Theater

Alexander Widner

Gras dem Vieh und Fleisch den Menschen

Spiel in 3 Sätzen

Das Leben als Wahn, der Mensch und seine Selbsterhaltung: Widner schickt in seinem neuen Stück vier Stegreifkomödianten in ein geistreiches, tragi-komisches Worthülsengefecht. Diese Veteranen mit Revoluzzerposen und Zeitgenossen der Zukunft zelebrieren ihre bissigen Pointen und Anekdoten über die Freuden der Zivilisation: Unterhosengeschichten, der glückliche homo religiosus, Leben auf Europa, der Orgasmus als ein Welterfolg, der Orgasmus als Gottesbeweis, der Tod als Zwischenfall und das Brot der Armen ... Mit desillusionierender Skepsis und spöttischem Eigensinn ziehen sie eine Bilanz auf die Schwächen und ganz alltäglichen Auflösungserscheinungen einer Gesellschaft. Den Willen zur Gesellschaftsänderung - "die Menschhaftigkeit leugnen, die Tagtäglichkeit nützen, die Alphabetisierung rückgängig machen, die Rudelgänger ausschließen... " - skizziert Widner mit Leichtigkeit als parodistische Geste mit anti-aufklärerischem Impetus.

Schlichte Gemüter in einer Spirale von Dauergerede: Widner montiert aphoristische Sentenzen, improvisierte Dialoge, Paraphrasen und absurde Wortspiele zu einem stürmischen Streichquartett für vier Stimmen, "eine Fingerübung für virtuose Darsteller" (Widner).


1 D, 3 H, 1 Dek

UA: 03.03.1999 · Klagenfurter Ensemble · Regie: Maximilian Achatz

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Theater
Alexander Widner

Sergej

8 D, 5 H, Verwandlungsdek

Sergej ist einer wie Udo Proksch, der seit acht Jahren in der Grazer Justizanstalt Karlau einsitzt. Der "Fall Lucon" liegt am Schnittpunkt von österreichischem Wahn und deutscher Geschichte. Mit diesen Ingredienzen eskalierte der unaufhaltsame Aufstieg des "Demel-Napoleons" zur Staatskrise. "Draußen herrscht Krieg", sagt Proksch. Er fühlt sich als Kriegsgefangener und wird in der Karlau "General" genannt.
Proksch hasst das Theater und blickt auf ein Leben zurück, das Stoff für das Theater bietet. Sergej ist aber weder Dokumentartheater noch dramatisierte Biographie, sondern erzählt von einem, wie Proksch einer ist:
"Als mein Vater heimkam aus dem Krieg, habe ich aufgehört zu wachsen. Das war meine Art des Protestes gegen das Zugrundegehen von Systemen und den an sie glaubenden Menschen. Ich bin exakt so groß, wie ich bei Kriegsende war. Der Krieg muss weitergehen. Ich will wieder wachsen. Schon als Bub habe ich Krieg geführt. Damals habe ich Goldfische liquidiert. Wir müssen uns wieder das Abenteuer selbst suchen. Für Generationen war das keine Frage. Die hatten immer Kriege. Jede Generation ihren schönen eigenen. Lebensdauer ungewiss. Wir sind die erste Generation, die das ganze Leben durchstehen muss. Krieg, wir brauchen den Krieg, wie unsere Väter, unsere Heldenväter."
Luxus, Korruption, Huren und Aktienpakete sind die Waffen, mit denen der mächtige Industrieideologe Kron seine Krieg führt. "Man muss so schweinisch sein wie der Staat, um ihm beizukommen. Und dann noch schweinischer, um ihn zu überholen. Auf seinen eigenen Vehikeln. Dieses Land ist zum Speien, aber ich bleibe hier. Nicht weil ich es so liebe. Ich möchte es ausrauben. Diese Republik bringt sich fort und wurschtelt sich fort, obwohl sie kaum noch existiert. Der Pfusch der Welt. Der Weltenpfusch."

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