Theater

Sabine Harbeke

jetzt und alles

«als ich ihr das erste mal begegnet bin, war ich noch jungfrau.
beim zweiten mal wusste ich, dass ich ihr nicht genüge.
das dritte mal erzähle ich später.
erst als wir uns zum vierten mal begegnet sind war ich bereit. sie hatte vier kinder und war glücklich in ihrer ehe.
das fünfte mal hatten wir kaum noch zeit.»
Thor und Lene, ein Junge und ein Mädchen, ein Mann und eine Frau – eine Jugend voller Zukunft und ein Leben voller Erinnerung. Was wäre wenn...? Werde ich einmal...? Warum habe ich damals... (nicht...)?




Auftragsarbeit für das Theater Basel

mind. 1 D, 1 H, bis zu 9 Personen

UA: 24.4.2009 · Theater Basel · Regie: Sabine Harbeke und Martin Frank

Kritiken

NZZ

"Ich will alles. Und ich will es jetzt. Der wirblige Abend erzählt von den ewig frischen Sehnsüchten junger Menschen. Und wie überraschend er das erzählt, erinnert an ein schönes Wort von Jean-Luc Godard: "Jede Geschichte hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge." Das hält in den rasanten 100 Minuten auch das Publikum ganz frisch." (NZZ)

NZZ

"Ich will alles. Und ich will es jetzt. Der wirblige Abend erzählt von den ewig frischen Sehnsüchten junger Menschen. Und wie überraschend er das erzählt, erinnert an ein schönes Wort von Jean-Luc Godard: "Jede Geschichte hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge." Das hält in den rasanten 100 Minuten auch das Publikum ganz frisch." (NZZ)

Weitere Stücke

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Theater
Sabine Harbeke

mundschutz

2 D, 3 H, 1 Musiker

ich hatte ihr gesagt, dass ich sie nur schlecht verstehe. sehr schlecht. was sollte ich denn tun, ich konnte weder fortrennen, noch zurückrufen. sie sprach von einem unerklärlichen vertrauensbruch, unerwartet und unfassbar. nach so vielen jahren. und ich ging inmitten dieser menge von enttäuschten, lauten menschen in eine richtung, in die ich gar nicht wollte, weil nichts anderes möglich war. ich war heilfroh, als ich die telefonzelle sah. ich geh mal schnell mit dem handy in eine telefonzelle, sagte ich. hier drinnen ist es leise und ich kann ungehemmt laut reden. sie lachte kurz. die letzten sonnenstrahlen schienen durchs glas, es war windgeschützt, wärmer als draussen. ich dachte, endlich. endlich so etwas wie ruhe, vielleicht kann ich das schlimmmste noch abwenden,
vielleicht kann ich – plötzlich diese lockigen haare an der scheibe. einer drückt ein mädchen an die telefonzelle. 16,17,18 jährig. dann liegt sie am boden, keinen halben meter vor meinen füssen. er tritt immer wieder in ihren bauch, als wolle er ein kind darin heraustreten. ich schreie, will dazwischen. doch er steht über ihr, hält die tür zu und tritt sie. die leute gehen eiligst links und rechts der telefonzelle vorbei, sehen nichts, hören nichts. verdammte scheisse. ich muss raus. ich muss. seither, ja seither ist es anders. mein therapeut sagt mir, du verstehst doch, wie die welt funktioniert. ich schüttle den kopf und denke, der, der im kirchenchor haydn gesungen hat, war ein anderer, nicht ich. (Sabine Harbeke, April 2007)

Theater
Sabine Harbeke

eine nacht lang familie

4 D, 4 H

margrit schaut sich um, es ist ihr fest. ein erstes fest der familie seit jahren, seit ihr sohn alles geld verspielt hat, seit sie ihren laden aufgeben musste ...
margrit hat es kaum zu hoffen gewagt, es wird tatsächlich gefeiert, getanzt, gegessen und getrunken. ihre enkelin emma strahlt unverschämt, horst-holger ist trotz der prüfenden blicke beschwingt, miranda wünscht sich ein kind und singt für leon, der noch nie eine ältere frau um ihre telefonnummer gebeten hat, arwa redet ihr leben schön und betet still, moritz legt sich treffsicher mit seinem onkel an, der kleine simon spielt unbekümmert zwischen allen und irgendwo sitzt arthur und vermisst seine frau. plötzlich weiss margrit, wie sie mit ihrem leben umgehen möchte: noch diese eine nacht inmitten ihrer nächsten, dann ist gut.
margrit fühlt sich befreit, erleichtert. ihre euphorie über den entschluss prallt auf das selbstverständnis und die lebensentwürfe der familie und freunde. angesichts der endlichkeit wird jeder mit den schmerzpunkten seiner biographie konfrontiert, die eigenen illusionen vermögen die realität nicht mehr zu beschönigen, die masken fallen. margrit möchte gehen, doch sie wird wieder und wieder zurückgehalten. verzweifelt und vehement wird nun um flüchtige momente des glücks oder des vergessens gekämpft. die leidenschaft und die verschwendung im hier und jetzt tröstet einige. andere nicht. und die nacht nimmt unaufhaltsam ihren lauf. (Sabine Harbeke)

In eine nacht lang familie entwirft Sabine Harbeke einen Kosmos der Vergeblichkeiten, in dem die Figuren trotz der Kargheit des Alltags den Humor nicht verlieren, den Widrigkeiten ihre Sehnsüchte und Hoffnungen abtrotzen und manchmal am Rande des Wahnsinns einen Augenblick der Glückseligkeit finden. Wie immer also und doch einmalig.

Wo Menschen verschiedener Generationen zusammentreffen, Angehörige einer Familie, die darüber hinaus vieles trennt, werden politische Haltungen, gesellschaftliche Fragen und kulturelle Konflikte plötzlich zum privaten Zündstoff – und Margrits Fest zum Spiegel einer Welt im Umbruch.

Digitales Textbuch