Witold Gombrowicz

Operette
Schauspiel in 3 Akten
Überarbeitet von Helmar Harald Fischer
(Operetka)
Deutsch von Walter Tiel
4 D, 13 H, St, Verwandlungsdek
UA: 17.11.1969 · Teatro Stabile, Aquila · Regie: Antonio Calenda
DSE: 06.03.1971 · Schauspielhaus Bochum · Regie: Jorge Lavelli
Auch in diesem Werk des Autors steht eine Außenseiterin im Mittelpunkt, die ihre Umwelt herausfordert: Albertinchen, die mit ihrem Schrei nach Nacktheit, das heißt nach unverhüllter Wahrheit, nach Natur ohne kunstvolle Verkleidung, Empörung auslöst. Gombrowicz bevölkert das Schloss Himalaj mit sämtlichen Klischees der Operettenwelt: Prinz und Prinzessin als Feudalherren, ihr Sohn, Graf Charme, der Herzensbrecher vom Dienst, der mit Baron Firulet um den Rekord an Liebschaften rivalisiert, sind von einem servilen Hofstaat umgeben, in dem der Modeschöpfer Fior den Ton angibt. Fior ist in dieser Welt von höchster Bedeutung, denn er verkündet den neuesten Modetrend, und die Realisierung der jeweiligen Mode bedeutet gesellschaftliches Ansehen. Daher empört Albertinchens Aufruf zur Nacktheit besonders, würden doch damit alle Klassenunterschiede aufgehoben. Als schnell verkommende Modenschau ziehen die Spitzen der Gesellschaft der Vorkriegszeit vorbei, schon macht sich eine neue Maskerade bemerkbar, es kommen allmählich die Requisiten der Faschisten zum Vorschein. Die Autorität der Mode ersetzt jede andere. Nachdem Graf Charme und Baron Firulet vergeblich um Albertinchen geworben haben und der Kammerdiener Josef eine große Revolution angezettelt hat, werden alle von Fior entworfenen Figuren vom "Wind der Geschichte" gespenstisch durcheinandergewirbelt. Albertinchen, die der Bekleidung entflieht, ist verschwunden. Zwei Spitzbuben bringen einen Sarg, in den alle ihre verstorbenen Hoffnungen legen, da entsteigt Albertinchen dem Sarg: nackt, in der Schönheit der unverformten Jugend. Doch das letzte Wort haben die beiden Spitzbuben, die sich als Autoren der Sargkomödie bekennen.