Theater

Nuran David Calis

Dogland

Heimattrilogie II

I`m sorry mama
I never meant to hurt you
I never meant to make you cry
but to nite I`m cleaning out my closet. (Eminem)

Dog Eat Dog -10 Jahre später redet niemand mehr von einer Flucht. Im Gegenteil, bürgerlich ist die Devise, Gemütlichkeit der Schlachtruf des Spießerdaseins. Nur einen zog es weg, doch auch den treibt es zurück - nach Baumheide. Memo, 30, will seinem verstorbenen Vater einen Grabstein meißeln, ihm nach sieben Jahren Flucht seine letzte Ehrehrbietung erweisen. Doch alles hat sich verändert. Mutter Lale hat jetzt Mike, Frank legt Korkböden, Alex taucht in der Kloake, Christin gibt die ukrainische Prostituierte. Memos Auftauchen beunruhigt die betuliche Gediegenheit der Niedergelassenen, an dem Wiederkehrenden reiben sich die Gemüter. Unkontrollierbare Energien bahnen sich ihren Weg, Memo dient, obwohl passiv, als auslösendes Moment lang unterdrückter Hoffnungen und Leidenschaften. Das Gutbürgerliche entpuppt sich als hohle Fassade, dahinter lauern Betrug, Verrat und ... Mord. Für den Einsturz der Lebensentwürfe wird Memo verantwortlich gemacht. Zusammen mit dem ausgegrabenen Skelett seines Vaters beerdigt er Mike, Frank und seine Mutter. Es ist der Tag der Abrechnung.

Dogland, der zweite Teil der Heimattrilogie, erzählt von dem Moment, in dem Bestehendes hinterfragt und Lebenslügen beleuchtet werden. Was bleibt, wenn wir uns den eigenen Zweifeln stellen müssen? Wie schon in Dog Eat Dog schafft Nuran Calis in Verbindung mit der Musik eine bedrückend nahe Intensität, eine Faszination des Grauens, dessen Wurzeln bei diesem Stück im Alltäglichen wuchern.

3 D, 5 H

UA: 09.09.2005 · Theater Bielefeld · Regie: Philipp Preuss

Aufführungsarchiv

14
April 2005
Nuran David Calis

Dogland

Theater
Theater Münchner Kammerspiele, München
09
September 2005
Nuran David Calis

Dogland

Theater
UA
Theater Theater Bielefeld, Bielefeld

Weitere Stücke

Alle Stücke
Junges Theater
William Shakespeare, Nuran David Calis

Romeo und Julia (DEATH IS SURE - LIFE IS NOT)

Der Balkon, „die Nachtigall und nicht die Lerche“, unglückliche Liebe mit tödlichem Ausgang; selbst wer das Stück noch nie gesehen hat, kennt es. Es geht um die Liebe schlechthin, kompromisslos und unbedingt, die Romeo und Julia für einander empfinden. Sie verlieben sich blitzartig und die Welt um sie herum versinkt. Und es geht um grenzenlosen Hass, der als Folie für die Gefühle des verliebten Paares fungiert. Die Capulets und die Montagues, die verfeindeten Gruppen, zu denen die Liebenden gehören, begegnen sich mit Gewaltbereitschaft und Aggressivität. Durch ihre Liebe, und das ist das utopische Moment an ihr, können Romeo und Julia die ihnen zugewiesenen Rollenbilder durchbrechen. Das Unmögliche scheint möglich. Ein subversiver Vorgang, den ihre Umwelt nicht erträgt. Dann wird Romeos Freund Mercutio getötet. Romeo rächt den Mord sekundenschnell mit Mord, und es beginnt eine Spirale von Gewalt und Gegengewalt, die nicht aufzuhalten ist. In ihrem erbarmungslosen Mechanismus findet auch das Paar den Tod. So bleibt die ungelebte Liebe als Versprechen und Vermächtnis in Ewigkeit bestehen. (Maxim Gorki Theater, Berlin)

Nach dem großen Erfolg seiner Bearbeitung von Frühlings Erwachen! nach Frank Wedekind nimmt Nuran David Calis sich jetzt der berühmtesten Liebesgeschichte des Theaters an, um sie in das brutale Umfeld der Underdogs im Hier und Heute zu versetzen.

Theater
Nuran David Calis

Nathan

4 D, 5 H

Wir leben fast 1000 Jahre nach der Zeit, in der Lessing Nathan der Weise angesiedelt hat, und weiterhin halten die Konflikte zwischen Christen, Juden und Muslimen an.
Berlin. Hier lebt Nathan Grossman, Jurist und Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, mit seiner Stiefschwester Daja und seiner Adoptivtochter Recha. Eines Nachts wird ein Anschlag auf sie verübt: Eine Gruppe junger Männer verschafft sich Zugang zu Nathans Wohnung, schreibt antisemitische Parolen in arabischer Schrift an die Wand und zündet ein Feuer.
Die Polizei geht von sunnitischen Tätern aus, und auch ein mutmaßlicher Drahtzieher ist schnell gefunden: der Unternehmer Salatin Denktas. Daja zweifelt an der Theorie, da sie sich sicher ist, dass die Männer nicht Arabisch gesprochen haben. Außerdem verbindet Salatin eine lange Freundschaft mit Nathan und die Planung eines großen Immobiliengeschäfts. Warum sollte Salatin das alles aufs Spiel setzen? Das fragt sich auch Jonas, Polizist beim BKA, der unterstützt von Recha, die als Journalistin arbeitet, die Hintergründe des Anschlags untersucht. Für wen arbeitet Aris, der neue Pässe für sich und seine Familie braucht? Und welche Rolle spielt der Staatsschutz eigentlich? Je tiefer Jonas in die Ermittlungen eintaucht, desto mehr verstrickt er sich persönlich darin - denn plötzlich holt ihn seine eigene Vergangenheit ein.

Während die News über konkurrierende Flüchtlingsströme aus der Ukraine und dem Nahen Osten über die Live-Ticker laufen und die Verdächtigungen in alle Richtungen gehen, verkauft unbemerkt ein junges aramäisches Mädchen mit grünen Augen Perlenketten am Straßenrand. Ihre lange Flucht aus Syrien endet hier - und hier hat sie ein letztes Ziel.

In seiner rasanten und sehr zeitgemäßen Überschreibung von Lessings Dramatischen Gedichts sensibilisiert Nuran David Calis für den Rassismus in der gegenwärtigen Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine und dem Nahen Osten. Im Mikrokosmos der Figuren wird schmerzlich vor Augen geführt, wie komplex der anhaltende Konflikt zwischen den drei Weltreligionen ist.

Theater
Nuran David Calis

Café Europa*

3 D, 2 H

"Ich bleibe genau da stehen, wo ich bin, ich gehöre nicht rein, nicht raus, ich gehöre der Schwelle..."
Menem ist Türsteher im Café Europa. Sein Platz ist das Dazwischen - vor dem Laden wie im Leben. Menem ist zersplittert, aufgeteilt zwischen den ungleichen Kulturen, in die er gestellt wurde. Er benutzt ein "Leben von der STANGE, eine Sprache von der STANGE", nichts darin ist für ihn maßgeschneidert. Die Tür ist seine Krücke: Hier wird er gebraucht, hier weiß jeder, wer und was er ist, an sie kann er sich halten in der Wurzellosigkeit - zwischen drinnen und draußen.

Natascha erschüttert sein ewiges Mantra vom "Ich gehör genau hierher". Natascha, die berühmte Schauspielerin, die gerade eben erst ihren Halt verloren hat, die sich selbst in Auflösung befindet. Menem soll ihr schattenhafter Bewacher sein, frei in allem - nur da sein soll er. Ihre neue Bindung, eine Wurzel. Menem bleibt an der Tür.

Der Gedanke an seine Eltern erschüttert ihn in seiner schützenden Selbstversicherung. Aber die Erinnerung an seine heimatlose Familie ist auch Bestätigung dafür, dass das Dazwischen der einzig richtige Platz für ihn ist. Yusuf und Maria, die toten Eltern von Menem, sind im gleichen Zwiespalt: Sie möchte das Bewährte, auch wenn es fremd ist, er möchte in die Heimat seiner Vorfahren wandern, einen Schatz zu finden, das Geheimnis des Brunnens entdecken.

Eva könnte ein Ruhepol für Menem sein. Sie würde mit ihm bleiben, sie würde mit ihm gehen, egal. Es wäre immer ein Zuhause. Nur entscheiden muss er sich.

Nach Dog eat Dog und Dogland ist Café Europa* der dritte Teil der Heimattrilogie. Dicht und eindrücklich erzählt Calis von Menschen ohne innere oder äußere Heimat und der Suche danach.

Theater
Nuran David Calis

Dog eat Dog - Raus aus Baumheide

4 D, 6 H, einige HipHopper, Verwandlungsdek

Baumheide - eine Plattenbausiedlung im Nordosten von Bielefeld. Das Glashaus - der angesagteste Club in town. Serkan und Tom - Türsteher. Marco - ihr Kumpel. Viktor - ihr Feind. Und weil Serkan und Tom Macht haben und weil Marco Macht will und weil Viktor Macht gibt, endet die Story, nicht zuletzt wegen den Frauen, tragisch. Marco hat was mit Ziska - der Freundin von Viktor. Serkan verliebt sich in Lola - die schauspielernde Außenseiterin. Lily will Tom - der Serkan liebt. Und weil Viktor Ziska nicht teilt und Marco krumme Geschäfte macht und Serkan sich absetzen will und Tom eine Waffe kauft, Lily Ziska hinterherläuft, Marco seine Freunde gegen Viktor ausspielt, Lola auf den Bus wartet, die Fronten sich verhärten, Marco gefoltert, Serkan vermittelt, Tom bewaffnet und Viktors Gang bereit ist - vernichten sie sich schließlich gegenseitig. Der Hass, der Neid und die Eifersucht fegen zerstörend durch die Jugend, zerfetzen das kleine Glück und die Hoffnung. Übrig bleibt allein Baumheide.

Dog Eat Dog ist eine Mischung aus Shakespeare und Pulp Fiction, aus Poesie und Slang, aus Liebe und Terror. Mit berstender Wucht erzählt es die ausweglose Geschichte seiner Figuren, mit beeindruckender Zärtlichkeit lässt es sie leiden, lieben und hoffen. Ein Stück Theater, das im Zusammenspiel mit der den Rap und HipHop-Texten zugrundliegenden Aggressivität einen Sog entstehen lässt, dem sich zu entziehen kaum einem gelingen mag.

Theater
Nuran David Calis

Stunde Null - Vol. I-III

3 D, 4 H, Verwandlungsdek

Deutschland in den 50er-Jahren: Die Wirtschaft boomt, es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Um den Aufschwung weiter anzukurbeln, schließt die Bundesregierung so genannte Anwerbeabkommen für ausländische Arbeitskräfte u. a. mit Italien und der Türkei ab. Der noch jungen BRD schlägt eine zweite Stunde Null, es folgt eine Zeit der Einwanderung, die die Zusammensetzung der Gesellschaft nachhaltig verändern soll. Der Autor und Regisseur Nuran David Calis hat sich in Köln und dem Ruhrgebiet auf Spurensuche begeben und seine Eindrücke aus den Begegnungen mit den Gästen von damals und ihren Nachkommen zu einem Theaterstück über drei Generationen verdichtet.
Silvio und Toni brechen 1955 aus Neapel auf, um in Deutschland zu arbeiten und Geld zu verdienen. Silvio geht ins Bergwerk nach Essen und Toni in eine Gießerei nach Köln. Lange wollen sie nicht bleiben und alle zwei Wochen zurück nach Italien, zu ihren Freundinnen… 1969 auf einem Hügel bei Istanbul verabschiedet sich Ayse von ihrer großen Liebe Hassan, denn ihre Mutter und sie folgen dem Vater nach Deutschland. Ayse träumt von einem eigenen Goldschmiedladen und will Hassan später nachholen. Erst dreißig Jahre später treffen sie sich auf dem Hügel wieder. Beide sind über vierzig und haben Familien… Essen Katernberg – heute. Karim ist in Deutschland aufgewachsen. Er hat Jura studiert, findet aber keinen Job – Wer lässt sich schon von einem Iraner vor Gericht vertreten? – Karim sehnt sich nach einem Neuanfang in Hamadan, dem Heimatort seiner Familie, wo er selbst noch nie war…(Ankündigung des Schauspiel Köln)

Theater
Nuran David Calis

Die Lücke

2 D, 4 H

Am 9. Juni 2014 war es zehn Jahre her, dass in der Kölner Keupstraße eine auf einem Fahrrad montierte Nagelbombe 22 Menschen zum Teil schwer verletzte und zahlreiche Geschäfte zerstörte. Ziel des feigen Anschlages waren die Menschen, die in der vor allem türkisch geprägten Straße lebten und mit ihnen das Lebensmodell einer offenen Gesellschaft. Verübt wurde der Anschlag, wie sich 2011 herausstellte, vom rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), doch Polizei und Politik schlossen sieben Jahre lang einen fremdenfeindlichen Hintergrund der Tat aus. Stattdessen rückten die Anwohner selbst ins Zentrum der Ermittlungen: Die eigentlichen Opfer des Anschlages wurden zu potentiellen Tätern.
Heute, zehn Jahre nach dem Anschlag, werden in München der NSU-Terror und seine Folgen vor Gericht verhandelt. In der Keupstrasse in Köln hat der Autor, Regisseur und Filmemacher Nuran David Calis ein Jahr lang immer wieder Anwohner und Geschäftsleute getroffen und sie gefragt, wie sie den Anschlag und die Zeit danach erlebt haben. Aber er hat auch nach den Geschichten der Keupstrasse von heute gefragt, und danach, wie sich das Leben auf dieser besonderen Straße im Laufe der Jahre verändert hat. So entsteht ein Bild der Keupstrasse aus der Sicht der Menschen, die dort leben. Und es wird erzählt von ihnen selbst. Denn Anwohner und Geschäftsleute stehen gemeinsam mit Schauspielern auf der Bühne. Gespielt wird im Theater und in der Keupstraße selbst in unmittelbarer Nachbarschaft des Depot. (Ankündigung des Schauspiels Köln)

Theater
Nuran David Calis, Henrik Ibsen

METAPHER D’ SIHAD (PEER GYNT) nach Henrik Ibsen

5 D, 19 H, Chor; Doppelbesetzung möglich

Jugend – vom bordstein bis zur skyline – peer – ohne umwege –
schnell weg hier und nie wieder zurück – den peer wird
es auch nicht mehr lange geben – wenn er hierbleibt –
so wie vadder wirst du nicht enden – in diesem drecksloch
– dieser ort – der dich nicht liebt – der dich ausbluten lässt
– ohne dir was zu geben – ab jetzt lasse ich einen beat laufen –
hart und donnernd – bumm bumm bumm bumm – der treibt mich
an – der treibt mich nach vorne – ich will meinen weg machen

Erwachsensein – stopp – peer – wo bleibt dein gutes
benehmen – das hat mein vadder mit ins grab genommen
– hihi – ihr kennt mich – und ihr wisst ich bin
legende – doch ihr alle seid faker – ich bin wie die
sonne für euch – mein charme reizt euch – kommt
näher und ihr verbrennt euch – das urteil der menschen
wird einmal mein untergang – aus und fin – ich bin am
flowen wie der wind – ich lass es raus wie ein pitbull –
die hitze des lebens überlebt ihr nicht – schaut – an
meinem leben überhebe ich mich – nach dem part
übergebe ich mich

Greisentum – was ich gemacht habe war nicht korrekt – alles was
ich sagte
ist nicht viel mehr wert als dreck – ich weiß nicht
wer ich bin – los peer entscheide dich ( ! ) –
jetzt ( ! ) – ich weiß es nicht – ich habe keine identität –
die meine haut um mich zusammenhält – ich habe nichts
geschaffen von bleibendem wert … – es wird zeit dass ich gehe
und mich nicht
mehr umdrehe – ich bin mein eigener freund – der von
sich selbst – und nur für sich allein – von besseren zeiten
träumt

Notizen zu Henrik Ibsens Titelheld von Nuran David Calis

Junges Theater
Nuran David Calis

Frühlings Erwachen! (LIVE FAST - DIE YOUNG)

4 D, 6 H

"Melchior, Moritz, Wendla und die anderen sind zwischen vierzehn und sechzehn Jahre alt. Schule und Eltern bestimmen den Alltag und geben den Rhythmus vor. Doch das wahre Leben beginnt für die Clique am Freitagabend, ihr Treffpunkt ist der Brunnen und die Freiheit dauert immer nur ein Wochenende lang. Melchior ist der Beste in der Klasse, seine Eltern vertrauen ihm und lassen ihn in Ruhe - so hat er auch allen Freiraum, die Geheimnisse der Liebe zu erforschen. Moritz dagegen steht permanent unter großem Druck. Er lernt bis zur Erschöpfung, um seine Versetzung nicht zu gefährden und seinen strengen Vater nicht zu enttäuschen. Alles macht ihm Angst, die Mädchen verwirren ihn und seine Zukunft erscheint ihm mehr als ungewiss. Moritz vertraut sich Melchior an, doch der hat kein wirkliches Gespür für die Not seines Freundes. Denn Melchior trifft sich heimlich mit Wendla und schläft mit ihr. Danach ist nichts mehr, wie es vorher war: Wendla wird schwanger und ist damit genauso überfordert wie Melchior. Moritz schafft die Versetzung nicht. Verzweifelt und von allen im Stich gelassen, begeht er Selbstmord. Melchior flüchtet - vor Wendla, der Verantwortung und der Trauer um den Freund. Mit dem Wunsch, alles hinter sich zu lassen, tut Melchior den ersten Schritt in sein eigenes Leben.
Genau 100 Jahre nach der Uraufführung von Frank Wedekinds Frühlings Erwachen hat der Autor, Film- und Theaterregisseur Nuran David Calis seine eigene Fassung der sogenannten Kindertragödie geschrieben und am schauspielhannover inszeniert. Calis bleibt nah bei Wedekinds Figuren und ihrer Geschichte, orientiert sich jedoch an der Lebenswirklichkeit heutiger Jugendlicher - an ihren Idealen und Nöten, Sehnsüchten und Wünschen, ihrer Sprache und Musik. (Ankündigung des schauspielhannover)

Theater
Carlo Goldoni, Nuran David Calis

Zoff in Chioggia

4 D, 7 H

Irgendwo steht das Chioggia, ein schäbiges Restaurant. Seine guten Tage hat es hinter sich. Da können sie noch so viel arbeiten, die Familien Toni und Pari. Da wird sich nichts ändern. Zumal die sich alle ununterbrochen streiten. Die Männer und Frauen, die Alten und Jungen, selbst die Verliebten und Verlobten. Weil Titta Nane und Lucietta, die könnten eigentlich glücklich sein. Doch die Lucietta, die will weg, wenn sie verheiratet sind. Und der Titta Nane, der will eigentlich den Laden übernehmen und bleiben. Das kann nur Streit geben. Und Neid. Und Begehrlichkeiten. Und Intrigen. Und Missverständnisse. Und Tränen. Und alle machen mit. Denn das können alle gut, das war schon immer so und wird immer so bleiben. Als dann alles doch gut werden könnte, da will die Lucietta auf einmal bleiben und der Titta Nane weg. Und alles geht wieder von vorne los…

Nuran Calis hat eine rasante, zeitpolitische Commedia dell´arte geschrieben. Sich lose an Raum und Personal des Originals orientierend, hat er mit dem Chioggia eine Metapher für wegbrechende Sicherheiten geschaffen. Durchgängig stellen sich seine Figuren die Frage nach Lösungen für ein Aufhalten des Verfalls. Die Antwort scheint einfach: Gemeinsam sind wir stark. Doch für die Chioggias ist das eine der schwersten Anforderungen. Warum nicht lieber gehen und das Glück woanders suchen? Warum gemeinsam für eine ungewisse Zukunft kämpfen? Wofür? Die Antworten weiß keiner. Aber vielleicht ahnen sie etwas, vielleicht wittern sie etwas, vielleicht riechen sie ihn schon - den arabischer Frühling!

Theater
Nuran David Calis

Kuffar. Die Gottesleugner

2 D, 3 H

Das Stück erzählt die Geschichte von Ismet und Ayse und der Radikalisierung ihres gemeinsamen Sohnes Hakan. Dabei spannt das Stück einen Bogen von den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in der Türkei - ausgehend von den 60er Jahren über die Zeit im September 1980 kurz vor dem Militärputsch in der Türkei bis ins heutige Deutschland.
Ismet und Ayse wachsen in der Türkei auf, sie verlieben sich und planen ein gemeinsames Leben in Zeiten des Auf- und Umbruchs. Ismet ist politisch aktiv, er kann gut schreiben, er hat eine kleine Schreibmaschine deshalb bietet er seine Dienste auf dem Taksim Platz in Istanbul jenen an, die nicht lesen und schreiben können. Für einen Moment scheint die Freiheit greifbar nah, aber dann fallen Schüsse, die Träume von einem freien Leben werden brutal zerstört. Ayse ist schwanger, sie und Ismet sind in Gefahr. Also verlassen sie die Türkei, ziehen ins ferne Deutschland, um ihrem Sohn eine sichere Zukunft bieten zu können.
Dreißig Jahre später ist Hakan erwachsen. Zunehmend verschließt er sich, zieht sich in sein Zimmer zurück, wendet sich der Religion zu und entfremdet sich von den Eltern, die nun zusehen müssen, wie ihre Vergangenheit sie in ihren eigenen vier Wänden einholt.

In "Kuffar. Die Gottesleugner" untersucht Nuran Calis in einer aufwühlenden Mischung aus Poesie, Brutalität und Komik die schwierige Frage nach der jeweils richtigen Lebensentscheidung. Und ab wann eine richtige Entscheidung Gefahr läuft, in die völlig falsche Richtung zu führen.

Digitales Textbuch