Michel Deutsch

Sit venia verbo
14 Szenen
(Sit venia verbo)
Deutsch von Eberhard Gruber
1 D, 2 H, K, St, 1 Dek
UA: 20.04.1988 · CDNA, Grenoble · Regie: Michel Deutsch
DSE: 26.10.1989 · Staatstheater (tif), Kassel · Regie: Christoph Pfeiffer
Sit venia verbo schildert die Lage des weltberühmten deutschen Philosophen Erwin Meister kurz nach dem 2. Weltkrieg. Michel Deutsch zeigt einen Menschen, der seine ganze Intelligenz, sein umfangreiches Wissen sowie seinen guten Namen den Nationalsozialisten zur Verfügung gestellt hat, anstatt sich, wie man es aus oppositionellen Kreisen von ihm erwartete, von deren Ideologie zu distanzieren.
Ort der Handlung ist die Bühne eines durch Bomben schwer beschädigten Theaters - Meisters Gefängnis. Er wird bewacht und versorgt von einer Frau, deren zwiespältige Gefühle für Meister aus ihrer Funktion einerseits und aus ihrer natürlichen Mütterlichkeit andererseits entspringen.
Szenen, in denen Meister sich in Monologen zu erinnern, zu erklären und zu rechtfertigen versucht, wechseln ab mit Szenen, in denen Frau Gottlieb Meisters Verhalten aus ihrer Sicht schildert, und vor allem mit Szenen, in denen Meister mit Wolfgang Lerner, einem früheren Schüler konfrontiert wird.
Lerner, der vor den Nationalsozialisten geflohen ist, kehrt als amerikanischer Offizier zurück - mit der Aufgabe betraut, den Philosophen zu verhören: Für Lerner geht es vor allem um die Frage, warum dieser früher so von ihm verehrte Professor zu einem Helfer der Nazis werden konnte. Lerner erhält keine Antwort. Hochmütig schweigend verschließt sich Meister sämtlichen Fragen, er entzieht sich allen gängigen Kategorien des Denkens und des Fühlens, und das erlösende Wort der Erklärung spricht er nicht aus. Lerner zerbricht daran, während Meister es bereits 1946 wagt, sich um eine Professur zu bewerben.