor*innen für den Mülheimer Dramatikerpreis 2020 nominiert: Caren Jeß mit ihrem Debütstück BOOKPINK (UA: Schauspielhaus Graz), Ewald Palmetshofer mit DIE VERLORENEN (UA: Residenztheater München) und Falk Richter mit IN MY ROOM (UA: Maxim Gorki Theater Berlin).
Doch selbst diese geballte Dramapower konnte uns nicht vor Corona bewahren. Die eingeladenen Inszenierungen wurden abgesagt, genauso wie das ganze Festival. Der Wettbewerb wurde ausgesetzt und das Preisgeld wie in Heidelberg auf alle Nominierten verteilt. Die leerstehenden Bühnen in Mülheim wurden allerdings von kleinen Lichtblicken erhellt: Liebevolle Filmporträts der Nominierten hinterlassen eine Ahnung davon, was dem Publikum in diesem Jahr alles entging.
Und weil die Dramatik auf der Bühne nicht zu überprüfen war, steht in diesem Jahr das Lesen der Theaterstücke im Fokus. Aus dem Grund sind alle Stücke unter www.stuecke.de kostenlos einsehbar. „So ist ein kleines und informatives Format entstanden, das einen guten Blick auf die Sprache der Dramatiker:innen erlaubt und dabei staunen lässt über das Kunstvolle, Fantastische, Absurde und Mäandernde in ihren Gebäuden aus Sprache.“ (taz)

Dem können wir uns nur anschließen. Corona mag zwar das unmittelbare Erleben ausgebremst haben, die Dramatik gibt es aber trotzdem. Und wie. Und sie wartet nur darauf, entdeckt zu werden!

© Heiko Schäfer 2012

Falk Richter

Falk Richter (*1969, Hamburg) gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Theaterregisseure und Dramatiker. Seit 1994 arbeitet er an vielen renommierten nationalen und internationalen Bühnen wie u.a. dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Schauspielhaus Zürich, Schauspiel Frankfurt, Schaubühne Berlin, Maxim Gorki Theater, Hamburgische Staatsoper, Nationaltheater Oslo, Toneelgroep Amsterdam, Théâtre National de Bruxelles, Ruhrtriennale, Salzburger Festspiele und dem Festival d’Avignon. Zu seinen bekanntesten und erfolgreichsten Texten gehören GOTT IST EIN DJ, ELECTRONIC CTY, UNTER EIS und TRUST. Seine Stücke, die von hoher Aktualität zeugen, liegen in mehr als 30 Sprachen vor und werden weltweit gespielt. In den letzten Jahren entwickelte er zunehmend freie Projekte basierend auf eigenen Texten gemeinsam mit einem Ensemble aus Schauspielern, Musikern und Tänzern. Mit der Choreographin Anouk van Dijk entwickelte er mehrere Tanztheater-Projekte, die in ihrer speziellen Verbindung von Text, Tanz und Musik eine neue ästhetische Form begründeten. Ihre gemeinsamen Produktionen NOTHING HURTS, TRUST, PROTECT ME, RAUSCH und COMPLEXITY OF BELONGING touren mit großem internationalem Erfolg. 2013 gewann er den Friedrich-Luft-Preis für seine Musik-Tanz-Theater-Produktion FOR THE DISCONNECTED CHILD, die an der Schaubühne Berlin in Kooperation mit der Staatsoper im Schillertheater uraufgeführt wurde. 2014 feierte er mit seinem Stück SMALL TOWN BOY am Maxim Gorki Theater eine viel beachtete Premiere und begründete an der Schaubühne mit der Inszenierung NEVER FOREVER seine Zusammenarbeit mit dem Choreographen Nir de Volff. Im August 2018 wurde Richter bei der Kritikerumfrage des Fachblattes Theater heute für seine Inszenierung von Elfriede Jelineks AM KÖNIGSWEG zum „Regisseur des Jahres“ gewählt. Im Corona Jahrgang war er mit seiner gefeierten Produktion IN MY ROOM, das er am Maxim Gorki Theater inszenierte, für den Mülheimer Dramatikpreis nominiert. Richter unterrichtet als Gastprofessor Regie an der renommierten Ernst Busch Schule in Berlin und ist seit der Spielzeit 2020/2021 Hausregisseur an den Münchner Kammerspielen, wo zuletzt gemeinsam mit Anouk van Dijk mit TOUCH für einen fulminanten Start in die neue Intendanz sorgte.
www.falkrichter.com

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© Jewgeni Roppel

Caren Jeß

Caren Erdmuth Jeß, geboren 1985 in Eckernförde, studierte Deutsche Philologie und Neuere deutsche Literatur in Freiburg i.Br und Berlin. Als Dramatikerin trat sie das erste Mal 2017 in Erscheinung, als sie mit ihrem Stück Deine Mutter oder Der Schrei der Möwe den dritten Platz des Osnabrücker Dramatikerpreises belegte. 2018 gewann sie die Residency des Münchner Förderpreises für deutschsprachige Dramatik mit Bookpink. Mit der Grazer Uraufführungsinszenierung von Bookpink wurde sie 2020 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert und zur Nachwuchsdramatikerin des Jahres erklärt. Im Jahr davor gewann sie außerdem den Else-Lasker-Schüler-Stückepreis für ihr Stück Der Popper und den Preis der taz-Publikumsjury des 26. open mike für Die Ballade von Schloss Blutenburg. 2023 gewann sie für das Stück Die Katze Eleonore in der Produktion des Staatsschauspiel Dresden den Mülheimer Dramatikpreis sowie den Publikumspreis der Mülheimer Theatertage. Caren Jeß lebt in Dresden.

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Yade Yasemin Önder

Ihr erstes Theaterstu¨ck Kartonage wurde zu den Autorentheatertagen 2017 eingeladen, in diesem Rahmen am Deutschen Theater Berlin uraufgefu¨hrt und in den Spielplan des Wiener Burgtheaters aufgenommen. 2018 war sie Gewinnerin des open mike in der Kategorie Prosa, 2019 Preisträgerin des Martha-Saalfeld-Förderpreises. 2020 erhielt sie das Arbeitsstipendium Literatur des Berliner Senats.

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© Magnus Lechner

Ewald Palmetshofer

Ewald Palmetshofer, geboren 1978 in Linz, studierte in Wien Theologie und Lehramt Philosophie / Psychologie. Der Autor und Dramaturg wurde 2008 zum Nachwuchsdramatiker des Jahres ernannt. Mit hamlet ist tot. keine schwerkraft wurde er 2008 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert, 2010 mit dem Stück faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete. Mit seinem Stück die unverheiratete gewann Ewald Palmetshofer 2015 den Mühlheimer Dramatikerpreis. Die Uraufführungsinszenierung von Robert Borgmann am Wiener Akademietheater wurde außerdem 2015 zum Berliner Theatertreffen 2015. Dem folgten weitere Einladungen nach Mülheim. 2018 wurde Vor Sonnenaufgang am Theater Basel uraufgeführt und seitdem an mehr als zwanzig Häusern nachgespielt. Mit der Uraufführung von die verlorenen in der Regie von Nora Schlocker eröffnete Andreas Beck 2019 seine Intendanz am Residenztheater in München, wo Ewald Palmetshofer seit der Spielzeit 2019/20 auch als Dramaturg arbeitet.

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