Theater

Ewald Palmetshofer

Das Ende kommt schon noch

Deutschlandsaga - die 90er Jahre kleines drama

1990 bis 2000 – das ist die verschwundene Zeit vor dem Ende der Politik, das ist die Talkshowisierung des Prekariats, das ist die enttäuschte Sehnsucht auf Neues jenseits der Grenze des Milleniums.
Wir sind Papst und Akte X, Talkshowbewältigung und Unterschichtentratsch verbinden sich in palmetshofscher Manier zu einer explosiven Jahrtausendwechselmischung.

Auftragsarbeit für die Schaubühne Berlin

1 D, 1 H

UA: 17. 03. 2008 · Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin · Regie: Robert Borgmann

Kritiken

Berliner Zeitung

19.03.2008

„[Palmetshofer] hat einen Text hingezaubert, der sich mit Geschichtsschnupperei nicht zufrieden gibt, sondern in den Irrsinn der Historie tief hineingreift.“

nachtkritik

17.03.2018

„Die Sprache Palmetshofer [...] vereint getrimmte Mündlichkeit, formstark fetzenhaftes, tautologische Verschlingungen mit Stilsollbruchstellen, Theorie-Geschwurbel und ausgiebgiger Zitaterei."

Berliner Zeitung

19.03.2008

„[Palmetshofer] hat einen Text hingezaubert, der sich mit Geschichtsschnupperei nicht zufrieden gibt, sondern in den Irrsinn der Historie tief hineingreift.“

nachtkritik

17.03.2018

„Die Sprache Palmetshofer [...] vereint getrimmte Mündlichkeit, formstark fetzenhaftes, tautologische Verschlingungen mit Stilsollbruchstellen, Theorie-Geschwurbel und ausgiebgiger Zitaterei."

Weitere Stücke

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Theater
Ewald Palmetshofer

wohnen. unter glas

2 D, 1 H

Ein Treffen dreier Menschen. Man teilte einst vieles. Man teilte eineAdoleszenz. Und ein bisschen bemüht ideologische Ideen. Nun trifft man sich wieder. Einige Jahre später. Und über diesem Treffen steht der Verlust der Nähe von damals. Weniges hat man sich noch zu sagen, aber in den Köpfen wird es ganz laut. Im Laufe einer Nacht bestimmt man einmal so richtig seinen Standort. Man zieht Bilanz. Man lotet alte Nähe aus. Man lässt die Körper aufeinander prallen und die Hirne lärmen. Und am nächsten Morgen besteigt man einen Berg. Und es gibt auch was zu feiern. Weil es wird da wer heiraten.
Wohnst du noch, oder lebst du schon? Die Frage nach dem Wohnen wird hier zur Frage nach deiner Seinsweise überhaupt. Wenn du tatsächlich in einer gänzlich postideologischen Zeit angelangt bist, dann scheint dein Wohnen trotzdem immer noch darüber Aufschluss zu geben, ob du erfolgreich bist, oder nicht – beruflich wie privat, finanziell wie emotional. (Ewald Palmetshofer)

wohnen. unter glas observiert humorvoll schmerzhaft die Lebensentwürfe der Mittdreißiger. Ewald Palmetshofer nimmt sich dieser Sinnsuche mit einer konsequenten Sprachgestaltung an. Da rasen die Worte herein wie eine Zukunft und da versagen sich die Worte – auch wie eine Zukunft. Die Worte seiner Protagonisten fließen und stoppen sich fortwährend, es entsteht eine verbale Abbildung der Unbeständigkeit all der verhandelten Lebensumstände und der Brüchigkeit der Zeit.

2006 wurde wohnen. unter glas zu den Werkstatttagen am Burgtheater in Wien eingeladen.

Theater
Ewald Palmetshofer

helden

2 D, 3 H, 1 Sprecher, Verwandlungsdek

David und Judith sind Helden. Schon seit ihrer Kindheit. Spiderman und Catwoman. Ein altes Spiel, das noch immer herhalten muss, das man auffüllt mit politischem Überschuss, der ideologisch völlig leer nur in sich selbst gründet. Man engagiert sich sehr und legt Brandbomben in heimischen Einkaufshäusern. Man kämpft gegen die Eltern und gegen die eigene Generation der Schönen, Erfolgreichen. Paul und Judith versuchen sich als Paar. Die Eltern versuchen sich zu entspannen. Man hat auch therapeutisch schon einiges versucht. Manche versuchen sogar ein Coaching. Alle sind hier Täter. Und keiner hat eine wahre Politik. Nur die Bomben sprechen eine eindeutige Sprache.

Nach dem ausgerufenen Tod des Ideologischen ist das politische Begehren leer und unmöglich. Entlang dieser Unmöglichkeit bewegt sich das Geschwisterpaar David und Judith. Ständig von der Gefahr bedroht zu vergehen, zu implodieren - in einer Umwelt, einer Schaumstoffzelle, die jedes Begehren assimiliert - bleibt nur der Wunsch sich zur Bombe zu verwandeln, der Wunsch der totalen Explosion. Doch es wird nicht das Politische sein, was diese Verwandlung, diese politische Transsubstantiation initiiert, sondern die politisch reine, bürgerliche Liebe. Natürlich. Und man ist als junger erwachsener Mensch aufgeklärt genug um zu wissen, dass der vertikale Kampf gegen die eigenen Eltern und ihr politisches Versagen nichts mehr taugt. Anders, ganz anders, ist da die horizontale Schlacht - gegen die eigene Generation. (Ewald Palmetshofer)

Mit der englischen Übersetzung von helden (englisch superheroes von Neil Fleming) wurde Ewald Palmetshofer im Januar 2007 zum "hotINK International Play Reading Festival" (presented by Tisch School of the Arts at NYU) nach New York eingeladen. Die szenische Lesung wurde von Dieter Boyer eingerichtet.

Theater
Ewald Palmetshofer

sauschneidn. ein mütterspiel

2 D, Stimme von Sonja, Stimme von Karl

Rosi und Hansi. Zwei Frauen auf einem Bauernhof irgendwo am Land. Was wir als Leben der beiden Frauen sehen, erscheint nur in der Abwesenheit des einzigen Mannes im Haus. Seine Gewalttätigkeit und Unberechenbarkeit engen diesen Rahmen, diese Zone des Lebens bis aufs Äußerste ein. Doch man ist erfinderisch und ist für einander alles: Mutter, Tochter, Freundin, Geliebte, Rivalin, Königin und Prinzessin. Zwei Frauen in einem quasi polymorphperversen Beziehungsgeflecht. Ein gemeinsamer Plan der beiden, der tief aus dem Abgrund des Traumatischen auftaucht, bringt das relativ stabile Arrangement zwischen ihnen aus den Fugen. Würde man diesen Mann, Sohn der einen und Ehemann der anderen, nur schneiden wie eine Sau, dann müsste doch alles gut werden und weit und offen. Einmal ausgesprochen lässt dieser Plan die beiden Frauen nicht mehr in ihrem Beziehungsarrangement ankommen. Sogar das gemeinsame, fragile Stückchen Leben zerbricht und alles schreitet auf eine Katastrophe zu, die in ihrem Plan nicht vorgesehen war.

Das Traumatische der Sexualität ist nicht so sehr ihr Vollzug sondern das Scheitern, ihre Dunkelheit und das Fehlen eines prästabilisierten Geschlechterverhältnisses ins Wort zu bringen. Hier ringen zwei Frauen darum dieses Trauma zu verbalisieren. Doch jeder verfügbare Diskurs versagt. ...

Und so stehen die beiden Frauen mitten im Scheitern jeder Rede über das Traumatische. Es bleibt ihnen nur der Weg in die Katastrophe, denn keine Metasprache ist verfügbar, die das Unaussprechliche zähmen könnte. Als Überschuss bleibt nur die Stimme einer Tochter, die selbst nichts sagt außer das Hoffen auf eine andere Sprache... (Ewald Palmetshofer)

2005 wurde Ewald Palmetshofer für sauschneidn. ein mütterspiel der Retzhofer Literaturpreis für junges Drama verliehen.

Theater
Ewald Palmetshofer

hamlet ist tot. keine schwerkraft

3 D, 3 H

Die Dani und der Mani kommen nach Hause. Die Oma hat Geburtstag und außerdem ist grad der Hannes gestorben, ein Freund von früher. Und so feiert man Geburtstag und geht dann noch auf ein Begräbnis. Und auf dem Friedhof treffen Dani und Mani zufällig die Bine und den Oli. Lange nicht mehr gesehen, seit damals, als der Oli mal sehr eng mit dem Mani und die Dani sehr eng mit der Bine und alle sehr eng miteinander. Und der Oli irgendwie auch interessiert an der Dani, aber die war halt die Schwester vom Mani und da wollte er sich nicht die Finger verbrennen. Bei der Bine war das ungleich leichter. Deshalb sind die jetzt auch verheiratet. Und irgendwie ist da für Dani und Mani nichts übrig geblieben. Und auch sonst nirgendwo. Fast so tot wie der Hannes sind sie, weil keiner mehr mit ihnen rechnet. Die Mutter träumt vom Muttermord. Der Vater vom totalen Anfang. Da muss doch endlich einmal was passieren. Und auf Hilfe von oben kann man nicht warten, weil der Himmel leider leer ist. Und drum muss vielleicht nur eine Schnur gespannt werden, um endlich einmal alles in Bewegung zu bekommen. Und es sterben ja dauernd Leute. Zigtausende. In Afrika zum Beispiel.

hamlet ist tot. keine schwerkraft befasst sich mit dem menschlichen Verkrampfen im Ungewollten, mit dem Stillstand in der Perspektivlosigkeit. Der Himmel ist leer. Das Naturgesetz höchstens ein lyrischer Witz. Und keine Politik jenseits der eigenen Befindlichkeit. In der totalen Ökonomisierung angelangt drehen sich die Achsen schnell, die Welt ist eine Zentrifuge und Sein oder Nichtsein verliert an Bedeutung, wenn das Nichtsein schon entschieden ist. Mit eindringlicher Komik verflicht Ewald Palmetshofer Sprache und Rhythmus zu einer Bedrohlichkeit, die letztendlich nur eine Frage offen lässt: Resignieren oder Agieren?

hamlet ist tot. keine schwerkraft entstand im Rahmen der wiener wortstaetten 2007.

Theater
Ewald Palmetshofer

Körpergewicht. 17%

1 D

Monolog in zwei Stimmen.

Gegensätzlicher könnten sie nicht sein, diese beiden Stimmen: Einerseits, vom linken Seitenrand her, die Stimme dieser Frau, die sich im Rückzug verschanzt hat, völlig auf der Verliererseite der Überflüssigen angelangt, und nur mit schwerem inneren Geschütz die Welt mit ihren Menschen erträgt. Und andererseits, vom rechten Seitenrand her, die Stimme dieses jungen Finanzmenschen, den die Blase ausgespieen hat, der die Welt bereist, weil es ihm keinen Ort mehr gibt. Sie schon lange verschwunden. Er gerade dabei. Zwei Überflüssige, die alles trennt, vielleicht bis auf diesen verschwindenden Rest, ihr Verschwinden selbst.
Und vielleicht gibt es sie ja, diese fast historischen Momente, in denen die Gegensätze in eins fallen. Ganz kurz. Vielleicht ein Blick am U-Bahnsteig. Und es kommt schon mal vor, dass jemand auf die Gleise fällt und unter die Räder kommt und verschwindet. Und so zwingt dieser Monolog zwei Stimmen in einen Körper. Immer eine Stimme zu viel, ein Überflüssiger, eine Überflüssige mehr, als der Körper ertragen kann. Bis am Ende wieder Ordnung herrscht, der historische Moment nie gewesen ist und man sich des Überschusses entledigt hat.
Ewald Palmetshofer


"Auch die einsame, vor einem weißen Rundhorizont wie ein schwarzes, seltsames Gespenst sich hinter einer wütenden, kinder-, lärm- und menschenhasserischen Weltangst verbarrikadierende Frau, die in Ewalds Palmetshofers Körpergewicht 17% gegen alles, was draußen vor ihrer Wohnung, ihrem Sicherheitsnest liegt, antobt, wirkt doppelt. Einerseits als aus allen sozialen Sicherungen und Kontakten gefallene Schnauze ohne Herz. Andererseits … groß hingeraunztmeißeltem Solo als eine Art Schwester von Becketts Herrn Krapp. Eine Alte, die ihre letzten, absurden, längst todesinfizierten Sprachtiraden abhört, durchsetzt von einer zweiten Stimme, einer in Indien der Welt abhandengekommenen und buchstäblich vom Fleisch und von ihrem Körper fallenden ...

Theater
Ewald Palmetshofer

König Arthur

3 D, 10 H, Sänger, Tänzer, Chor, Statisten

In einer längst vergessenen Vorzeit auf einer Britannien genannten Insel rüsten Briten und Sachsen zur vermeintlich letzten Schlacht. Es scheint, als könnten König Arthur und seine vom Krieg gezeichneten Männer die Sachsen in die Flucht schlagen, doch Oswald – der König der Sachsen – entführt Arthurs Freundin, die blinde Emmeline. Eine Verfolgungsjagd durch verwunschene, von Geistern bevölkerte Wälder nimmt ihren Anfang, und Arthur verirrt sich immer tiefer in einer dunklen Schattenwelt, in die ihm nicht einmal der grosse Zauberer Merlin folgen kann. Die Grenze zwischen Freund und Feind wird brüchig, und der junge König der Briten steht vor seiner schwersten Prüfung. Purcells und Drydens 1691 in London uraufgeführte Semi-Oper vereint Schauspiel, Gesang, Musik und Tanz zu einem dramatischen Gesamtereignis. Sängerinnen und Sänger, Mitglieder des Schauspiel- und Ballettensembles, das La Cetra Barockorchester unter dem Dirigat des britischen Barockexperten Christopher Moulds und der Chor des Theater Basel werden in König Arthur, inszeniert vom deutschen Regisseur Stephan Kimmig, gemeinsam die Geschichte von Arthurs und Merlins wundersamem Friedensschluss erzählen, von einer Zeit, als die Welt der Zauberer noch nicht versunken war. (Ankündigung Theater Basel)

„Als Semi-Oper – als Schauspiel mit Musik – eröffnet King Arthur jedoch die Möglichkeit, im Sinne der ‹Basler Dramaturgie› in Drydens Schauspieltext einzugreifen und diesen neu für die Gegenwart zu schreiben. Dabei folgt meine Neudichtung zwar dem Handlungsgerüst des Originaltextes, versucht aber, das Figurenpersonal und dessen Konfliktfelder von der Gegenwart her anzureichern, neu zu akzentuieren und von der historisch bedingten Patina zu befreien.“ (Ewald Palmetshofer)

Theater
Ewald Palmetshofer

Sankt Falstaff

2 D, 6 H

„Verrohte Politik bringt ihre verrohten Wähler*innen hervor. Nicht umgekehrt. Wie aber widersteht man dieser Psychopolitik der Extremisierung? Vielleicht kann man ja bei John Falstaff in seiner Kneipe in die Lehre gehen, weil sein Herz in Wahrheit weiter und unbestechlicher ist, als es ihm selbst sein Erfinder Shakespeare zugetraut hat: den toxischen Zeiten zum Trotz bis in die letzte Faser hinein völlig atoxisch.“ (Ewald Palmetshofer)

Der Staatsstreich ist geglückt. Multiple Krisen und von langer Hand geplante Umsturzszenarien haben die alte Regierung weggefegt. Wie ein Quasikönig regiert Heinrich Bolingbrock mit seinen Gefolgsleuten das Land. Doch Heinrich ist alt und krank und es ist kein geeigneter Nachfolger in Sicht. Im Schatten dieser strauchelnden Herrschaft laufen die Geschäfte in Frau Flotts Containerkneipe hingegen ausgesprochen gut. Dort schlägt sich der in jeder Hinsicht raumgreifende John mit seinem Intimfreund Harri die Nächte um die Ohren – ein ungleiches Paar, verbunden durch die gemeinsame Lust an scharfzüngiger Rede und reichlich Bier. Als Harri jedoch aus dem Zentrum der Macht ein unmoralisches Angebot erreicht, wirft das nicht nur auf die Zukunft des Staats, sondern auch auf Johns Freundschaft zu Harri ein neues Licht. Wird er mit Harri aufsteigen oder müsste er nicht vielmehr der Fortpflanzung der illiberalen Herrschaft in den Schritt fahren? Vielleicht sogar um den Preis des eigenen Untergangs?

Sprachlich geschliffen und derb-komisch zugleich übersetzt der österreichische Dramatiker Ewald Palmetshofer Shakespeares Historienstück, in dem sich Königsdrama und Komödie auf verblüffende Weise die Hand reichen, in die nahe Zukunft. Palmetshofers Neudichtung fragt nach der (Un-) Möglichkeit der Liebe in unmöglichen Zeiten. (Residenztheater München)


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