Theater

Kathrin Röggla

Der Lärmkrieg

„Ich muss zugeben, mich faszinieren Flughäfen. Es sind hochsymbolische Orte, nicht nur Shopping Malls, zu denen man hinfliegt, oder Großprojekte, die schief gehen, nein, Sinnbilder des Wachstums, der neuen Welt des neuen Kapitals, Kathedralen des 21.Jahrhunderts, und manchmal auch nur die Trashversion davon, was der Faszination aber keinen Abbruch tut.“ (aus dem Essay Lärmkrieg von Kathrin Röggla)

Auftragsarbeit für das Schauspiel Leipzig

2 D, 3 H

UA: 03.10.2013 · Schauspiel Leipzig · Regie: Dieter Boyer

Aufführungsarchiv

03
Oktober 2013
Kathrin Röggla

Der Lärmkrieg

Theater
UA
Regie Dieter Boyer
Theater Schauspiel Leipzig, Leipzig
23
November 2013
Kathrin Röggla

Der Lärmkrieg

Theater
Regie Matthias Fontheim

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Theater
Audio
Kathrin Röggla

draußen tobt die dunkelziffer

10 Darsteller:innen

seien sie still, da schläft unser kreditkartenkind, das träumt jetzt bestimmt. es träumt vom gesunden kapitalismus.

Die Staatsverschuldung erreicht schwindelerregende Höhen, die Privatinsolvenzen nehmen zu, Schuldnerberatungen haben Hochkonjunktur. Das schöne Märchen vom sorgenfreien Leben im Wohlstand ist ausgeträumt, auch für diejenigen unter uns, die bisher selbst mit Finanzen jonglierten. Die Existenzangst kennt keine gesellschaftlichen Schranken mehr, sie macht sich überall breit. Und mit der ökonomischen Vernunft ist es so eine Sache - in Zeiten der allgemeinen Konjunkturschwäche.

Kathrin Röggla hat recherchiert und zeigt die kleineren und größeren Zusammenbrüche - komisch und real, ironisch und unverblümt. Zu Wort kommen Schuldnerberater ebenso wie Schuldner und deren Angehörige. Oder auch der Weltmarktführer, der sich von niemanden sagen lässt, dass er pleite ist. Verschuldete, sparwütig, weil sie unbedingt von ihren Schulden runterkommen wollen. Oder der Starfotograf, der seine Post nicht mehr aufmacht. Die Familie unterhalb des Existenzminimums, die sich wenigstens noch einen Badeofen leisten wollte. Kreditunfälle und Minusmillionäre, die im "löcherstopfsystem" das rettende Ufer nicht erreichen können.

aber kriminell bin ich doch nicht.
aber kriminell bin ich doch wirklich nicht.
das kann doch nicht sein, dass ich kriminell geworden bin.


draußen tobt die dunkelziffer zeigt die Symptome einer neuen Epidemie: der "Geldkrankheit". Röggla fängt die verschiedenen Jargons der "Erkrankten" und der "Pfleger" ein und liefert das Konzentrat. Das Stück ist auch ein vergnügliches Spiel mit der Sprache.

Theater
Kathrin Röggla

Normalverdiener

Felsch hat alte Freunde eingeladen. Auf seine Insel, die vegetativ und steuerlich paradiesisch anmutet. Doch alte Freunde besuchen einen natürlich nie unkritisch. Die wissen, dass Reichtum seinen Preis hat. Für Kritik steht Felsch aber nicht zur Verfügung. Er ist schon lange keiner mehr von ihnen. Irgendwann verschwindet Johannes. Sandra zeigt Auflösungserscheinungen. Karsten versucht seine Existenz mit der Rettung von Bootsflüchtlingen zu rechtfertigen. Und Felsch? Längst schon weiter gezogen. Zurück bleiben die, die es bei zunehmender Weltkrisenkomplexität immer noch nicht geschafft haben, schnell genug in irgendeiner Versenkung zu verschwinden.

"Der Finanzmogul erscheint als der Gott unserer Zeit, auf den die Vertreter der Mittelschicht mit Angstlust starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Er gibt den Ton an, er beherrscht die Diskussionen, er entscheidet, was knallharte Realität ist und was naives Gutmenschentum - obwohl oder gerade weil er akustisch abwesend ist: Und so fällt alles zurück auf den mehrstimmigen Chor der Feiglinge und Mitläufer, die noch nicht einmal reagieren, als die Leichen von Bootsflüchtlingen vor der Küste angeschwemmt werden, und sich statt dessen mit den fadenscheinigsten Rechtfertigungen vor der Verantwortung drücken. Kathrin Rögglas Verfahren, das Personal ihres Hörspiels fast durchgehend im Konjunktiv sprechen zu lassen, ist entlarvender als jeder kritische Diskurs und jede Psychologisierung. Ihr Zugriff auf Sprechweisen, die ungefiltert ins Ohr dringen, macht sich die Möglichkeiten des akustischen Mediums in besonderer Weise zunutze. Mit dieser subjektlosen ästhetischen Methode zielt „Normalverdiener“ ins Herz der globalen Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse." (Aus der Jurybegründung zum Hörspiel des Monats 2016)

Theater
Kathrin Röggla

fake reports

6 Darsteller:innen

Röggla geht in ihrer dramatischen Auseinandersetzung mit dem dramatischen Ereignis der Frage nach, "wie wir realität mithilfe der muster und vorstellungen produzieren, die wir von der wirklichkeit haben, und wie diese realität dann auf uns zurückschlägt". Sechs Menschen treten uns gegenüber, drei rhetorische Positionen, die den Knoten des Ereignisses bilden, so wie es für uns Zuschauer in Erscheinung tritt. Es sind Medienmaschinen, Präsenzmaschinen, Mythenmaschinen. Es sind drei mal zwei Menschen, die in Medienberufen tätig und daher immer doppelt präsent sind, weil sie andere repräsentieren, eben deren Geschichten kolportieren und verkörpern müssen.
Sie berichten, was sie gehört haben. Sie verteilen Informationen. Sie erregen Aufmerksamkeit. Sie veröffentlichen Statements. Sie ziehen Vergleiche. Sie er-zählen Tote, Verletzte und Vermisste. Sie lügen kalkuliert oder schockbedingt. Aber vor allem geht es um eine Situation in der Öffentlichkeit, in der unterschiedliche Rhetoriken koexistieren und den Verlauf des Ereignisses bestimmen, sich gegenseitig unterwandern, aushöhlen können. Es geht um die kommunikativen Gesten, die unserer Unsicherheit und Panik zu Grunde liegen, die gesellschaftlichen Riten, mittels derer man diese zu bändigen sucht.

Rund um den Elften September - so Kathrin Rögglas zentrale Stückthese - "ist eine eigene kultur entstanden, die aus politischen und kulturellen fäden gewoben scheint, eine erinnerungs- und trauerkultur, die politischen funktionalisierungen zuarbeitet und verhältnisse verkehrt. das ereignis hat eine sogkraft entwickelt, und die frage, was man ihm noch alles unterschieben kann, wie es sich auswächst, wer am ende noch alles dabeigewesen sein wird, nimmt theatrale formen an."

Theater
Kathrin Röggla

Kein Plan

4 Darsteller:innen

Sind es Spiele, die vier Jugendliche auf einer Rückbank im Auto begehen oder geschieht es echt? Erzählen sie sich die Welt als Story oder findet das wirklich statt, was wie ein Roadmovie beginnt. Zwei Mädchen, zwei Jungs sitzen hinten im Auto und reden über ihre Eltern. Diese kommen selbst nicht zu Wort, ja merkwürdigerweise sind sie wie abwesend. Man ist unterwegs in the middle of nowhere eines postindustriellen Deutschlands und landet in einer Siedlung. Immer ist schon was passiert. Ein vermeintlicher Unfall, man steigt aus, stößt nicht nur auf einen Mann, der dauernd Aufträge erteilt und vor einem "Rücktrittsbürgermeister" warnt, sondern auch auf eine Versammlung. Außerdem gibt es jemand, der auf der Straße liegt. Die Viererbande folgt vermeintlich immer ihren Eltern und landet schließlich in einem Gericht, wo diese auf der Anklagebank sitzen, zuerst als Verteidiger, dann selbst als Angeklagte. Es handelt sich um ein Tribunal der Siedlungsbewohner, die den staatlichen Strukturen nicht mehr trauen und ihren alten Bürgermeister des Hochverrats anklagen. Die Dynamik zwischen den Geschwistern wird aus Sorge und Rivalität bestimmt, Schuld und Verrat sind Thema wie das Gefühl, nur indirekt handeln zu können (über Erwachsene). Sie geben wechselseitig vor, im Gespräch mit den Eltern zu bleiben, während sich die Szene verändert. Ein Urteil wird gefällt, Menschen werden gejagt, ein Damm droht zu brechen, Tiere gesichtet, die da wirklich nichts verloren haben. Die kleine Schwester wird zurückgelassen, sie richtet ihre direkte Ansprache nun endlich an die Eltern und beobachtet den Fluss, an dem sich eine Umweltkatastrophe anbahnt, die niemand bemerken will. (Niemand in der Siedlung spricht über den Fluss)
Am Ende sitzen drei von vieren wieder im Auto und fahren weiter, vermeintlich heim. Nur werden sie jetzt von anderen Autos gejagt und "begleitet", sie wissen nicht mehr genau, wer sie fährt. Es gibt neue Eltern, und - neue Geschwister. (Kathrin Röggla)

Theater
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Kathrin Röggla

junk space

3 D, 4 H

Herr Schmidt und Frau Schmidt, Frau Schneider und Herr Schneyder, Herr Schulze und Frau Schultze sind Menschen wie du und ich: Menschen mit Zwangscharakter, Herzrasen, Panikattacken, Aggressionen, sozialen Phobien und Ängsten unterschiedlichster Ausprägungen. Sie alle ziehen aus, das Fürchten zu verlernen und landen im Flugangstseminar eines Bestsellerautors, der die Welt von ihren beständig steigenden Ängsten heilen will.
Angst aufzugeben heißt, aus dem Sicherheitsraum auszutreten, dem alltäglichen Bunker, Bungalow oder Büro, in dem nichts Unbekanntes vorkommt, in dem das Leben denkbar ist, beschränkt vielleicht und ängstlich, aber immerhin möglich. In diesem alptraumhaften Zuhause nisten die meisten Menschen sich ein: Angstneurose und Depression sind die zunehmende psychische Krankheitsform, wenn den Krankenkassenstatistiken zu glauben ist. Angst vor Terror, Krankheit, Alter, Armut, Arbeitslosigkeit, Versagen oder Tod, aber auch der allgemeine Versicherungswahnsinn und das rapide Anwachsen des Sicherheitssektors im privatwirtschaftlichen und öffentlichen Bereich lassen darauf schließen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die uns zu angstgesteuerten Lebewesen macht. Die SeminarteilnehmerInnen in junk space durchleben andere Prozesse als vorgesehen. Was anfangs nur Abbau von Ängsten sein will, sieht immer mehr nach Strategien der Konkurrenz und Leistungssteigerung aus, begleitet von Sicherheitswahn und territorialer Verteidigung gegen Milieus und Situationen, die von überall eindringen: die Wände kommen näher, Räume, die unbedingt außen bleiben sollten, bahnen sich ihren Weg nach innen, wo die TeilnehmerInnen in sich und ihrem kollektiven Furchtniveau gefangen bleiben.
Kathrin Röggla hat mit junk space ein Stück über Angststeuerung und angstdominierte Menschen geschrieben, das - und dies lässt schon der von Rem Koolhaas entlehnte Titel erahnen - weit über die Angst vorm Fliegen hinausgeht. (Thomas Jonigk)

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Kathrin Röggla

die unvermeidlichen

3 D, 3 H

„die finanzkrisenkonferenz, die atomendlagerkonferenz, die erneuerbaren energien, die migrationskonferenz, der klimawandel, die transitfrage, die defizitkonferenz“, alles in einer Woche und global, da kann schon mal ein Notstand entstehen, ein Verständigungsnotstand. Wenn in vielen Sprachen gesprochen und das Gesprochene verstanden werden und das Verstandene zu einem Konsens und der Konsens zu einem Ergebnis führen soll … dann kommt man an ihnen einfach nicht vorbei: Simultanübersetzer.

Eingepfercht in kleine Kabinen, abgeriegelt von den konferierenden Massen, einzig bestückt mit Kopfhörer, Mikrofon und Räuspertaste: Sechs Dolmetscher sitzen über dem politischen Einigungsgeschehen, das sie begleiten, ja, erst möglich machen, oder folgen Entscheidungsträgern durch Flure zu sogenannten Hinterzimmergesprächen. Deren hochkonzentrierte scheinbar körperlose Sprachübertragung wird zu einer Brücke in die Zentren der Macht, die stimmliche Neutralität zur Herausforderung und der Plausch mit den Kollegen zum körperlichen und geistigen Identitätsnachweis.
In dem für die Frankfurter Positionen 2011 entstandenen Stück spiegelt sich in den Flurgesprächen der Simultanübersetzer die Welt der Großen im Kleinen. Wo die Franzosen ganz gut mit den Engländern, wo die Russen einzelkämpferisch aber integrativ und die Chinesen gefährlicherweise noch immer unterschätzt werden. Sie alle träumen vom Triumphzug der kompromisslosen Einstimmigkeit über den ewigen Minimalkonsens. Von einer Konferenz der klaren Ansagen. Stattdessen verfolgen sie eine Konferenz der wachsenden Sprachlosigkeit. Das Fehlen der Sprache zersetzt nach und nach die Wahrnehmung der Übersetzenden…

„kürzlich habe ich einmal gelesen, wie wir und die sicherheitsleute vom protokoll genannt werden … die unvermeidlichen!“

Theater
Kathrin Röggla

Verfahren

„Das Gericht kann nur das Vergangene behandeln, wir haben so viel Zukünftiges hier, kein Wunder, dass es nicht klappt.“

Der Prozess gegen die Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrund wurde von Beobachtern als wichtigstes Gerichtsverfahren seit der Wiedervereinigung und Blick in den Abgrund der Deutschen Gesellschaft beschrieben. 9 Morde und 58 weitere rassistisch motivierte Taten wurden in einer Zeitspanne von 438 Tagen in München verhandelt. Aufklärung, Gerechtigkeit, Bestrafung und Erlösung; die Erwartungshaltungen an den Prozess und das daraus resultierende Urteil waren kaum zu erfüllen.

Die Schriftstellerin und Dramatikerin Kathrin Röggla verdichtet den Jahrhundertprozess in fünf Akten und rückt dabei die Wahrnehmung der Besucher in den Mittelpunkt. Sie lässt eine Gruppe aus der Mitte der Gesellschaft im Gerichtssaal miteinander ankommen, warten, beobachten und hoffen. Durch die Augen der Figuren wird eine theatral angeordnete Wahrheitssuche vorgeführt, bei der die Zuschauerschaft dem Ablauf eines langjährig erprobten Gerichtsballetts beiwohnt. Vom Podium im Gerichtssaal aus diskutieren sie über die Verhandlung, die Angeklagten, den Richter, den Senat und die Rolle der Nebenkläger und stellen damit auch den Rechtsstaat auf den Prüfstand. Wie konnte die NSU 14 Jahre lang unentdeckt Terror verbreiten? Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz? Warum wurden aus den Opfern Verdächtige gemacht? Kann dieser Prozess die Gesellschaft verändern? Und vor allem: Ist das letztendlich gefällte Urteil genug um allen Erwartungen gerecht zu werden? Die Meinungen zu diesen Fragen gehen bei den Figuren auf dem Podium ebenso auseinander wie in der deutschen Gesellschaft.

Theater
Kathrin Röggla

worst case

„Nicht die Katastrophen selbst und deren direktes Erleben (oder Erleiden), sondern die medialen und politischen Katastrophenerzählungen, das unaufhörliche Gerede in Nachrichten und Talk-Shows, die sich dem Bewältigen oder Beschwören realer Katastrophen widmen, sind ihr Material. Diese Katastrophendiskurse wiederum setzt sie in Beziehung zum unermesslichen Fundus an Genrebildern, die die Kinoindustrie produziert. Diese Bilder und Szenen evozieren und überformen unsere Erwartungen und Ängste. Aus dem Amalgam der Klischees, die sie produzieren, verfertigen wir unsere Gedanken beim Reden über das, was uns droht. Sie bilden so etwas wie die Grundlage unserer Culture of Fear. Kathrin Röggla hat diese Filme angesehen, um so etwas wie die Grammatik
des Katastrophalen zu erarbeiten.
Ihr Stück handelt also nicht von einstürzenden Häusern, entgleisenden Zügen, Killerviren, Schlammlawinen und Tsunamis. Es folgt vielmehr der Entdeckung, dass das Spektakuläre „in die ritzen aller erzählungen eingedrungen“ ist, dass es die Schnitttechniken und Erzählformen bestimmt. Die Katastrophenerzählungen Hollywoods bilden die Matritze unserer Weltwahrnehmung. Folglich müssen
wir Zuschauer die Katastrophengrammatik lernen, weil sie, wie Röggla formuliert, „ die sprache ist, die über unsere köpfe hinweg gesprochen wird“. Dazu will sie uns in ihrem neuen Stück verführen und stellt sich selbst die Aufgabe, den Suggestionen der allgegenwärtigen Genreerzählungen mit einem Gegenzauber zu begegnen, der andere Unheimlichkeiten erzeugt als die in Science- Fiction-Filmen.


Theater
Kathrin Röggla

Das Wasser

3 D, 4 H

„In dreißig Jahren, wenn wir den Landeanflug der Flugzeuge nicht mehr hören werden, wenn er schon lange gestrichen sein wird, und wenn die Abwesenheit der Verkehrsgeräusche mit der Ankunft unserer Enkel zusammenfallen wird oder etwas Ähnlichem wie Enkelkinder, werden wir etwas kennen. Denn etwas wird doch noch nachkommen, oder? Etwas wird geboren worden sein … Sei es, wie es sei, wir werden uns unterhalten haben, wir werden noch lange Luft zum Durchatmen gehabt haben. Wir werden etwas kommen gesehen haben“, vermutet die FRAU MIT ZUKUNFT in Kathrin Rögglas Stück über unseren Umgang mit dem Klimawandel.

Bei ihren Recherchen für dieses Auftragswerk des Staatsschauspiels Dresden traf die Autorin Aktivist*innen, Öko-Initiativen, Unternehmer*innen und Umweltbeamte in Dresden und im sächsischen Umland, wo Wasser als Mangelerscheinung und zerstörerische Flut in den letzten Jahrzehnten zum dringendsten ökologischen Problem geworden sind.

„Alles ist weit weg. Viel zu weit weg. Die Katastrophen, die sich vollziehen, sind immer woanders, auch wenn sie real vor unserer Haustür stattfinden. Noch immer werden sie Naturkatastrophen genannt. Auch unser Wissen darüber hält sich auf Abstand“, heißt es in Kathrin Rögglas Vorrede zum Stück, in dem scheiternde Kommunikation, Erzählungen von Unvorstellbarkeit, Ressortdenken und bürokratische Hürden als Handlungs­blockaden bei unseren ernst gemeinten Weltrettungsversuchen beschrieben werden.

Doch wie kann man der Gemengelage aus Alarmismus, leeren politischen Versprechungen, Ängsten und Verdrängung entkommen? Was ist die ­Bühne und wer das Publikum in der Klimadebatte? Wie kann sich Wissenschaft verständlich machen? Brauchen wir ein „Kurzzeitchina“ oder doch eher Basisdemokratie, um endlich ans große Ganze zu denken, obwohl wir das Gefühl haben, dass noch nicht mal das kommunale Überleben gesichert ist? Und wie soll man sich um die Zukunft kümmern, wenn einen die Probleme der Gegenwart schon auffressen?
Kathrin Röggla treibt in ihrem Text die Realität der Behörden, Apparate, Vollversammlungen und Pressekonferenzen immer wieder ins Komische und Groteske. Und sie greift auf den Mythos von Jona und dem Wal als Metapher für gegenwärtige Dürre- und Flutkatastrophen zurück. Wie in der biblischen Geschichte ist das Handeln der Figuren angesichts der fortschreitenden Umweltzerstörung gekennzeichnet von gegenseitigen Schuldzuweisungen, Größenwahn, Drohungen und verhallenden Warnungen. Bleibt also nur die Hoffnung auf die nächste Generation? (Ankündigung Staatsschauspiel Dresden)

Digitales Textbuch