Justine del Corte

DRAMA @ HOME Mikrodramen: QUARANTÄNE

 

 

Corona – April 2020

Berlin, Marzahn. Hochhäuser. Niemand auf der Straße, niemand draußen. Im 8. Stock eines
der Häuser steht ein alter Mann auf einem Balkon. Er trägt nur Unterhose und Hausschuhe.
Er ist in Hochstimmung.
Drinnen, in der Einzimmerwohnung, sitzt ein Junge, sein Enkel, etwa 17, auf einem braunen
Kordsofa und daddelt auf dem Handy rum.

 

Der alte Mann (ruft von seinem Balkon in die Welt)
Ich will eine Frau!

 

Der Junge (ohne von seinem Handy aufzuschauen)
Ist keine da, Opa.

 

Der alte Mann (ruft)
Ich will eine Frau! jault Eine Fraaaaau!

 

Der Junge
Da läuft keine rum. Keiner draußen. Alle drinnen. Komm rein jetzt, Opa.

 

Der alte Mann
Junge, ich will nicht alleine sterben, ich will nochmal richtig was losmachen. Ich merk das
jetzt erst so richtig – was ich alles noch erleben will. Ha, das ist ---- aaahhh ---- ich bin noch da!

 

(ruft wieder in die Welt hinaus)

 

Ich bin noch da! Es ist noch Leben in mir, ihr saftigen Frauen! Ich will eine Frau!
Was soll denn das am Leben bleiben, wenn man nicht am Leben ist? Oh, ihr prächtigen
Leiber, ihr wogenden Brüste, die großen und die kleinen, die wippenden und die drallen, ihr
Schöße, ihr warmen, ihr süßen, rosaroten, mein Zuhause! Ich will da drin zuhause sein!
Ich wollte da eigentlich NIE raus! Lasst mich da wieder rein, ihr Königinnen!

 

Der Junge
(schaut nur kurz auf)
Opa –

 

Der alte Mann
Mann, wie jetzt die Säfte in mir kommen, Mann, Junge, und es ist bald Ostern, Säfte, Säfte
und Wiederauferstehung! Leg Dein totes Telefon weg, lass Dich nicht verarschen, schmeiß
das Ding vom Balkon, komm raus hier, zeig der Welt, was Du Lebendiges hast!

 

(Der alte Mann zieht die Unterhose aus und steht nackt auf dem Balkon.)

 

Der alte Mann
Die Frau zeigt dem Mann den Weg zu Gott!
Zeigt mir, schöne Früchte, zeigt mir den Weg zu Gott!

 

Leise sirrende äolische Musik. Der alte Mann schaut nach oben. Ein Busen ex machina
kommt aus dem Himmel auf ihn zu. Rosa, kugelrund und gewaltig groß, leise lieblich sirrende
Musik, der Himmel strahlt rosa. Der alte Mann leuchtet vor Glück und hebt die Arme.

 

Der alte Mann (des Atems beraubt, im siebten Himmel)
Halleluja!

 

Die Brüste machen zwischen sich Platz, nehmen den alten Mann darin auf und pressen ihn
dann zwischen sich fest, er versinkt zwischen ihnen. Nur ein jubelndes Geräusch hört
man noch von ihm. Dann fliegt der Busen gen Himmel, eine Spur opalglänzender Säfte am
Himmel hinterlassend, die sich in glitzernde Tropfen auflöst, die zur Erde regnen. Weg ist der
alte Mann.

 

Der Junge (ohne aufzuschauen)
Es regnet, Opa, komm rein. Wegen Deiner Gesundheit.

 

Auf dem Balkon liegen eine Unterhose und zwei Hausschuhe.

© Rechte liegen bei der Autorin

Pro Tag wird ein Mikrodrama veröffentlicht. Auf unserer Website befinden sich die vollständigen Stücke zur Ansicht. Einen kleinen Vorgeschmack bieten die "Teaser" auf Instagram und Twitter. Gerne senden wir aber auch pdf-Dateien zu; einfach theater@fischerverlage.de anschreiben. Wir freuen uns über alle Filme, Bilder, Dokumentationen dieses dramatischen Experiments, die mit uns geteilt werden. #dasdramaverbindet #dasdramalebt #dankanalle


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