Theater
Porträt

Albert Ostermaier & Herbert Achternbusch

grabbeilagen oder: abschiedsode auf achternbusch

Wir trauern um Herbert Achternbusch, der im Alter von 83 Jahren gestorben ist. Er war ein Universalgenie, ein großer Anarcho-Künstler, der als Filmemacher, Schauspieler, Maler, Dichter und nicht zuletzt als Theatermacher die deutschsprachige Gegenwartsdramatik über Jahrzehnte hinweg prägte. Unser Autor Albert Ostermaier erinnert sich an Herbert Achternbusch und widmet ihm eine Ode.

Porträts Albert Ostermaier und Herbert Achternbusch

grabbeilagen oder:
abschiedsode auf achternbusch

was kannst du mitnehmen
nichts ist besser als gar
nichts sagst du was bleibt
die feder des komantschen
der föhn der über die rücken
der berge fällt wie ein hinterhalt
aus hitze das herz das sticht
der letzte hauch den du schon
so lang gespürt hast gebetsfahnen
ihr klirren auf den kirchtürmen
einen fluch für das freundlich
sein eine tasse tee seine blätter
der schatten über dem lächeln
des buddhas die leere als ein
flussbett der worte das meer
das sie anzieht all die kiesel
einen schluckauf eine zunge
die du als wunde zeigst das
wasser unter den füssen das
man dir abgraben wollte
die steppe die kein ende hat
ein kamel das sich schüttelt
vor lachen ein eck von der
emmi und die bretter vor
der stirn mit denen man eine
bühne baut für deinen gust
ein glas honig aus dem
wald aus dessen tiefe du
kamst mit einer welt auf dem
kopf und der sonne als
geschlecht das untergeht
aber wieder aufersteht am
morgen aus dem nebel über dem
see wo alles verschwommen
bleibt wie nach dem kampf
mit dem bier auf dem stamm
tisch ein filz die macht des
löwengebrülls
gegen die löwen und ihre
macht die man nur mit
ohnmacht besiegt der tag
wird kommen immer noch
was fehlt kann sein eine
polizistenmütze ein grosses
zelt unter dem himmel ein
gehöriger rausch die
anarchie des aber rauchzeichen
asche das kreuz mit der csu
zu deren schwarzer mehrheit
du gesagt hast ich bin in der
überzahl und absolut bin ich
selbst die schlacht die du nie
aufgehört hast zu schlagen
im bauch eine platte innereien
die blaue blume im auge
und darunter das land in sicht
die wut die so wütend macht
dass einem die tage auf den
hund kommen vom haus
am nil einen schilf für die
reise den letzten schliff der
ein fehler ist die schönheit
zu retten das ziel nicht
zu treffen daneben um
in seiner mitte zu sein und
zu hören es ist niemand da
nur wellen und die brandung
und der brand in der kehle
und der brust und in den händen
beim schreiben die trauer dass
der feind nicht mal mehr ein
gespenst ist und ihn die kraft
verlässt wie das dorf die kirche
das andechs als gefühl die
wallfahrt des widerstands der
stiefel der sich nicht mehr
schnüren lässt der socken
der ein loch hat von all den
wegen im auswegslosen auf
verlorenen posten fandst du
dich wieder und findet dich
doch keiner wo er dich sucht
vielleicht in kuschwarda city
vielleicht im ewigen eis oder
doch nur in plattling an einer
ausfahrt oder im wirtshaus als
letzter gast der die gäste
beschimpft die nur mehr stühle
auf den tischen sind und ein
murmeln der frosch im hals
kommt nach dir die sintflut
oder bist du das boot mit all
deinen tieren strichen und
farben so froh wie du nie
schienst und vielleicht hinter
der hand es doch warst
wenn du über den atlantik
schwommst ein olympiasieger
der vergeblichkeit die nie
vergebens war eine filmrolle
habe ich vergessen die hefe
ein russfleck von valentin für
deine grabinschrift aber dein
grab wird nicht ein blatt
aus stein sein sondern ein
maulwurfshügel der wandert
und sich immer wieder neu
aufwirft uns vor die füsse
damit wenn wir beim gehen
den boden berühren es uns
ein leichtes ist zu lächeln
mit einer träne im blick

© 2022 Albert Ostermaier. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Herbert Achternbusch

Herbert Achternbusch, geboren 1938 in München, wuchs bei seiner Großmutter im Bayerischen Wald auf. Nach dem Abitur studierte er Malerei an der Kunstakademie Nürnberg; verschiedene Tätigkeiten, z.B. Zigarettenverkäufer auf dem Oktoberfest; zahlreiche Veröffentlichungen (u.a. Das Kamel, Der Tag wird kommen, Land in Sicht, Es ist ein Leichtes beim Gehen den Boden zu berühren, Breitenbach, Es ist niemand da) und Filme (u.a. Das Andechser Gefühl, Bierkampf, Die Atlantikschwimmer, Der Neger Erwin, Das letzte Loch, Das Gespenst, Mix Wix, I Know the Way to the Hofbräuhaus, Ab nach Tibet!). Herbert Achternbusch erhielt mehrere Preise, darunter die Ludwig-Thoma-Medaille der Stadt München und den Petrarca-Preis (1977, abgelehnt). Für sein Stück Der Stiefel und sein Socken, das im Dezember 1993 in seiner eigenen Regie an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt wurde, erhielt Achternbusch 1994 zum zweiten Mal den Mülheimer Dramatikerpreis. Sein Roman Hundstage erschien im Frühjahr 1995 im S. Fischer Verlag, sein Film Hades wurde für den offiziellen Wettbewerb der Berliner Filmfestspiele 1995 ausgewählt. Herbert Achternbusch lebte abwechselnd in München und bei Zwettl/Niederösterreich. Er verstarb am 13.01.2022 in München.

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© Kunstverlust eV

Albert Ostermaier

Albert Ostermaier ist 1967 in München geboren, wo er heute als freier Schriftsteller lebt. Er ist einer der meistgespielten deutschen Dramatiker der Gegenwart. Seine Stücke wurden u.a. von Karin Beier, Andrea Breth, Kay Voges und Nuran David
Calis uraufgeführt. Er schrieb für Komponisten wie Peter Eötvös und arbeitet mit DJ Hell. 2024 war Stahltier. Ein Exorzismus am Renaissance Theater Berlin in einer Koproduktion mit dem Théâtre National du Luxembourg zu sehen.
Im Februar 2026 wird sein Stück Munich Machine, das im Auftrag des Münchner Residenztheaters entstand, in der Regie von Ersan Mondtag uraufgeführt werden

Viele seiner Gedichte und Theaterstücke sind in mehrere Sprachen übersetzt und gelangten zur internationalen Aufführung u.a. in Los Angeles, New York, Athen, Santiago de Chile, Kiew, Rom und Teheran.
Neben seinen zahlreichen Lyrik-Bänden und Theaterstücken schrieb er 2008 seinen ersten Roman Zephyr.
Zur EURO 2024 veröffentlichte er im Korrekturverlag einen neuen Band mit Fußballtexten, Rote Asche. Im August 2025 erscheint sein neuer Roman Die Liebe geht weiter bei Matthes & Seitz Berlin.

Albert Ostermaier ist zudem Torwart der deutschen Autorennationalmannschaft und Kurator bei der DFB-Kulturstiftung. Er war „writer in residence“ in New York und Gastprofessor an verschiedenen Universitäten, wie Berlin und Venedig. Albert Ostermaier hat angesehene Literaturfestivals wie Lyrik am Lech, abc – Augsburg Brecht Connected, das Romantikfestival read* und das Jean-Paul-Festival in München kreiert und ins Leben gerufen.
Er kuratierte 2015 das forum:autoren beim Literaturfest München, 2023 zusammen mit dem Residenztheater München das Festival Welt/Bühne und bis 2023 das Thomas Bernhard Festival “Verstörungen“ in Österreich.
Von Mai bis Juli 2024 kuratierte er das Leuchtturmprojekt „Stadion der Träume“ für die Fußball-EM 2024.

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