Theater

Albert Ostermaier

Superspreader

Marcel ist Berater, Vielflieger, ein Highperformer. Seine zahlreichen Businesstrips haben ihn mehrfach um die ganze Welt geführt, von Flughafen zu Flughafen, immer unter Strom, eine Existenz in Eile, kaum angekommen, schon wieder unterwegs. Bis er plötzlich festsitzt in Quarantäne in Wuhan. Denn ein Virus ist unterwegs, und zwar mit ähnlicher Effizienz wie Marcel und ebenso verwandlungsfähig. Wie im Fiebertraum springt Marcel durch Zeit und Raum. Erinnerungs-Flashs an eine Kindheit voller Demütigungen wechseln sich ab mit Schilderungen von finsteren Orten der Ausbeutung von Mensch und Tier. Schlachthöfe, exotische Märkte – überall, wo das Virus war, war auch Marcel auf seiner Reise. Oder ist es eine Flucht? Denn wer ist Marcel eigentlich? Ist er Patient-Null, der als Superspreader im Auftrag des Virus unterwegs ist irgendwo zwischen Größenwahn und Gier, Rachlust und unendlicher Verlorenheit? Ein dystopischer Optimierer auf seinem apokalyptischen Ritt über die globalen Finanzmärkte?
Albert Ostermaier lässt seinen ruhelosen Protagonisten mit irrsiniger Sprachlust durch einen fulminanten Text rasen. An jedem Satzende entzündet sich ein neuer Gedanke, eine phantastische Assoziationskette infiziert die nächste: ein mitreißender Monolog voller hochansteckender Energie.

1 H

UA: 10.3.2021 · Théâtre National du Luxembourg · Regie: Rafael Sanchez

Übersetzt in English

Kritiken

Süddeutsche Zeitung

„Jedes Wort kann hier das Sprungbrett für den nächsten Gedanken sein, es ist fast ein bisschen wie bei Elfriede Jelinek. Sprachbilder mutieren wie Viren und fügen sich zu einem manischen Assoziationsstrudel, ansteckungsgefährlich.“

Deutschlandfunk

„Mit der sprachlichen Genauigkeit des Lyrikers mäandert Albert Ostermaiers Monolog durch die apokalyptischen Abgründe unserer Gegenwart, die sich durch die Schlaglichter, die die gegenwärtige Pandemie wirft, auf eigentümliche Weise aufgrellen lassen.“

Süddeutsche Zeitung

„Jedes Wort kann hier das Sprungbrett für den nächsten Gedanken sein, es ist fast ein bisschen wie bei Elfriede Jelinek. Sprachbilder mutieren wie Viren und fügen sich zu einem manischen Assoziationsstrudel, ansteckungsgefährlich.“

Deutschlandfunk

„Mit der sprachlichen Genauigkeit des Lyrikers mäandert Albert Ostermaiers Monolog durch die apokalyptischen Abgründe unserer Gegenwart, die sich durch die Schlaglichter, die die gegenwärtige Pandemie wirft, auf eigentümliche Weise aufgrellen lassen.“

Aufführungsarchiv

09
März 2021
Albert Ostermaier

Superspreader

Theater
UA
Regie Rafael Sanchez

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Albert Ostermaier

Stahltier

1 D, 1 H

Willy Zielke ist in den 1920er Jahren ein junger, aufstrebender Regisseur und Pionierfotograf. Nach seinem ersten Film “Stahltier” wird er von Leni Riefenstahl und dem Nazi-Regime für ihre Olympia-Filme rekrutiert und benutzt. Riefenstahl macht sich seine Kunst zu eigen. Als er ihr zu gefährlich für ihre Karriere wird, lässt sie ihn wegsperren in die Psychiatrie, wo er als schizophren diagnostiziert und zwangssterilisiert wird. Fünf Jahre später holt sie ihn zurück aus der Anstalt, denn sie braucht ihn für ihren Film “Tiefland”. Später wird sie aussagen, nicht an der Einweisung Zielkes beteiligt gewesen zu sein, und mehr noch: nichts von der späteren Ermordung der Menschen gewusst zu haben, die sie als Komparsen für ihren Film aus den Lagern geholt hat.
Willy Zielke will Leni Riefenstahl aus sich rausschneiden. Sie ist die Frau, die sich ihn einverleibt hat, die ihn ausgesaugt und sich seine Kunst zu eigen gemacht hat. In einem Exorzismus-Ritual beschwört er noch einmal die Bilder herauf, die zeigen, wie Riefenstahl zusammen mit Goebbels ihren perfiden Plan geschmiedet hat.
Im Filmvorführraum im Reichspropagandaministerium schauen Leni Riefenstahl und Josef Goebbels sich “Das Stahltier” an, Zielkes düsteres, expressionistisch-avantgardistisches Meisterwerk, das Goebbels eigentlich verboten hat. Während der Film läuft, läuft der wahre Film zwischen den beiden ab, das Böse in Nahaufnahme, ein Close-up auf die Mechanismen der Macht.
In teils alptraumhaften Sequenzen führt uns Schnitt von Goebbels‘ Heimkino aufs Filmset und in den blutigen OP Saal und macht uns zum Zeugen von Zielkes innerer Rekapitulation der grausamen Geschichte um die Zerstörung seines Körpers und seines Werkes.

UA Frei
Theater
Albert Ostermaier

Das heilige Spiel

1 H

Der Dichter und Regisseur Pier Paolo Pasolini war ein leidenschaftlicher Fußballer, der die universelle Dimension des Fußballs sah und besang. Für ihn lag im Fußball die Möglichkeit einer idealen Welt. Ob in den Stadien oder auf den staubigen Plätzen der Vorstädte, das Spiel war eine Messe, der Ball das Objekt der innigsten Liebe. Die Spieler konnten Helden oder Götter werden – ohne Ansehen von Herkunft oder Status. Fußball als der wahre Kommunismus?
In seinem hochpoetischen Monolog trägt Albert Ostermaier Pasolinis Leidenschaft weiter. Und erzählt von einer fast religiösen Hingabe an das Spiel. Und von den Träumen der jungen Spieler von Aufstieg, Ruhm und Ehre, die zu platzen drohen, an unmenschlichem Druck und unerfüllbaren Erwartungen. Und an Liebe, die nicht sein darf. Denn nicht nur die Liebe zum Ball glüht in den Herzen der jungen Männer, sondern auch manchmal zueinander. Auch wenn die Liebe zum Fußball eine sehr männliche ist, ist Männerliebe im Fußball immer ein Tabu. Und so werden immer noch Herzen und Körper junger Spieler auf dem Altar der “Kirche der Armen” dem Geld geopfert, denn „was sind die Manager der Vereine anderes als die Priester des Kapitalismus?“
Eine eindringliche Reflexion über die Widersprüche des Fußballs und gleichzeitig eine heiße Liebeserklärung an den Ball und den Fußballspieler Pier Paolo Pasolini.


fussball ist ein männersport sagen sie
fussball ist ein sport in dem männer männer lieben
sage ich

Theater
Albert Ostermaier

Gold. Der Film der Nibelungen

6 D, 10 H, Stat.

Scheinwerfer durchschneiden die Nacht. Dreharbeiten vor dem ausgeleuchteten Wormser Dom. Der erfolgreiche Filmproduzent Konstantin Trauer will seinen Lebenstraum erfüllen und den 'Film der Nibelungen' drehen. Er ist immer wieder an dem ehrgeizigen Projekt gescheitert, doch jetzt will er es allen beweisen und nicht weniger als Filmgeschichte schreiben. Was er allen verheimlicht: Viel Zeit bleibt ihm nicht, eine tödliche Krankheit wütet in ihm und seine Produktionsfirma steht kurz vor dem Konkurs. Dieser abschließende Nachtdreh ist Trauers letzte Chance. Für die Verwirklichung seiner Idee hätte er sich niemand besseren aussuchen können als den exzentrisch-genialen Regie-Shootingstar Arsenij Kubik, der alle an die Grenzen des Wahnsinns treibt. Nicht zuletzt die Schauspielstars, die Trauer ihm aufgedrückt hat und die Kubik in Konkurrenz zu seiner auf ihn eingeschworenen Truppe setzt. Die Stimmung ist explosiv, jeder intrigiert gegen jeden, jeder hat etwas zu verbergen und zu verlieren. Liebe, Rache, Gewalt, Tod und Leidenschaft: Das Nibelungenlied wird zum geheimen Drehplan dieser Nacht. Auch die Wirklichkeit macht nicht Halt vor dem Filmteam: Flüchtlingsströme erreichen die Stadt, den Park, die Bühne. Und nicht nur im Streit der Königinnen eskaliert das Drama vor dem Dom.
GOLD erzählt von Dreharbeiten außer Rand und Band. Erzählt von einem Filmteam, das sich liebt und hasst, zerfleischt und küsst, während alles rettungslos auf ein Finale zuläuft, in dem nicht nur eine Bombe platzt. Man sieht das irrwitzige Theater, das entsteht, wenn ein Film gedreht wird und das wildes Ineinandergreifen von Theater und Film, Nibelungen und Noir. Es ist eine Kamerafahrt in die Abgründe der Seele und Ängste, ein schonungsloses Close-Up unserer Gesellschaft.

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Albert Ostermaier

Glut

4 D, 10 H, 1 Kind, Statisten

Ein Zug, mitten im Orient auf dem Weg durch die Wüste, hin zu den persischen Ölfeldern der Briten. In einem Extra-Waggon der Wanderzirkus 'Notung': Artisten, Feuerschlucker, Sänger, Musiker, Hellseher, Herzensbrecher, eingehüllt in Kaftane. Sie spiele die Geschichte der Nibelungen und reisen als deren Helden, Siegfried, König Gunther, Hagen oder Brünhild. Eine Gauklertruppe, denkt man zuerst, aber verborgen unter Koffern voller Kostüme, ist der ganze Zug voller Waffen und Sprengstoff. Denn diese Nibelungenhelden sind getarnte deutsche Offiziere, Agenten im Jahr 1915, mitten im ersten Weltkrieg. Unter Führung des Hauptmanns Klein haben sie den Auftrag, die britischen Ölquellen in Persien in die Luft zu sprengen, Perserstämme zum Aufstand zu bewegen und das Empire empfindlich zu schwächen. Kleins Nibelungenzirkus muss umringt von Feinden auftreten. Wenn die Tarnung fällt, fällt auch ihr Leben.

Glut beruht auf einer historischen Begebenheit. Geschickt verwebt der Autor den Nibelungenstoff mit einem fast unbekannten Kapitel deutscher Geschichte. Die Zugfahrt ist eine Orient-Express-Reise der verrücktesten Art: voller Anarchie, Witz, politischen Intrigen und doppelten Böden. Denn so wie Hauptmann Klein und seine falschen Helden in einer grotesken Travestie auf geheimer Mission mit offenem Ausgang durch den Orient ziehen, waren die echten Nibelungen auf dem Weg von Burgund zum Hof König Etzels unterwegs, wo im Nibelungelied am Ende nicht nur die gemeinsame Tafel auf sie wartet, sondern auch ihr Untergang.
(Ankündigung der Nibelungenfestspiele)

Theater
Albert Ostermaier

Parlez-Moi D'Amour

3 D, 4 H

Roland Barthes hält ein Seminar. Mit auserwählten Studenten spricht er über Goethes Werther und die Sprache der Liebe. Es ist ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, das den Diskurs prägt, die Schüler hängen an den Lippen ihres berühmten Lehrers und von seinen Worten ab. Und natürlich machen Eifersüchteleien und Flirts den Seminarraum zu einem Ort des Wetteiferns: Wer wird gesehen, wer gehört dazu. Der Diskurs wird körperlich, der Gedanke wird zur Berührung. Wie Barthes sagt: Das Begehren zirkuliert. Und überschreitet dabei fließend Grenzen zwischen literarischem und sexuellem Experimentieren, zwischen Bewunderung und Abhängigkeit. Es entsteht ein unscharfer, an den Rändern offener Raum, in dem sich pädagogische Beziehungen, literarisches und erotisches Experimentieren zu einer gefährlichen Gemengelage mischen, denn toxische Machtverhältnisse machen Ausbeutung, Belästigung und schließlich Missbrauch möglich.
Ein Seminar wie es mit dem heutigen Bewusstsein von #MeToo unvorstellbar ist.

Über all dem schreibt sich ein weiterer Diskurs fort und in das Seminar hinein: der zwischen Roland Barthes und seiner geliebten Mutter, die schwer erkrankt ist und bald sterben wird. Das Seminar buchstabiert gemeinsam ein Alphabet der Liebe. Das Kollektiv als Heilmittel gegen die traurige Realität, „dass der Diskurs der Liebe heute von extremer Einsamkeit ist“.
Das Seminar buchstabiert gemeinsam ein Alphabet der Liebe. Das Kollektiv als Heilmittel gegen die traurige Realität, „dass der Diskurs der Liebe heute von extremer Einsamkeit ist“.


Achtung: Das Stück ist in der Entstehung und kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verschickt werden!

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Albert Ostermaier

Zum Sisyphos. Ein Abendmahl

1 H

Ein leeres Wirtshaus: ‘Zum Jedermann‘. Schwere, dunkle Holztische. Auf einigen Tischen stehen die Stühle oben, auf anderen nicht. In der Mitte der Wirtschaft sitzt allein an seinem Stammtisch der Wirt, im Sonntagsstaat, wie man so sagt. Kein Gast sonst weit und breit, kein Laut, nur der Wirt, der redet. Wie um sein Leben. Schimpft. Über unverschämte Gäste. Über die Ungeduldigen, die nicht warten können auf einen Tisch, sondern sich gleich hinsetzen ohne zu fragen. Die Dummen, die nach lactosefreier Milch für den Kaffee rufen, aber dann einen besonders großen Topfenstrudel dazu verschlingen. Über die Unkultivierten, die Schmarotzer und die Billigesser. Dabei wird von den Gästen doch wirklich nicht viel verlangt. „Grüßen, bestellen, zahlen, Danke und Auf Wiedersehen!“ Stattdessen plumpes Benehmen, freche Extrawünsche und Geiz beim Trinkgeld. Und kaum ein Gast hat noch Sinn für die große Küchenkunst im 'Jedermann'. Da ist nur Gleichgültigkeit gegen die Liebe, mit der hier das Kalbshirn geröstet wird und keine Ahnung von der Süße, die die Salzburger Nockerln haben müssen. Da muss man verzweifeln als Wirt, verzweifeln über das Wirtshaus und über die Welt, über die Gäste, über das Leben und den Tod.

„Das Wirtshaus ist meine Welt. Auch wenn ich immer schon gesagt habe, dass die Gäste der Weltuntergang sind! Also wir! Ein jeder von uns ist ein Weltuntergang und sucht seinen Wirt und sucht sich sein Wirtshaus aus.“

Albert Ostermaiers Wirt hat Hofmannsthal und Handtke gelesen und schimpft seine Gäste in schönster Thomas-Bernhard-Tradition aus. Ein abgründiger Monolog, bitterböse und komisch, direkt aus dem finsteren Herzen des Wirtshauses ‘Zum Jedermann‘.

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