Pinkas Braun

Theater
Edward Albee

Alles vorbei

Deutsch von Pinkas Braun
4 D, 6 H, 1 Dek

Ein Mann liegt im Sterben. Seine Ehefrau, die beiden erwachsenen Kinder, seine langjährige Geliebte und sein bester Freund, wiederum ein Ex-Liebhaber seiner Frau, haben sich im Zimmer versammelt - eine explosive Konstellation in einem tragischen Moment. Doch anders als man meinen sollte, wissen die beiden Frauen die Distanz zu wahren, sie verstehen sich sogar ausnehmend gut. Nur in dem Punkt, wer über die Beerdigungszeremonie bestimmen darf, sind sie uneinig. Ansonsten herrscht in Erwartung des Todes nüchterne Gelassenheit vor. Ganz anders als bei dem Sohn und der Tochter, die ein "Leben in Abwehrstellung" führen: Konfrontiert mit dem Vorwurf, es nur zu einer unbedeutenden, nichtssagenden Existenz gebracht zu haben, ist ihre Stimmung gereizt, mitunter aggressiv. Sie sehnen das Ableben des Vaters herbei. Endlich würden sich die Familienbande lösen, endlich wären sie frei. Womöglich hätte auch die "Sitte des Hauses", dass man am Ende eines Streits immer an den Ausgangspunkt zurückkehrt, ein Ende.
Verdammt zum Nichtstun, rekapitulieren die Versammelten Abschnitte ihres Lebens, beiläufig die einen, erregt bis zum Verstummen die anderen: der beste Freund, der seine Frau in die Psychiatrie einweisen ließ; die Geliebte, die sich nach den Ritualen, wie sie eine Ehefrau erlebt, sehnte; die Tochter, die von ihrem Mann geschlagen wird. Je länger das Sterben dauert, desto stärker wird auch die Angst vor der Endgültigkeit. Dagegen reden sie an, bis die Ehefrau die erdrückende Fatalität in ein echtes Gefühl zu verwandeln mag.

Theater
Edward Albee

Malcolm

Deutsch von Pinkas Braun
4 D, 11 H, Verwandlungsdek

Seit Monaten wartet Malcolm vor der Bank eines Hotels auf seinen verschwundenen Vater. Er ist jung, schön, unbedarft und wie ein Schwamm, der alles aufsaugt, ohne es zu hinterfragen. Die perfekte Projektionsfläche für Wünsche aller Art. Cox, Spielmacher und Mitspieler in einem, reicht ihn herum. Malcolm hat überall Erfolg: beim uralten Kermit und seiner Frau Laureen; bei den reichen Girads; bei der Nutte Ethel, der Malerin Eloisa und dem Showstar Melba. Sie machen sich ein Bild von ihm, und er spielt bedingungslos mit. Für Mdme Girard, flankiert von vier Schönheitskönigen, ist er der neue Prinz. Eloisa hält ihn nicht nur für das schönste Modell, sondern lässt ihn auch gemeinsam mit ihrem Mann Jerome durch die Betten von Jazz-Musikern wandern. Das Portrait von ihm bringt ihr eine hohe Summe ein. Jerome erzielt mit dem Verkauf des "Originals" Malcolm weitaus weniger. Malcolm versteht diese Welt nicht. Er schreit nach seinem Vater. "Was soll aus mir werden?"
Melba bietet ihm die endgültige Antwort auf diese Frage. Sie macht den 15jährigen zu ihrem Mann, während die anderen sich streiten und neue Konstellationen bilden. Malcolm wird immer dünner, ausgezehrt vom Liebesspiel. Der Arzt diagnostiziert eine akute Alkoholvergiftung und sexuelle Hyperästhesie. Er stirbt. "Wir haben uns bemüht", sagen die, die nach seinen Bedürfnissen nie gefragt haben.

Ist man verloren, hängt man sich an alles. Albee geht ins Extrem, um über Menschen zu erzählen, die nicht wissen, woher und wohin und für die die Frage nach dem Sinn allein die Frage nach der Befriedigung von Wünschen ist. Egoistische Leidenschaft, der Mensch als Objekt - Oscar Wildes "Dorian Gray" ist nicht weit entfernt.

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