Martin Baucks

Umbra
2 H, 1 Dek
frei zur UA
Auf einer Landstraße in der Nähe des polnischen Dorfes Trzciel bei Poznan begegnen sich zwei Männer - zufällig: Der deutsche Polizist August Kaspar, 40, hat Halt gemacht, um die Landschaft zu erkunden. Herz Lippmann, ein alter jüdischer Antiquariatsinhaber, lebt hier, ist jedem bekannt, auch wenn kaum noch jemand weiß, woher er kam. Er verwickelt Kaspar in ein Gespräch. Schon am Morgen entsetzte ihn die Ähnlichkeit des Fremden mit seiner Mutter. Selbst wenn Lippmann jetzt noch gehen wollte: er kann es nicht mehr. Denn er glaubt nicht daran, dass Kaspar nur aus Zufall in diesen Ort kam. Niemand, der zufällig hier hält, betrachtet die Gräber auf dem Friedhof so eingehend, wie es Kaspar tat.

Lippmann findet Indizien und lotet aus. Für ihn wird es zur Gewissheit: Kaspar und er sind verwandt. Kaspar fühlt sich von dem fremden Mann, der ihn da plötzlich und völlig ungeahnt mit der eigenen jüdischen Herkunft konfrontiert, bedrängt. Aber immer, wenn Lippmann einen Ansatz macht, zu gehen, ruft Kaspar ihn zurück. Zuviel an dem, was Lippmann über seine Familiengeschichte preisgibt, trifft sich mit seinen Erinnerungen.

Beide können sich dem Moment nicht entziehen. Aus der Zufallsbegegnung wird ein Ereignis, das alles ändert und nach dem Kaspar ganze Kapitel seiner Biographie neu schreiben muss.

In einem ständigen Wechsel aus Distanz und Nähe entblättert sich eine über Generationen reichende Familiengeschichte, die zeigt, wie tief die unvermeidlichen Verstrickungen in größere Zusammenhänge reichen und wie unleugbar sie sind. Die bequeme Verdrängung der deutsch-jüdischen und deutsch-polnischen Geschichte ist nicht mehr möglich, wenn die Vergangenheit das Private eingeholt hat.