Im Festspielfieber oder Nach dem Festival ist vor dem Festival!

Im Festspielfieber oder Nach dem Festival ist vor dem Festival!

Während der Frühling sein blaues Band flattern lässt, streifen wir ahnungsvoll durchs Land, um glückliche Festivalnächte  zu feiern. Bettina Walther über das dramatische Frühjahr, das mit gleich zwei Preisen für unsere Autorin Maria Milisavljević gekrönt wurde!

 


Dieses Jahr gab es so viele  Festival-Einladungen für unsere Autor:innen und ihre Stücke, dass es schon einer ausgefeilten Reiseplanung bedurfte, um ja nichts zu verpassen. Vor allem nicht das  Berliner Theatertreffen, wo unter den 10 bemerkenswertesten Inszenierungen der Saison auch Luise Vogts Inszenierung von Bertolt Brechts DIE GEWEHRE DER FRAU CARRAR zu sehen war. Mit Björn SC Deigners Fortschreibung WÜRGENDES BLEI, mit der er im Auftrag des Münchner Residenztheaters die bange Frage verhandelt, ob Waffen Frieden bringen können und ob man im Angesicht eines vernichtenden Krieges neutral bleiben kann. 

 


Nicht auszulassen war auch der Heidelberger Stückemarkt, wo sich gleich ein längerer Aufenthalt anbot. Hauptsächlich weil unsere Autorin Svealena Kutschke mit ihrem hochkomischen Stück  FUßNOTEN AUS DEM SPÄTEN 21. JAHRHUNDERT für den Autor*innenpreis nominiert war. Mit dem sie dann auch gleich den erstmals vergebenen Fidena-Stückepreis gewann. Die Jury fand, die Autorin habe mit ihrem Stück “das Genre der Bürokratiedramatik einfach so erfunden (...) und die institutionelle Überforderung durch eine völlig entgleiste Gegenwart zu einer großen Komödie geformt (...).”

Das Heidelberger Festivalprogramm  war reich an Gastspielen. Nuran David Calis’ Frankfurter Arbeit LEAKS. VON MÖLLN BIS HANAU war eingeladen, ebenso die Leipziger Inszenierung GOLDIE von Emre Akal. Und wer sich am Deutschen Theater in Berlin noch nicht an Rosa von Praunheims INSEL DER PERVERSEN sattgesehen hat, konnte in Heidelberg nochmal in Praunheims Science-Fiction Alptraum eintauchen und sich fragen: Was wäre wenn …? Wird alles düster oder bleibt alles rosa …?  

 


Die  Ruhrfestspiele in Recklinghausen eröffneten in diesem Jahr mit Luc Percevals Inszenierung von WARTEN AUF GODOT von Samuel Beckett und einem fulminanten Matthias Brandt. Und hatten außerdem eine doku-fiktionale Uraufführung im Repertoire: ES IST NIE SOMMER IM RUHRGEBIET von Guido Wertheimer, das als Auftragsarbeit in  Koproduktion mit dem Theater Münster entstanden ist und in der sich der Autor und Regisseur auf die Spurensuche nach seiner jüdischen Großmutter begeben hat, der die Flucht aus Recklinghausen nach Argentinien gelang. 


radikal jung heißt das schöne Münchner Festival, das einmal im Jahr besonders aufregende Inszenierungen von jungen Regietalenten versammelt. Wie z. B. Leonie Rebentischs gefeierte Berliner Inszenierung von GITTERSEE, dem großartigen Roman unserer Autorin Charlotte Gneuß. Oder Marie Schleefs eindrucksvolle Arbeit für das Staatstheater Wiesbaden, für das sie den Siegertext des Bachmann Preises 2023 ER PUTZT unserer Autorin Valeria Gordeev als spektakuläre ASMR-Performance  inszeniert hat. Wer es weder nach München noch nach Wiesbaden geschafft hat, kann sich übrigens ER PUTZT dann Ende Juni auch nochmal bei den ATT, den  Autor:innentheatertagen am Deutschen Theater in Berlin anschauen. Dort treffen wir dann auch nochmal auf Nuran David Calis’ LEAKS. VON MÖLLN BIS HANAU, das sich mit uns auf dem Festival-Karussell dreht. Mit dabei bei den ATT ist auch Guido Wertheimer, der als einer von 3 Atelier-Autor:innen sein neues Theaterstück  NACH DEM HASS präsentiert. Das Ergebnis wird zum Abschluss der ATT in der Langen Nacht  der Autor:innen zu sehen sein. 

Bevor es soweit ist, drehen wir aber fast durch, denn da war natürlich noch Mülheim, das wichtigste Festival für Gegenwartsdramatik überhaupt!  Zum diesjährigen 50. Jubiläumsjahrgang gab es gleich zwei Einladungen für uns. Nominiert war DAS BEISPIELHAFTE LEBEN DES SAMUEL W. von Lukas Rietzschel. Die Inszenierung des Gerhart Hauptmann-Theaters in Görlitz-Zittau - Regie führte Ingo Putz - sorgte  bereits im vergangenen Jahr für überregionales Presseecho und einen Besuch des Bundespräsidenten. In Lukas Rietzschels schmerzhaft aktuellem Stück geht es um einen ostdeutschen Politiker und die Frage, wie es kommt, dass der eine sich radikalisiert, während der andere Konsens und Aussöhnung sucht. Eingeladen war auch STAUBFRAU, Maria Milisavljevićs extrem bedrückende Auseinandersetzung mit Gewalt gegen Frauen und Femiziden. Das dramatisch geschulte Mülheimer Publikum feierte die intensive Zürcher Inszenierung von Anna Stiepani gleichermaßen mit Tränen in den Augen und Standing Ovations. Und belohnte den Abend dann auch mit dem Publikumspreis. Diesem Urteil schloss sich in der hochspannenden Abschlussdiskussion auch die Jury an und so konnten wir unserer Autorin Maria Milisavljevic nach aufregenden Mülheimer Theatertagen von Herzen zum verdienten Mülheimer Dramatikpreis 2025 gratulieren!  

 


Der Sommer winkt 

 


Während wir noch jubeln, schauen wir schon vorfreudig den Wormser Nibelungenfestspielen entgegen, in deren Auftrag Roland Schimmelpfennig mit SEE AUS ASCHE - DAS LIED DER NIBELUNGEN ein großes Epos geschrieben hat. Regisseurin Mina Salehpour wird die rauschhafte Reise durch das Nibelungenlied vor der einmaligen Dom-Kulisse inszenieren. Premiere wird am 11. Juli im malerischen Heylshofpark gefeiert. Und dann lockt auch schon der Bodensee mit einer Uraufführung von Ferdinand Schmalz:  BUMM TSCHAK oder DER LETZTE HENKER bei den Bregenzer Festspielen in einer Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater in der Regie von Stefan Bachmann. 

Ferdinand Schmalz’ Auftragsarbeit spielt in einem Club mit der härtesten Tür der Welt, wo die Menschen sich nach Rausch und Eskapismus sehnen. Die neue Kanzlerin plant, als erste Amtshandlung die Todesstrafe wieder einzuführen: Harte Zeiten erfordern eben harte Mittel und jemanden, der diese ausführt. 

Ach, auch wir sehnen uns in solchen Zeiten ein wenig nach Ablenkung. Da sind uns sommernächtliche Zerstreuungen am See hochwillkommen. Und das nächste Festspiel kommt bestimmt!


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