Mike Lew

Neu im Programm: TEENAGE DICK von Mike Lew

Das Stück TEENAGE DICK des amerikanischen Autors Mike Lew ist eine moderne Variation auf Shakespeares RICHARD III., in der der Schauplatz eine High School ist und der Kampf der um das Amt des Schulsprechers. Mike Lews Richard hat zerebrale Lähmung und erlebt soziale Ausgrenzung als Mensch mit Behinderung. Das Stück wirft viele Fragen rund um das Thema auf, wie die, ob eine Behinderung etwas ist, das man besser als „Einschränkung“ zu akzeptieren lernt oder etwas, das man stets versuchen soll zu überwinden? Barbara Neu stellt dieses bewegende und zutiefst augenöffnende Stück vor. 

 

RICHARD: „Nun, wo der Winter unseres Missvergnügens dem glorreichen Frühlingsfest weicht, treffen wir unseren dämlichen Helden Eddie, den Quarterback, der weiterhin sein Amt als Vorsitzender des Klassenrats des 11. Jahrgangs verpennt. …
Ich, Richard, bin Protokollführer des Klassenrats. Dritter hinter Eddie dem Vollpfosten und dem Gutmensch Clarissa, seiner Stellvertreterin. Naaaaaja. Zwar kann ich kein Football spielen, aber mitmischen kann ich. Die Klassenratswahl für den Abschlussjahrgang steht an, und durch diese Wahl werde ich aus meiner unrühmlichen Stellung emporsteigen. Nicht, indem ich auf Mitleids-Stimmen hoffe. Nicht, indem ich einen Wahlkampf führe. Sondern durch die systematische Zerstörung der Konkurrenz. Ich werde Clarissa UND Eddie ausstechen UND die Herrschaft über die ganze Schule erlangen.“ 

 

Mike Lews Jugendstück TEENAGE DICK ist eine Neuinterpretation von RICHARD III., die in einer modernen High School spielt. Wo Shakespeare zeigt, wie soziale Ausgrenzung einen brillanten, frustrierten König dazu bringt, abscheuliche Rache zu üben, ist Lews Richard ein cleverer 17-Jähriger, der beschließt, das Amt des Schulsprechers zu erlangen, indem er seinen Hauptgegner, Eddie, einen beliebten High School-Sportler, ausschaltet. Eine von Richards Taktiken ist es, Anne Margaret, Eddies Ex-Freundin, zu überreden, ihn zum Schulball zu begleiten. Er ist sich des Missverhältnisses durchaus bewusst: Anne Margaret ist die Königin der Schule, und er ist ein "behinderter Nerd", wie es sogar seine Freundin Barbara Buckingham ausdrückt. Er hat eine zerebrale Lähmung.

Ähnlich wie Richard Lady Anne verführt, um der Krone näher zu kommen, spielt Dick mit Anne Margarets Unsicherheit und liberalen Schuldgefühlen, um sie zu gewinnen. Sie erwärmt sich zunehmend für ihn, weiht ihn in die Freuden des Hip-Hop ein und als es zum großen Auftritt beim Schulball kommt, feiern die beiden einen stürmischen Triumph. Aber bald schon werden die Dinge düsterer, als Richard Annes Geheimnis, das sie ihm anvertraut hat - ihren Grund, die Beziehung mit Eddy zu beenden - für seine Ambitionen preisgibt und damit Schreckliches auslöst.

Es ist dem Autor ein zentrales Anliegen, dass sowohl die Hauptfigur Dick als auch die seiner Freundin Barbara „Buck“ Buckingham mit Schauspieler:innen mit Behinderung zu besetzen sind. TEENAGE DICK wirft Fragen der Repräsentation auf und untersucht implizit die ableistische Haltung in RICHARD III.

Zur Entstehungsgeschichte des Stücks erfahren wir in der New York Times: „Gregg Mozgala ist der künstlerische Leiter der Apothetae, einer Theatergruppe, die sich Produktionen widmet, "die die 'Erfahrung von Behinderten' erforschen und beleuchten“, Mike Lew ist Leiter des Writer's Lab bei Ma-Yi, das sich auf Stücke von Asiaten konzentriert. Neue Werke sind Teil der Agenda beider Gruppen: Das Apothetae beauftragte Mike Lew, TEENAGE DICK zu schreiben.

Aber so sehr wir neue Stücke mit behinderten Charakteren brauchen, so spannend ist es, alte Stücke daraufhin zu untersuchen, wie sie behinderten Schauspieler:innen gerecht werden können oder wie sie im Lichte moderner Erfahrungen thematisch zugänglicher gemacht werden können.

RICHARD III. ist eine natürliche Wahl für eine solche Bearbeitung, und wann immer Mike Lews Update Shakespeares Annahmen in Frage stellt oder verkompliziert, selbst wenn das bedeutet, von seiner Vorlage abzuweichen, ist es fesselnd.

In dieser Hinsicht ist es nützlich, dass das Stück nicht nur einen behinderten Charakter aufweist, sondern zwei: Richards Freundin Buckingham benutzt einen Rollstuhl. Zusammen können sie die Fragen, die "Richard III" aufwirft, erweitern - und darüber streiten. Ist Selbstverachtung die Folge von gesellschaftlicher Ablehnung oder die Ursache dafür? Ist eine Behinderung etwas, das man besser als Einschränkung akzeptieren lernt oder das man zu überwinden versuchen soll?

Das Stück ist mit 6 Schauspieler:innen zu besetzen - neben Richard und Buck, Eddie und Anne Margaret treten die Lehrerin Elizabeth und die Mitschülerin Clarissa auf. Seine Uraufführung fand 2018 am Public Theater in New York statt. Die New York Times urteilte: „Das Stück (ist) bewegend, aufregend und zutiefst augenöffnend für Zuschauer, die gerade erst anfangen, behinderte Schauspieler auf der Bühne zu sehen.“


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