Mona Winter

Ich eine von Dir
1 D
UA: November 2001 · Black Box im Gasteig, München
ICH, EINE VON DIR ist der poetische Versuch, Marieluise Fleißer mit gegensätzlichen, widerstreitenden Stimmen sprechen zu lassen. Luluise gegen Marie. Die Dichterin tritt uns als eine Doppelte entgegen. Luluise, die Welt-, Berlin- und Brecht-Liebende, die besessen Schreibende gegen Marie, die es immer wieder zurück nach Ingolstadt, zur Heimat zieht.
Zu Hause, weiß man, wer man ist, zu Hause hat man einen Halt. Die warme Milch, das wärmende Nest, die wärmenden verwandtschaftlichen Gemüter, sie alle warten auf Marie. Aus dieser Erde kommt Marie so schnell nicht heraus. Ja, zu Hause gucken die Vorfahren glasig aus dem Boden der Vorväter und grabschen nach ihr mit Knochenhänden, umklammern sie, dass sie bleibt.
Aber Luluise trifft Brecht. Brecht ist eine Potenz. Luluise geht nach Berlin. Hier darf sie allerdings nur Gast des Lebens sein. Brecht ist ein großes Tier, das im Theater am Schiffbauerdamm über die Bühne spaziert. Hier dichtet sich Brecht in die Krebsgeschwüre der Gesellschaft hinein. Brecht sagt: Der Dichter muss duch die Ärsche durch, dann wird er eine Modegröße und landet auf dem Olymp. Brecht stellt Luluises Theaterstück "Pioniere in Ingolstadt" aus. Denn Brecht lässt die Paare in ihrem Stück auf dem Friedhof zwischen den Totenköpfen vögeln. So zieht er den Skandal an den Haaren herbei. Das geht in Luluises Fleisch! Die Heimat tobt. Plötzlich ist sie eine jüdisch-marxistische Volkspest, eine vaterländische Hure.
In die Enge geht alles. Ein Fremdling ist Luluise in der Welt. Aber daheim sitzen die Lieben noch beim Lampenschein um den Tisch herum. Des Tages Mühsal ist auf die Straße gekehrt. Auch Marie kehrt wieder heim. Aus Grausamkeit gegen sich selbst heiratet sie den Tabakwarenhändler Bepp und wächst mit jedem Tag tiefer in den Tabakwarenladen hinein. Nun sind sie abgerissen, die Wünsche der Dichterin. Um das Dichten wird sie die nächsten zwanzig Jahre betrogen.
Ein Leben zwischen extremen Widersprüchen: Politik ... Kunst, Heimat ... Fremde, Anerkennung ... Vergessen, Liebessehnen und Ehealltag, der alle Wünsche erstickt.