Digitaler Fischer Salon 2023 – Ein ganz persönlicher Erfahrungsbericht

Unser legendärerer, digitaler Fischer Salon fand im Februar bereits im dritten Jahr statt. Für unsere Kollegin Johanna Schwung war es die Premiere in der Rolle als eine der Gastgeber:innen. Hier ihre ganz persönlichen Eindrücke.

 

Die Skyline Frankfurts erscheint. Die Red Carpet-Musik der Academy Awards erklingt. Ein gebührender inszenierter Einlass ist für unsere Autor:innen bereitet. Meine Aufregung steigt. Denn zum ersten Mal bin ich eine der Gastgeber:innen unseres alljährlichen, glamourösen, digitalen Fischer-Salons. Mein persönlicher Erfahrungsbericht zwischen Reizüberflutung und gemeinsamen Empowerment.

Viel hatte ich schon gehört und gelesen, von diesem legendären Event für und mit unsere/n Autor:innen. Jetzt treffe ich viele, mit deren Stücken ich seit August täglich arbeite, zum ersten Mal live. Wenn auch nur auf dem Bildschirm. 23 Autor:innen sehe ich in kleinen zweidimensionalen Kacheln zugeschaltet. Digitale Formate erzeugen irgendwie immer eine unwirkliche Nähe und gleichzeitige Distanz. Mir bleibt allerdings keine Zeit zum Einordnen meiner Eindrücke. Kein Abchecken der Situation. Kein Analysieren der Verhaltensweisen der Anderen. Kein zögerliches Abwarten und Reagieren. Jetzt ist Aktion gefragt. Ich werde reinkatapultiert in die Eins-zu Eins-Interaktion. In jeweils 60 Sekunden treffe ich nacheinander auf drei Personen.

Der Zufallsgenerator wird angeschmissen. Mit steigendem Puls und erhöhter Aufmerksamkeit tritt mein digitales Ich in den Breakout-Room und erwartet gespannt sein erstes Gegenüber. Mein Sympathikus ist aktiviert. Fight or Flight ist die Devise, wobei Flight keine wirkliche Option ist. Also alles auf Angriff, verbal natürlich.

Ich treffe auf Henner Kallmeyer zu Hause im geradezu idyllisch wirkenden Essen. Ich lerne David Lindemann kennen, so gut wie man sich eben in 60 Sekunden kennenlernen kann. Im dritten Raum treffe ich auf Falk Richter, der, wie ich dann erfahre, schon seit 29 Jahren bei Fischer ist.

Schnell realisieren mein physisches und mein digitales Ich: alles entspannt, kein Grund zur Aufregung. Die Stimmung im Salon ist interessiert und herzlich. Mein Stresslevel fällt sofort deutlich ab.

Die nächste Stunde inhaltlicher Diskussion rast nur so an mir vorbei. Ausgehend von der Meldung, dass der Stückemarkt des Berliner Theatertreffens nicht fortgeführt wird, stellen wir den Expert:innen des gesprochenen Wortes die Frage: Stirbt damit das Drama oder lebt es neu auf?

In 15 Minuten prasseln eine Fülle an Impulsen auf mich und das gesamte Team ein. Das war natürlich zu erwarten bei 23 so interessanten, individuellen, kreativen Persönlichkeiten. Was mit diesen Ideen geschieht, ist noch top secret.

Ein kurzer Teaser: Die Dramatiker:innen brennen für innovative, „bunte, wilde, sexy“ Formate. Milieuübergreifende Begegnungen gegen die „elitäre Kacke“ im Theater. Generationenübergreifende Arbeitsgruppen „durchgeknallter Jungbrunnen“. Auch nicht ganz ernstgemeinte Forderungen nach einer „Prügelstrafe“ für schlechte Stücke werden mit Humor ins Protokoll aufgenommen. Eines wird deutlich: Der Wunsch nach mehr Dialog und Austausch zwischen den Autor:innen ist groß.

Nach eineinhalb Stunden, die ich erlebe wie einen einnehmenden, diskursiven und inspirierenden Theaterabend, ist mein Kopf voller Eindrücke, mein Geist hellwach, mein Herz beseelt.

Ich freue mich auf alles, was noch kommt und schon jetzt auf den nächsten Salon, hoffentlich analog vor der realen Skyline in Frankfurt am Main.


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