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David Lindemann

Das Wiegenlied vom Recht

Der mystische Grund der Zivilisation II

Auf den Spuren des flüchtigen Apachen-Häuptlings Ulzana war DeBuin an seinem Wunsch, die indianische Kultur zu verstehen, verzweifelt. Nach dem Massaker von Sand Dreek 1864, wo DeBuin den Befehl gab, die indianischen Frauen und Kinder nicht zu schonen, ist aus dem Offizier ohne Felderfahrung ein Anwalt der Rechte geworden. Die Bluttat markiert den Übergang in den zivilen Rechtsstaat … Es war wirklich Liebe auf den ersten Blick gewesen, als Liberty den Anwalt der Rechte aus der Kutsche steigen sah, als sie ihn trat und peitschte und seine Gesetzesbücher zerriss, mit der Leidenschaft einer Betrogenen, weil ihr im ersten Augenblick klar war, dass sie neben dem Gesetz immer nur seine zweite Geliebte sein würde … 'Der mystische Grund der Zivilisation' beschwört die Widergänger der Kulturkriege unserer Zeit in der Wiege der westlichen Zivilisation. Wann hat der Wilde Westen eigentlich aufgehört? Frei nach Ulzanas Raid, The Man who shot Liberty Valance,Soldier Blue, Chisum, Der lange Ritt zur Schule u.a.
(Ankündigung Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz)

1 D, 2 H

UA: 22.09.2005 · Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin · Regie: Sebastian Mauksch

Ursendung: 18.06.2007 · DLR Kultur · Regie: David Lindemann, Katrin Moll

Aufführungsarchiv

22
September 2005
David Lindemann

Das Wiegenlied vom Recht

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Theater Volksbühne Berlin, Berlin

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David Lindemann

Getränk Hoffnung

2 D, 3 H

Wonach sehnt sich der Mensch in Zeiten der Krise? Das hat Christina Merkel, Mitarbeiterin der Bank, verinnerlicht: Nicht nach Sicherheiten, nach Vertrauen sehnt er sich. Nach der Krise betreut man Kunden auch nicht mehr in der Bank sondern auf der Bank im Grünen. Und: Hier wird heute nicht mehr über Geld geredet. Zentrale Begriffe zum Thema Finanzdienstleistung werden im Rahmen eines Kundengesprächs konsequent zu Ende gedacht und, wo nötig, durch Alternativen ersetzt. Wo Sicherheit war, soll Vertrauen sein, wo Integration gefragt war, gelten die Gesetze der unbedingten Gastfreundschaft. Herr Bond tut sich zunächst etwas schwer mit dem offensiven Vertrauensvorschuss. Doch die Stunden vergehen, es wird getrunken, es wird geplaudert, es wird getuschelt, ein bisschen geflirtet. Und als Herr Bond erschrocken auf die Uhr blickt, hat die Bank seine Kinder längst versorgt und sich um seine Frau gekümmert. Also treibt Herr Bond mit den Bankern durch eine lange Nacht – Alkohol und Tanz und Emotionen bringen seine Skepsis irgendwann zu Fall: die Bank kriegt sein Vertrauen. Und die Bank vertraut auch ihm, gerade weil er schlussendlich als Spion der Stiftung Warentest enttarnt wird.

„Wenn Sie eine sichere Bank wären, Herr Bond, dann wäre unser Vertrauen in Sie keine Leistung und schon gar keine riskante. Sie sind aber nun alles andere als eine sichere Bank, darum sind Sie unser Kunde. Weil wir ein Spitzenprodukt verkaufen. Vertrauen at its MAX! Das ist unser neues Kerngeschäft.“

David Lindemanns Getränk Hoffnung ist eine scharfsinnige Komödie über die skurrilen Auswüchse der Finanzkrise und die politischen Abgründe unserer Tage, außerdem ein Lehrstück im klassischen Sinne für Finanzdienstleister und ihre Kunden. Wie bei dem Stück Koala Lumpur zeigt er in einem Ausschnitt des Kleinen das Ausmaß des Großen. Zynisch, höchst amüsant und wahlweise, für die Optimisten unter den Theaterleuten, sogar mit einem Happy End.

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David Lindemann

Enter Sandman Die Erfahrung meiner Freiheit wird grenzenlos sein, aber den Rahmen deiner Vernunft nicht überschreiten

3 D, 2 H

Ausgehend vom 70er Jahre Science-Fiction Klassiker Logans Run wird in Enter Sandman bearbeitet, was es, als Selbstbeschreibung und Beschreibung der Gesellschaft, in unser Weltbild schafft. Mit Hilfe welcher Fiktionen erzählen wir uns unsere Wirklichkeit? Wie muss die Welt sortiert sein, dass ich mich darin einrichten kann? Liegt die Leistung im Erdulden oder im Aufbegehren gegen ein System, welches doch eigentlich glücklich macht? Das Gegebene wird vorsichtig hinterfragt, das Bewährte mit aller Behutsamkeit auf seine Leistungsfähigkeit abgeklopft.
Eine allgemeine Lebensbegrenzung von 21 Jahren, wie sie diesem Science-Fiction-Szenario zugrunde liegt, schützt uns schließlich vor Überbevölkerung und all den damit verbundenen Schrecken. Die Auflehnung gegen ein totalitäres System bedingt irgendwann die Erkenntnis, dass Selbstverantwortung auch belasten kann. Schon die zarteste gefühlsmäßige Annäherung an einen anderen Menschen – in Logans Run überflüssig, da es zum Ausgleich des Gefühlshaushaltes den sogenannten Liebesraum gibt – führt die Jungen und Mädchen zu emotionaler Verunsicherung. Vor solchen Irritationen ist natürlich sicher, wer dem großen Denker folgt, der doch alles so angenehm eingerichtet hat.
David Lindemann zeigt auf ein Geflecht von Bezügen, die uns in ihrer Absurdität einen erschreckend deutlichen Fokus liefern. Und immer wieder wird die dreidimensionale Erscheinung Abe Lincolns aus dem Raum gelöscht, und das, obwohl „Abe eine Adresse für uns verfasst (hatte), in Gettysburg, die war da hinterlegt, wo Menschen für eine Zukunft gekämpft hatten.“ Es bleibt des Menschen Entscheidung, die Dinge anzugehen. Ob er das will oder nicht.

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David Lindemann

Provinz der Märtyrer

3 D, 3 H

Philoktet auf Lemnos, ein griechischer Held, erhofft fürchtend Odysseus. Lucy, eine Kriegsberichterstatterin, erhofft freudig Sensationelles. Rainer, ein Ex-Bergsteiger, erhofft zwanghaft eine Ablichtung des auch Yeti genannten Chemo. Philoktets Wunde, eine am Strand Vergrabene, erhofft sehnsüchtig ihre Resozialisierung. Des Helden Entschluss allerdings steht noch aus. Sophokles oder Müller? Held oder Antiheld? Herakles Bogen, von Philoktet geführt, verfehlt sein Ziel. Der Pfeil steckt im Hals der Journalistin, nennenswerte Defekte gibt es keine. Ein Liebesbeweis? Philoktet ist sich nicht sicher, sie verging sich am Tee des Odysseus. Die Isolation der Insel verbindet und so treffen sich alle am Strand. Odysseus taucht auf, als Philoktet schon längst gegangen ist. Die Schlacht um Troja ist Vergangenheit und der Tee ist nicht seine Sache. Alt ist Odysseus geworden und senil. Vom Kampf ist keine Rede mehr. Philoktet? Wer ist das? Der Mythos hat eine neue Variante.

"Tief im Reich des Chemo supplementiert ein Glas Milchtee vor dem Lichtbild des Dalai Lama die Abwesenheit des heiligen Zentrums. Dieses Glas, aus dem niemand trinkt, ist nichts anderes als die Anwesenheit der Abwesenheit, der Mangel, ein Aufschub, der die Gestrandeten immer wieder und wieder an den Strand von Lemnos spült. Philoktet kann nachlesen, wo alles schon geschrieben steht. Aber die Schrift löst sich nicht ein. Stattdessen sind die Aussätzigen zuallererst sich selbst ausgesetzt. Die Tragödie ist dieser, ihr eigener Aufschub. Die Wunde eitert derweil am Strand, hinterm Horizont duckt sich der ausbleibende Feldherr, Zentrum der Gravitation im inneren Abgrund: Odysseus." (David Lindemann)

UA Frei
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David Lindemann

Captain Seablood und der gutgemeinte Kurs der Liberty

1 D, 2 H

Das Piratenschiff Liberty segelte bisher unter dem Kommando DeBuins, der schon in der Western-Trilogie von David Lindemann auf der Suche nach einem besseren Verständnis seiner Mitwelt unterwegs war. Teil der Mannschaft ist seine Schwester Anne Providence, die jahrelang auf der MS Counterfeit unter Deck gehalten wurde, um feine Garderoben für den Schwarzmarkt zu nähen. Dazu gezwungen wurde sie von LeSchurk – Vater dieser ungleichen Geschwister und eiskalter Vertreter des Establishments, den DeBuin sehr zu seinem Ärger ununterbrochen mit der kritischen Öffentlichkeit
verwechselt. Leider wird die von dem ambitionierten DeBuin eingeführte Freiheit an Bord von der eigenen Mannschaft zugunsten versprochener Extrafreiheiten in Form von kürzeren Arbeitszeiten, Rum und gemischten Schlafräumen abgelehnt. Neuer Captain ist von nun an Anne Providence, die ihrem Bruder keine Wahl lässt. Er muss das Schiff verlassen. Doch DeBuin gibt nicht auf. Mit scharfen
Worten und sengenden Argumenten versucht er seiner Schwester den Missbrauch der von ihm hart erkämpften Freiheit auszutreiben.
Allerdings verkörpert Matthias Habich in der ZDFWeihnachtsserie „Jack Holborn“ sowohl das Establishment als auch dessen Zwilling, die kritische Öffentlichkeit. Ebenso wie die Schiffe MS Counterfeit und die MS Copyright sich ähneln wie ein Ei dem anderen. Klar wird auch, dass Olivia de Havilland gar nicht wissen kann, ob sie Schwarzmarkt- oder Originalgarderoben über den roten Teppich trägt. Und ob DeBuin tatsächlich irgendwann vom Establishment freigekauft werden kann, und von wem, das soll an dieser Stelle noch nicht verraten werden!

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David Lindemann

Der Damm

7 Darsteller:innen

Der Meeresspiegel ist gestiegen, die norddeutsche Tiefebene ist überflutet.Gegen die Wassermassen stemmt sich der hochtechnisierte Portadamm. Und gleich dahinter - in wüstengleicher Ödnis - haben sich Herr und Frau Ehrlich ihren Wohntraum erfüllt. Loft, Redakteur:in einer Architekturzeitung ist zu Besuch, um über die außergewöhnliche Architektur und Lage dieser Immobilie zu berichten Hin und wieder ertönt ein ohrenbetäubendes KLONG. Wird der Druck auf den Damm zu groß, ertönt ein Alarm. Einen Keller gibt es auch bei Ehrlichs, gekachelt von Kalk, dem Fliesenleger. Boden, Wände, Decken, ein Thron in der Mitte - alles gekachelt, ein Abfluss und keine Klinke am Inneren der Tür. Auch das LKA schaut vorbei und wundert sich: Was haben die Ehrlichs vor? Wozu brauchen sie das lange dünne Fleischermesser und warum hängt an der Wand ein Bild vom Schimmelreiter, jenem Deichgraf, der sich für den Deich geopfert hat. KLONG schon wieder warnt der Damm. Bald muss etwas geschehen. Es scheint, als ließe sich dieses Wunderwerk der Technik nur mit einem Menschenopfer besänftigen. Aber wer soll das sein? Frau Ehrlich oder ihr Besuch? Und warum ist eigentlich Loft nach der heimlichen Kellerbesichtigung überhaupt nicht mehr aufgetaucht?

Der Damm ist eine aberwitzige, schwarzhumorige Klimakatastrophekrimikomödie, die die Grenzen zwischen wissenschaftsgestützter Vision und überkandideltem Blödsinn aufs Köstlichste auszuloten weiß. Und natürlich steuert das Ganze schon von Beginn an auf einen herrlich spektakulären Showdown auf dem Damm zu.

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David Lindemann

Irgendeiner wartet immer

3 H

Der im Laufe der Trilogie vom Westen bekehrte Apachen-Scout a.D. KenNiTay macht sich zusammen mit dem jungen Sergeant Linus auf die Jagd nach seinem ehemaligen Gerechtigskeitsmentor DeBuin.
Dieser lebt mittlerweile fahnenflüchtig das Leben der einst von ihm gejagten Indianer. Linus braucht ihn tot oder lebendig, und KenNi-Tay soll ihm dabei helfen. Während der Suche stellen sie sich der
immerwiederkehrenden Frage nach richtigem und falschem Handeln. Eine Annäherung beider Seiten hat stattgefunden, doch wieder einmal ist es unmöglich, sich einig zu werden. Schließlich wird DeBuin gefunden, ob tot oder lebendig. Aus dem großen Verfechter des Rechts ist ein Geächteter geworden.

DEBUIN Ich dachte, du haust wieder ab und wir reiten ein bisschen
zusammen. Das Land schnuppern, bisschen morden,
brandschatzen, wie früher. Ich bin so ein Schwachkopf,
dass ich dir diese Flausen in den Kopf gesetzt habe, von
wegen Zivilisation und so. Ich wusste ja nicht, dass du so
leicht zu beeinflussen bist.

„Als ich Ulzanas Raid von Robert Aldrich zum ersten Mal sah, kannte ich nur Winnetou. Was ich da nicht verstehe, ist, wie ein nach seinem Selbstverständnis pro-indianischer Film die Indianer so grausam darstellen konnte. So grausam, dass ein junger Soldat sich hastig den Lauf seines Revolvers in den Mund steckt, um der Folter der Indianer zu entgehen, nachdem er die seinem Schutz anbefohlene weiße Frau mit einem gezielten Schuss in die Stirn getötet hat. Was uns hier fehlt, ist Ambiguitätstoleranz. Die Fähigkeit, unstrukturierbare Situationen auszuhalten. Die Trilogie hat ein bisschen was damit zu tun.“ (David Lindemann)

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