Alexej Schipenko

La FÜNF in der Luft
Stück in 1 Akt (abendfüllend)
Deutsch von Barbara Lehmann
2 D, 1 H, Nebenrollen, 1 Dek
UA: 1989 · Theater-Studio Gaudeamus, L´Vov, Ukraine · Regie: B. Ozerov
DSE: 21.09.1990 · Staatstheater (Werkstatt), Darmstadt · Regie: Peter Carp
Eine Mutter und ihr 65-jähriger Sohn vegetieren, in ihren eigenen Ausscheidungen liegend, im Zimmer einer typisch sowjetischen Gemeinschaftswohnung: Kreaturen eher als Menschen, Tote eher als Lebende. Bruchstückhaft lässt sich aus bereits zum Ritual gewordenen Wort-Gefechten zwischen Mutter und Sohn deren biographische Misere erahnen: Die Alte, aus adeligem Milieu stammend, setzte sich als junge Frau aktiv für die Revolution ein. Einziger Glanzpunkt im Leben des Sohnes bildet sein Einsatz als Fliegerkapitän des berüchtigten, sowjetischen Kampfflugzeugs "La 5" im "großen Vaterländischen Krieg". Nach dem Krieg konnte Serjoscha nicht mehr Fuß fassen und wurde zum Alkoholiker.
Der Wort-Müll, die vulgäre Fäkaliensprache, mit denen sich Serjoscha und seine Mutter unablässig attackieren, ist nicht als Ausdruck proletarisch-pöbelhafter Gesinnung misszuverstehen. Serjoscha und seine Mutter gehören beide eindeutig der Intelligenzia an. Der im rituellen Gleichmaß immer wieder beschworene Fehdepunkt zwischen den beiden Opponenten - sie wift dem Sohn vor, ein Alkoholiker und Versager zu sein, zudem ein Verräter am Sozialismus; er wirft ihr vor, die adelige Herkunft der Revolution geopfert zu haben - ist nur ein scheinbarer: In ihrem tiefsten Inneren sind sich die beiden Kombatanten zutiefst einig. Wie der Großteil der gebildeten Russen der Gegenwart machen sich beide keine Illusionen mehr über Theorie und Praxis der sowjetischen Variante des Sozialismus: Allzu offensichtlich ist das Desaster der eigenen Existenz, in dem sich der allgemeine Bankrott des Landes spiegelt.
"Geh in den Arsch, dort ist Licht", sagt einer zum anderen. Kurz vor dem Tod erscheint beiden der Erlöser, personifiziert als Lenin und Christus zugleich. So sterben beide versöhnt.