Heinrich Mann

Das Strumpfband
Komödie in 3 Akten
6 D, 6 H, 1 Dek
Lina ist Malerin. Sie ist schön, klug und umworben. Ob in beruflicher oder amouröser Hinsicht: Ihr Leben könnte reich an Abwechslung sein. Ihr selbst aber ist der würzige Geschmack der Kunst und des freien Daseins schal geworden. Mit einer bürgerlichen Heirat will sie zum echten Gefühl vordringen, und sei es auch noch so klein. Doch eine moralisch „einwandfreie“ Existenz muss hart erkämpft werden in den „goldenen“ Zwanzigern, in denen die strengen Vorgaben des Verhaltenskodex’ für das Bürgertum noch Gültigkeit haben. Da passt es schlecht, wenn man als Frau eine Vergangenheit hat. Lina hat eine Vergangenheit, und die holt sie ein. Ihr Ex-Liebhaber, ein Lebemann, der beinahe jede Frau mit seinem degoutanten Charme bezirzt, will sie zurück und ficht mit harten Bandagen.
Nach etlichen verbalen Zirkelschlüssen gelingt es Lina, ihrem Ehemann von ihrer Vergangenheit zu erzählen. Er zeigt Größe, auch wenn seine kleinliche Familie alles dran setzt, das Paar auseinanderzudividieren. Ihr zuliebe verzichtet er auf das bereits anberaumte Duell. Sie wiederum weicht der nächsten Versuchung aus.

Heinrich Manns Figurenkonstellation ist raffiniert: Im Münchener Fasching lässt er Bürgerliche, Künstler, Moralapostel, Libertins, Wissende und Ignorante aufeinander treffen. Ihre Dialoge zeichnen das Portrait einer vergangenen Zeit. Sie sind durchsetzt mit beißendem Witz und entlarvenden Scheinargumenten. Mit der Frauenrechtlerin Meitgen leuchtet am Horizont bereits eine neue Option auf: die Gleichberechtigung, die es auch Frauen erlaubt, eine Vergangenheit zu haben. Ideologie jedoch ist Heinrich Mann selbst an diesen Stellen suspekt. Auch sie wendet er in die Satire.