Oliver Czeslik

Wessel synchron
4 D, 10 H, St
UA: Mai 2007 · Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin · Regie: Uwe Janson
„Als der Student und SA-Führer Horst Wessel am 23.2.1930 mit 22 Jahren an einer Schussverletzung starb, ahnte niemand, welche Legenden sich um den Verstorbenen ranken sollten. Auf das Summen der Horst-Wessel-Melodie kann es bis zu fünf Jahren Haft geben. Obwohl diese doch ursprünglich zu einer Oper gehört. Die braunen Kameradschaften verehren Wessel bis heute geradezu kultisch als Märtyrer der Bewegung. Und die Linken stricken immer noch an einer Legende, die Wessel ausschließlich als braunen Zuhälter zeigen soll.
Wessel synchron rückt der Wirklichkeit ein Stück näher. Czesliks Realtheater kombiniert Dokumentarisches mit Dramatischem und setzt sich zusammen aus z.T. bislang unentdeckten Akten, Filmen und Dokumenten. Drei junge Menschen treffen zufällig aufeinander. Erna, die Prostituierte; Horst, der SA-Heißsporn und verhinderte Dichter; und Ali, der tätowierte Berlin Pirat, KPD-Mann, Raufbold
und Zuhälter. Es geht um alles Mögliche: Revolution, Nation, Drogen, Nutten, Gewalt. Der Übergang vom ungezügelten, anarchischen Leben in der Weimarer Republik zum fantasiefeindlichen Nazireich wird sie alle drei zu Verlierern machen. Am Anfang wird der Faschofetzer Horst von der Dirne Erna in der roten Mexiko Diele angesprochen. Am Ende liegt er in seinem eigenen Blut mit einer Kugel im Maul, abgefeuert von Ali. Wessel synchron erzählt davon, wie falsche Heldenmythen kreiert werden, um den Mächtigen zu dienen. Und von der Banalität der Wahrheit. Den Rahmen für dieses dokumentarische Stationendrama bildet eine filmische Fahrt durch Berlin. Der erste Gestapochef und spätere Freund Rudolf Augsteins fährt Ali zu seiner Liquidierung. Untoten gleich gleiten sie synchron durch Vergangenheit und Gegenwart. Die Synchronizität der Ereignisse. Das Reale ist subversiv. Das Ende der Geschichte ist ihr Anfang.“ (Oliver Czeslik)