Theater

Sabine Harbeke

der himmel ist weiss

ein park in einer stadt. in der ferne das meer.
maria und paul verbringen täglich die mittagspause zusammen. mal bringt sie etwas zu essen mit, mal er. sie reden über ihre tochter, über die arbeit. einer von beiden hört auch mal nicht genau hin. das ist verzeihlich. sie lieben sich. plötzlich versteht sie ihn nicht mehr und weiß nicht wohin mit ihrer wut, mit ihrer liebe. maria geht. dann sitzen sie wieder nebeneinander im park.
jan und maria klauen eine videokamera. dann filmt er sie und sie ihn. täglich, immer. sie verletzen einander und versöhnen sich mit den bildern. es gibt kein zurück mehr. maria verlässt jan. jan möchte nicht verlassen werden. nach jahren taucht er wieder auf. in einer hand die kamera. erinnerst du dich, maria? maria will sich nicht erinnern.
eb und maria treffen sich zufällig, verlieben sich. er kommt und geht. sie arbeitet in der stadt. eb redet nicht von seiner frau, will von paul nichts wissen. sie sehen öfters auf das meer. zu oft, sagt er plötzlich. eb verlässt maria. maria möchte nicht verlassen werden. nach jahren treffen sie sich wieder. zufällig. erinnerst du dich, eb? eb will sich nicht erinnern.
liebe. wie sie hätte sein können. wie sie entsteht und schon wieder vorbei ist. wie sie anders war. wie sie schön ist. wie sie blind macht. und wie sie immer wieder gleich ist. (Sabine Harbeke)

1 D, 3 H

UA: 30.01.2003 · Theater Neumarkt, Zürich · Regie: Sabine Harbeke

Aufführungsarchiv

30
Januar 2003
Sabine Harbeke

der himmel ist weiss

Theater
UA
Theater Theater am Neumarkt AG, Zürich
20
März 2004
Sabine Harbeke

der himmel ist weiss

Theater
DE
Regie Britta Geister
Theater Theater Heilbronn, Heilbronn
16
April 2012
Sabine Harbeke

der himmel ist weiss

Theater
ÖEA
Regie Leila Müller

Weitere Stücke

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Theater
Sabine Harbeke

mundschutz

2 D, 3 H, 1 Musiker

ich hatte ihr gesagt, dass ich sie nur schlecht verstehe. sehr schlecht. was sollte ich denn tun, ich konnte weder fortrennen, noch zurückrufen. sie sprach von einem unerklärlichen vertrauensbruch, unerwartet und unfassbar. nach so vielen jahren. und ich ging inmitten dieser menge von enttäuschten, lauten menschen in eine richtung, in die ich gar nicht wollte, weil nichts anderes möglich war. ich war heilfroh, als ich die telefonzelle sah. ich geh mal schnell mit dem handy in eine telefonzelle, sagte ich. hier drinnen ist es leise und ich kann ungehemmt laut reden. sie lachte kurz. die letzten sonnenstrahlen schienen durchs glas, es war windgeschützt, wärmer als draussen. ich dachte, endlich. endlich so etwas wie ruhe, vielleicht kann ich das schlimmmste noch abwenden,
vielleicht kann ich – plötzlich diese lockigen haare an der scheibe. einer drückt ein mädchen an die telefonzelle. 16,17,18 jährig. dann liegt sie am boden, keinen halben meter vor meinen füssen. er tritt immer wieder in ihren bauch, als wolle er ein kind darin heraustreten. ich schreie, will dazwischen. doch er steht über ihr, hält die tür zu und tritt sie. die leute gehen eiligst links und rechts der telefonzelle vorbei, sehen nichts, hören nichts. verdammte scheisse. ich muss raus. ich muss. seither, ja seither ist es anders. mein therapeut sagt mir, du verstehst doch, wie die welt funktioniert. ich schüttle den kopf und denke, der, der im kirchenchor haydn gesungen hat, war ein anderer, nicht ich. (Sabine Harbeke, April 2007)

Theater
Sabine Harbeke

eine nacht lang familie

4 D, 4 H

margrit schaut sich um, es ist ihr fest. ein erstes fest der familie seit jahren, seit ihr sohn alles geld verspielt hat, seit sie ihren laden aufgeben musste ...
margrit hat es kaum zu hoffen gewagt, es wird tatsächlich gefeiert, getanzt, gegessen und getrunken. ihre enkelin emma strahlt unverschämt, horst-holger ist trotz der prüfenden blicke beschwingt, miranda wünscht sich ein kind und singt für leon, der noch nie eine ältere frau um ihre telefonnummer gebeten hat, arwa redet ihr leben schön und betet still, moritz legt sich treffsicher mit seinem onkel an, der kleine simon spielt unbekümmert zwischen allen und irgendwo sitzt arthur und vermisst seine frau. plötzlich weiss margrit, wie sie mit ihrem leben umgehen möchte: noch diese eine nacht inmitten ihrer nächsten, dann ist gut.
margrit fühlt sich befreit, erleichtert. ihre euphorie über den entschluss prallt auf das selbstverständnis und die lebensentwürfe der familie und freunde. angesichts der endlichkeit wird jeder mit den schmerzpunkten seiner biographie konfrontiert, die eigenen illusionen vermögen die realität nicht mehr zu beschönigen, die masken fallen. margrit möchte gehen, doch sie wird wieder und wieder zurückgehalten. verzweifelt und vehement wird nun um flüchtige momente des glücks oder des vergessens gekämpft. die leidenschaft und die verschwendung im hier und jetzt tröstet einige. andere nicht. und die nacht nimmt unaufhaltsam ihren lauf. (Sabine Harbeke)

In eine nacht lang familie entwirft Sabine Harbeke einen Kosmos der Vergeblichkeiten, in dem die Figuren trotz der Kargheit des Alltags den Humor nicht verlieren, den Widrigkeiten ihre Sehnsüchte und Hoffnungen abtrotzen und manchmal am Rande des Wahnsinns einen Augenblick der Glückseligkeit finden. Wie immer also und doch einmalig.

Wo Menschen verschiedener Generationen zusammentreffen, Angehörige einer Familie, die darüber hinaus vieles trennt, werden politische Haltungen, gesellschaftliche Fragen und kulturelle Konflikte plötzlich zum privaten Zündstoff – und Margrits Fest zum Spiegel einer Welt im Umbruch.

Digitales Textbuch