Nicolas Girard-Michelotti

»Schreiben ist das Erschaffen von Schönheit aus dem Nichts« - Nicolas Girard-Michelotti erkundet in seinen Texten das Surreale im Realen

»Schreiben ist das Erschaffen von Schönheit aus dem Nichts« - Nicolas Girard-Michelotti erkundet in seinen Texten das Surreale im Realen© Lisa Lesourd

Nicolas Girard-Michelotti schreibt, spielt, inszeniert. Unser Neuzugang ist ein hyper-produktives Multitalent. Das Schreiben ist für ihn ein Eskapismus aus der Realität und gleichzeitig eine musikalische Komposition durch den Klang der Wörter. In KOSMONAUT, seinem ersten Jugendstück, öffnet er uns die Tür zur einnehmenden Fantasie Arthurs und lässt uns so die Welt durch die Augen eines Kindes sehen.

 

Ein furchteinflößender Oger umkreist ein kleines Haus am Rande des Waldes. Wie in einer atmosphärischen Kamerafahrt nähern wir uns dem kleinen Häuschen, der einzigen Lichtquelle bei dunkler Nacht. Arthur sitzt im Wohnzimmer und hat Angst vor dem riesigen Schatten und den grunzenden Geräuschen der Kreatur. Doch seine Mutter lässt das Monster fröhlich kichernd herein. Arthur und seine Eltern waren von der Stadt hierher in die Einsamkeit gezogen. Der Vater verschwand plötzlich, als Arthur noch klein war. Ein kaputtes Tasteninstrument erinnert noch an ihn. Arthur fragt sich, wo er nun ist? Seine Fantasie führt ihn zu Frau Mond, die ihm ketterauchend erklärt, dass sie den Namen seines Vaters braucht, um ihn ausfindig zu machen. Aber wie heißt sein Vater nochmal? Wie sah er aus? Was war das für ein riesiger Anzug, mit dem er häufig in den Wald ging? „Er ist bestimmt ein Kosmonaut“, interpretiert Frau Mond Arthurs Beschreibung. Ist er zum Mond geflogen um dort zu leben? Die Vorstellung gefällt Arthur. Aber seine Sehnsucht treibt ihn dazu, sich auf die Suche nach seinem Vater zu machen. Er bricht nachts allein in die Tiefen des Waldes auf.

 

KOSMONAUT (Gewinner der Écrivains Associés du Théâtre 2021) ist das erste Jugendstück unseres neuen französischen Autors Nicolas Girard-Michelotti. Es ist ein poetisches Suchen, Versuchen, ein Sich-die-Welt-erschließen eines Jungen. Da seine Mutter seinen Fragen mit Schweigen begegnet, erträumt sich Arthur die Antworten. Nicolas Girard-Michelotti, der schon als Kind gerne Geschichten erfand und die Figuren darin selbst spielte, erschafft in Kosmonaut märchenhafte Bilder. Das Zerfließen der Grenzen zwischen der realen erwachsenen Welt und der Imagination des Kindes verleiht seinem Text spielerischen Charme und Witz. Nicolas erzählt, er sei Autor, um sich der Realität zu entziehen. Für ihn ist das Zusammenspiel der Klänge der Wörter wie ein Musikstück. Schreiben ist für ihn das Erschaffen von Schönheit aus dem Nichts.

 

In seinen Kinder- und Jugendstücken erschafft der französische Dramatiker fantastische Welten nach Märchenmotiven. Auch für Erwachsene schreibt und inszeniert er Stücke, die surreale Welten und Realität ineinander zerfließen lassen. Übernatürliche Phänomene sind nicht mehr von wissenschaftlichen Theorien zu trennen. Von Familiengeschichte mit politischem Kontext (Les Incendiaires), über eine junge, hoffnungslose Generation, die in einem kleinen Ort rätselhaften Phänomenen ausgesetzt ist (Au ciment la brume) bis hin zur Reise eines Mannes nach Skandinavien auf der Suche nach seiner Traumfrau: Barbie (Barbie sur le récif). Ein Plädoyer für mehr Uneindeutigkeit, mehr Normalität im Übernatürlichen, mehr Raum für das Surreale im Realen.


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