Theater

Reto Finger

Einer wie ich würde mich vom Springen auch nicht abhalten

Rein theoretisch betrachtet haben Paul und Jule nach der Scheidung eine sehr erwachsene Lösung für ihre Fürsorgepflicht gegenüber dem Kind gefunden. Sie wohnen in getrennten Wohnungen, aber auf dem gleichen Stockwerk. Das Kind kann nach Belieben bei jedem Elternteil ein-, aber auch ausgehen. Drei Monate währt nun schon diese juristische Glanzleistung. Das ist ein Grund zum Feiern. Paul lädt auf dem Dach des Hauses zum Fest. Doch der Abend verläuft anders als geplant. Daran sind nicht nur die von ihrem Exmann genervte Jule und der erst bei juristischer Bedürftigkeit wieder ausgegrabene Schulfreund Ingo schuld. Denn neben Herrn Schlegel findet sich auch ein gänzlich stummer Gast ein, dessen Sprachlosigkeit am äußersten Rande der Dachterrasse offenbarungsstimulierend wirkt. Am Ende dieser protokollierten Nacht ist nichts mehr wie es war. Das Arrangement geplatzt, die Freiheit eine Illusion und das Leben offensichtlich nicht paragraphengefügig.

Reto Finger hat in diesem Stück eine meisterhafte Beobachtung über das Leben der Mittdreißiger angestellt. Mit glasklarem Blick und feinem Humor sondiert er sorgfältig die Sehnsüchte einer Gesellschaft, die sich mit dem Überfluss der Möglichkeiten auseinander setzen muss.


1 D, 4 H

UA: 07.05.2007 · Schauspiel Essen · Regie: Annette Pullen

Kritiken

Frankfurter Rundschau

"Jeder hat seinen Monolog, seine Seelenentblößungsarie, die Reto Finger poetisch pointiert. Mit leichter Hand verwebt der Schweizer Dramatiker, Jahrgang 1972, diese konzentrierten Texte mit realistischen Dialogen. Das Stück schwebt zwischen absurdem Theater und authentischen Seelenstudien."

Frankfurter Rundschau

"Jeder hat seinen Monolog, seine Seelenentblößungsarie, die Reto Finger poetisch pointiert. Mit leichter Hand verwebt der Schweizer Dramatiker, Jahrgang 1972, diese konzentrierten Texte mit realistischen Dialogen. Das Stück schwebt zwischen absurdem Theater und authentischen Seelenstudien."

Aufführungsarchiv

03
Mai 2007
Reto Finger

Einer wie ich würde mich vom Springen auch nicht abhalten

Theater
UA
Regie Annette Pullen

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Theater
Reto Finger

Vorstellungen und Instinkte

2 D, 3 H

Es gab einen Moment in ihrem Leben, da waren sie füreinander geschaffen. Sie waren sich sehr nahe, verstanden sich gut, und es gab Grund zur Annahme, dass sie einen Partner für’s Leben gefunden hatten: Anna und Hans. Sie heirateten und krönten ihr Zusammensein mit einem Kind. Einzigartig. Doch mit dem zweiten Kind kommt die Unzufriedenheit: Hans hat die Vision von einer neuen Gesellschaftsform, weg von der Kleinfamilie. Seine konkrete Suche nach einem Ort und Gleichgesinnten, führt zu einer schweren Beziehungskrise. Anna fühlt sich und die Kinder verraten. Das suggerierte neue Glück widerspricht ihrem Lebensentwurf: Statt Monogamie Polygamie, statt Kleinbürgertum Autonomie und Freiheit in der Kommune. Die Ehe scheitert zwangsläufig. Es beginnt die lange Geschichte einer Trennung.

Hans und Anna setzen sich ein Leben lang mit dem Großen und dem vermeintlich Kleinen, den Hoffnungen und den Enttäuschungen, den Vorstellungen und den Instinkten auseinander. Und darüber hinaus geht es um die Suche nach einer besseren Gesellschaftsform, um die Unfähigkeit, einen anderen Menschen zu verstehen, um Erfahrungen und Fehler und die schmerzhafte Erkenntnis, dass ein Leben nicht immer reicht, um alles zu verzeihen.

„Wenn man von einer Moral der Geschichte sprechen will, ist es angebracht, auf die Kunst des Dichters zu schauen. In Reto Fingers Stücken vermitteln sich die Figuren über die Bilder, und die Bilder scheinen durch die Worte hindurch.“ Feridun Zaimoglu

Theater
Reto Finger

Hans im Glück

2 D, 3 H

Homo Hans hat gekündigt, um sich selbständig zu machen. Das macht ihn richtig glücklich. Homo Hans geigt potentiellen Investoren mal so richtig seine Meinung. Das macht ihn auch glücklich. Aber arbeitslos. Homo Hans entzieht sich Frau und Kind. Das macht ihn zumindest weniger unglücklich. Aber irgendwie ist er auch nicht mehr ganz dicht. Da läuft was aus ihm raus, da läuft etwas verkehrt in seinem Leben. Zweifelsohne.

"Sieben Jahre hat Hans gearbeitet. Für seine Verdienste erhält er einen Klumpen Gold. Diesen tauscht er mehrfach, bis ihm schließlich nur noch ein Schleifstein bleibt. In dem bekannten Märchen, das sich auch in den Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm findet, werden der Unterschied zwischen Haben und Sein, die Kunst des Loslassens und die daraus resultierende innere Freiheit verhandelt. Denn auch wenn sich der materielle Wert bei Hansens Tauschgeschäften zusehends verringert, wird er doch zusehends glücklicher.
Reto Finger hat für das Bochumer Ensemble eine moderne Adaption des Hans im Glück-Stoffes geschrieben. Homo Hans kündigt seine Festanstellung und erprobt sich in der Selbständigkeit. Doch das ihn umgebende Höher-Schneller-Weiter-Streben erscheint ihm immer absurder. Stück für Stück steigt Hans aus der Welt aus und begibt sich auf die Suche nach seinem persönlichen Glück." (Ankündigung Schauspielhaus Bochum)

Für Hans im Glück erhielt Reto Finger 2016 den Literaturpreis der Stadt Bern in Höhe von 10 000 Schweizer Franken.

Digitales Textbuch