Marlene Streeruwitz

Brahmsplatz.
1 D, 2 H, 1 Dek
UA: 22.04.1995 · Forum Stadtparktheater, Graz · Regie: Tobias Derndinger
ALTE FRAU: Schlimm. Es wir immer schlimmer mit ihm. Gabor. Ha! Der liebe Cousin Wilhelm, der sich Gabor nennen muss. Seit dem 56er Jahr. Gott sei Dank bleibt er jetzt wenigstens bei Gabor. - Nach dem Fall von Saigon! Diese vietnamesischen Namen! - Wieso brauchen sie denn so lange. - Der Gabor. Aber vorlesen kann er jetzt wenigstens nicht mehr. Beim Essen Dienstag und Donnerstag: Rilke. Na gut. Samstag und Sonntag: die Liebesbriefe von de Sade. Rührend. Die ganze Perversion. Und Montag, Mittwoch und Freitag. Mein Kampf. Beim Essen! Mein Gott! Was für ein Deutsch. Appetitzerstörend. Ein richtiger Appetitzügler. Dieser Hitler. So gesehen fast ein Glück. Das Essen auf Rädern. Jeder seine Portionen in seinem Zimmer. - Wenn er nur nicht vor mir stirbt. Immer war er früher dran. Immer.

ALTE FRAU: Er hat es nie verwunden. Das Kriegsende. Er hat wirklich alles geglaubt. Dafür hat schon der Lehrer Neumaier gesorgt. War ein ganz Fanatischer. Ein richtiger Illegaler. Nicht so wie die anderen nachher. Wie der Küchelbeck, der sich das Abzeichen von der Traut aus der Buchhaltung ausgeborgt hat. Wie die Nazis gekommen sind. Und der Gabor immer auf der falschen Seite. Auch wie er dann mit den Waffen. Aber da hat er wenigstens verdient. Im Kongo. Und dann. In Vietnam. Er hat es aber trotzdem immer sehr persönlich genommen, wenn es dann schiefgegangen ist. Ich habe die Nazis ja nicht mehr wollen, wie sie dann da waren. Und der Vater hat natürlich recht gehabt. Aber wer hätte das zugegeben. Damals. Na ja. Sie haben das alles gar nicht miterlebt.