Roland Schimmelpfennig

Ambrosia
Satyrspiel
3 D, 7 H
UA: 24.09.2005 · Schauspiel Essen · Regie: Anselm Weber
Eine Kneipe kurz vor der Sperrstunde. Zehn Menschen, die sitzen, trinken und reden. Es ist keine Vereinssitzung, keine Geburtstagsfeier und kein Firmenjubiläum. Trotzdem bleiben sie bis in den Morgen, auch wenn sie einander eigentlich nicht leiden können. Sie sind nicht die Ausgegrenzten, nicht die ökonomisch Gescheiterten. Sie sind verheiratet, haben Arbeit, eine Alterversorgung und einige von ihnen sogar Kinder. Sie trinken - nicht um zu vergessen, sondern weil sie es sich leisten können. Sie sind die Stützen der Gesellschaft, die Wirtschaftswundergeneration oder zumindest deren geistige Erben, die die Republik kennen und sich sicher darin bewegen, auch wenn sonst alles still steht.
"Was gilt es zu beklagen im Aufschwung", sagt einer von ihnen und will damit eigentlich sagen: "Es geht uns gar nicht so schlecht". Dass sich das rächen könnte, ahnt diffus ein anderer, aber der Gedanke ist so schnell hinuntergespült, wie er in den Kopf kam. So sitzen sie also, einem Rat der Götter gleich, und machen die Kneipe zum Olymp, bis sie fliegen können wie Ikarus.
Wer redet, hat Recht, als reden sie, komisch und vulgär, sie schreien, rülpsen, kreischen, und manchmal singen sie herzzerreißend. Ganz am Ende, wenn auch das letzte Glas geleert ist, blitzt sogar so etwas wie Liebe auf. Doch zu spät: Längst sind auch Amor und Eros im Alkohol ertrunken. Denn, so weiß die Kellnerin, die engelsgleich und sehend die Trinkenden doch nicht zu retten vermag: "Das ist ja das Schlimme an dem Gewerbe der Gastronomie: dass wir davon leben müssen, die zu vergiften, die uns so am Herzen liegen!" (Ankündigung Schauspiel Essen)
Übersetzt in: Czech, Spanish