Theater

Wolfram Lotz

Der große Marsch

Gewinner des Publikumspreises und des Werkauftrags beim Berliner Stückemarkt 2010

„Die meisten Theaterleute sind (natürlich gibt es Ausnahmen) Arschgesichter.“ Mit dieser Zueignung beginnt der Autor seinen Großen Marsch durch alle erdenklichen Kapitalismuskritik-Klischees und festgefahrenen Sichtweisen, die sich so in den letzten Jahren auf dem Theater in Deutschland durchgesetzt haben und zum neuen Maßstab geworden sind. Am Ende gibt er die Sicht frei auf einen neuen, radikalen, anarchistischen, poetischen und auch ratlosen Blick auf die Welt, der alle Erwartungshaltungen an die Kunst und alle Standardisierungen eines politischen Diskurses abschütteln und neues Terrain erobern will.
Die Form des Stücks ist eine Revue, kraftvoll und extrem witzig. Durch den Abend führt eine aggressive, politisch korrekt verblödete Schauspielerin. Themen und Gäste sind unter anderem die RAF, Horst Mahler, Josef Ackermann, Arbeitgeberpräsident Hundt, Bakunin, Hamlet, Prometheus, der Autor selbst mitsamt seiner Mutter, „die Wirklichkeit“ in Form einer Gruppe von Sozialhilfeempfängern, der Wunsch nach Unsterblichkeit und ein wunderschönes, unspektakuläres Gedicht.
Lotz sprengt die Mittel des Machbaren und reizt das Theater mit all seinen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten aus. Seine eigenwillige Form erscheint beinahe unspielbar und zwingt jedes Regieteam zur kämpferischen Auseinandersetzung mit Autor und Text. Wer dieses Stück inszeniert, muss sich einiges einfallen lassen, im Grunde muss er das Theater neu erfinden. Das bereitet schon beim Lesen eine dermaßen große Lust, dass man sich auf alle Aufführungen freut, die da in den nächsten Jahren gewagt werden! (Falk Richter über Der große Marsch)

2010 Gewinner des Publikumspreises und des Werkauftrags beim Berliner Stückemarkt

2 D, 13 H, 1 Kind, 1 Gruppe echter Sozialhilfeempfänger, 21 mongoloide Kinder, 50 wunderschöne Frauen

UA: 20.5.2011 · Ruhrfestspiele Recklinghausen (Eine Produktion des Saarländischen Staatstheaters Saarbrücken) · Regie: Christoph Diem

Übersetzt in Czech, French

Aufführungsarchiv

20
Mai 2011
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
UA
Regie Christoph Diem
Theater Ruhrfestspiele Recklinghausen GmbH, Recklinghausen
26
Mai 2011
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
UA
Regie Christoph Diem
07
Oktober 2011
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
SEA
Regie Antje Schupp
Theater Theater Basel, Basel
09
Oktober 2011
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
Regie Simone Blattner
Theater Badisches Staatstheater, Karlsruhe
08
Februar 2013
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
Regie Sebastian Hartmann
Theater Schauspiel Leipzig, Leipzig
25
Januar 2014
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
Regie Fanny Brunner
Theater Theater Ulm, Ulm
07
Mai 2015
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
Regie Thorsten Bihegue
Theater Theater Aachen, Aachen
28
Januar 2016
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
Regie Katja Kendler
Theater Stadt Nürnberg, Nürnberg
17
Mai 2018
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
ÖEA
Regie Martina Gredler
Theater Burgtheater GmbH, Wien
21
Februar 2019
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
Regie Stephan Kasimir
08
Juni 2019
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
Regie Josef Maria Krasanovsky
Theater klagenfurter ensemble, Klagenfurt
07
Dezember 2019
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
Regie Wiebke Rüter
Theater Staatstheater Cottbus, Cottbus
02
Juli 2022
Wolfram Lotz

Der große Marsch

Theater
Regie Yvonne Kespohl
Theater Pfalztheater Kaiserslautern, Kaiserslautern

Weitere Stücke

Alle Stücke
Theater
Wolfram Lotz

Heilige Schrift I

frei zu besetzen

In die HEILIGE SCHRIFT I begibt sich Wolfram Lotz auf eine irrsinnige Reise in seinen eigenen Kopf. Auf der Suche nach dem Kern des Schreibens, nach dem Sinn von Kunst und der Frage danach, was als solche überhaupt zu bezeichnen wäre, irrt er in diesem Tagebuchfragment durch sein eigenes Leben und versucht, die Botschaften zu entschlüsseln, die sein Umfeld ihm bewusst oder unbewusst sendet. Hierzu befragt der Autor sich und seine Wahrnehmung unentwegt selbst, verwandelt sich in Miley Cyrus und Peter Handke und beschreibt schöne Momente und traurige, frustrierende, ausweglose, irritierende und widersprüchliche – indem er sie mit sprachlichen Schlaglichtern ganz kurz erhellt, um sie dann wieder ins Dunkel zu tauchen, so flüchtig wie Kellerasseln, die in Bewegung geraten, wenn das Licht auf sie fällt, um dann sofort wieder verschwunden zu sein.

In der Flüchtigkeit dieser Beschreibungen liegt eine fragile Schönheit, der nur schwer zu entkommen ist. Die Bilder, die Wolfram Lotz findet, sind größenwahnsinnig und bescheiden zugleich. Wie radikal muss der Anspruch eines Autors an sich selbst sein? Wie radikal der Anspruch an die Welt? Wolfram Lotz geht diesen Fragen in seinem 800-seitigen Tagebuch mit einer so verlockenden und humorvollen Leichtigkeit nach, dass erst nach und nach ins Bewusstsein sickert, welch bodenlose Abgründigkeit darunter lauert.

Die HEILIGE SCHRIFT I ist im April 2022 beim S. Fischer Verlag erschienen.



Theater
Wolfram Lotz

Einige Nachrichten an das All

3 D, 7 H, 1 Schauspieler mit spastischer Diplegie, 7 Kinder (Mehrfachbesetzung möglich)

Was ist die Handlung des Stücks?, fragen sich Lum und Purl Schweitzke, zwei kleine verkrüppelte Figuren, die sich nach einer Aufgabe sehnen; einem Grund, da zu sein. Sie beschließen: Ein gemeinsames Kind, dafür lohnt es sich zu leben. Schnell merken sie, dass sie ihr Schicksal nicht beeinflussen können, da ihr Leben in diesem Theaterstück festgeschrieben steht. Vielleicht kann der LdF, der Leiter des Fortgangs, helfen? Dieser gibt Personen aus Historie und Medien die Möglichkeit, ihre Botschaft über eine Apparatur ins All zu senden. Die sprachliche Verknappung ihrer Existenz, ein Wort, ein Leben. Oder hilft der Alleinerziehende Klaus Alberts, der um seine tote Tochter Hilda trauert? Oder der Forscher Rafinesque, vielleicht der Politiker Pofalla? Die wiedergeborene Hilda, der auferstandene Kleist? Sie alle aber sind nur die Protagonisten ihres eigenen Schmerzes und Scheiterns gegen die unerträglichen Regeln des Lebens – dagegen, dass man sterben muss, dass das All womöglich nur eine heillose Explosion ist. Lum und Purl Schweitzke sitzen und schauen und warten auf das Kind, das sie sich wünschen. Doch das Stück sieht keines vor für sie. Das Glück bleibt fern von diesem Ende, Purl Schweitzke erstickt sich selbst und lässt Lum einsam zurück, Kleist wird zum tiefverzweifelten Indianer – die Welt in Scherben, das Stück in Trümmern. „Weltraumschrott! / Alles, alles / Weltraumschrott!“ Wolfram Lotz begnügt sich nicht mit halben Sachen. Er provoziert, er zerlegt, er zerstört… und baut wieder neu zusammen. Der von der Lyrik kommende Autor begegnet dem Theater mit dem Blick des Außenstehenden und widersetzt sich konsequent den Gesetzen der klassischen Dramatik. In seinen Stücken spiegelt sich die Außenwelt in Splittern. Es gibt keine Tabus. Die Suche nach dem vermeintlichen Sinn des Lebens wird zum philosophischen Trash, in dem die Figuren gleichzeitig so zart und zärtlich blühen, dass die Furcht um ihre Vergänglichkeit allgegenwärtig wird.

Digitales Textbuch