Theater

Olivia Wenzel

1000 Serpentinen Angst

Stoffrechte zur freien Dramatisierung

»Ich habe mehr Privilegien, als je eine Person in meiner Familie hatte. Und trotzdem bin ich am Arsch. Ich werde von mehr Leuten gehasst, als meine Großmutter es sich vorstellen kann. Am Tag der Bundestagswahl versuche ich ihr mit dieser Behauptung 20 Minuten lang auszureden, eine rechte Partei zu wählen.«

Eine junge Frau besucht ein Theaterstück über die Wende und ist die einzige schwarze Zuschauerin im Publikum. Mit ihrem Freund sitzt sie an einem Badesee in Brandenburg und sieht vier Neonazis kommen. In New York erlebt sie den Wahlsieg Trumps in einem fremden Hotelzimmer. Wütend und leidenschaftlich schaut sie auf unsere sich rasant verändernde Zeit und erzählt dabei auch die Geschichte ihrer Familie: von ihrer Mutter, die Punkerin in der DDR war und nie die Freiheit hatte, von der sie geträumt hat. Von ihrer Großmutter, deren linientreues Leben ihr Wohlstand und Sicherheit brachte. Und von ihrem Zwillingsbruder, der mit siebzehn ums Leben kam. Herzergreifend, vielstimmig und mit Humor schreibt Olivia Wenzel über Herkunft und Verlust, über Lebensfreude und Einsamkeit und über die Rollen, die von der Gesellschaft einem zugewiesen werden.

UA: 27.08.2021 · Maxim Gorki Theater · Regie: Anta Helena Recke

Aufführungsarchiv

27
August 2021
Olivia Wenzel

1000 Serpentinen Angst

Theater
UA
Regie Anta Helena Recke
Theater Maxim Gorki Theater, Berlin

Weitere Stücke

Alle Stücke
Theater
Olivia Wenzel

mais in deutschland & anderen galaxien

3 D, 4 H

In mais in deutschland & andere galaxien erzählt Olivia Wenzel eine postmigrantische Familiengeschichte in Ostdeutschland. Susanne hat in den achtziger Jahren auf diverse Arten probiert, dem grauen Alltag und der Enge der untergehenden DDR und ihres Elternhauses zu entkommen: Sie hat einen Selbstmordversuch unternommen, sich im Alkohol verloren und ist Punk geworden. Schließlich wird sie von George aus Angola schwanger und bekommt einen Sohn: Noah. Ihr neuer Plan, sich per Familienzusammenführung ins Ausland absetzen, wird allerdings von der Stasi durchkreuzt, von der sie längst observiert wird. Also wächst Noah in einem Land auf, in dem er sich von anderen Kindern anhören darf: "Deine Haut färbt ja gar nicht ab". Und mit einer überforderten Mutter, die ihn eher hinnimmt, als dass sie ihn liebt und sich mit Kind nun erst recht wie gefesselt fühlt: „wo soll ich hin damit? ich krieg’s nicht abgegeben und ich krieg’s nicht geliebt“
Wenigstens die Großeltern sind für ihn da mit Zuneigung und zweifelhaftem Trost "Das Dunkle, das ist doch nicht so schlimm. Das kriegen wir schon hin“. Sie stehen zu ihm - im Gegensatz zu ihrer rebellischen Tochter, von der sie sich schon mal pflichtbewusst bei der SED-Kreisleitung distanzieren.
mais in deutschland & andere galaxien ist eine Geschichte vom Heranwachsen und Erwachsenwerden und vom Erwachsensein und erzählt dabei vor allem von der lebenslangen Sehnsucht nach Anerkennung. Während Susanne immer provoziert hat, versucht Noah, nicht weiter aufzufallen, denn seine bloße Existenz scheint Provokation genug für andere zu sein. Er wird übersteht die Jugend und rassistische Übergriffe, gründet eine Familie und zeichnet Comics, in denen er seine Mutter auf den Mond schießt und von der Unmöglichkeit des anscheinend Selbstverständlichen erzählt: der Liebe zwischen Mutter und Kind.

Digitales Textbuch