Ewe Benbenek

Wie die Göttin aus Corona – Über eine glückliche Fügung des Schicksals

Wie die Göttin aus Corona – Über eine glückliche Fügung des Schicksals©Elisa Maria Schmitt

„Ihr kennt Ewe Benbenek noch nicht? Klack, klack, bäm, bäm. Dann müsst Ihr sie dringend kennenlernen. Weil an dieser Autorin definitiv kein Weg mehr vorbeiführt“ – davon ist Friederike Emmerling überzeugt. Sie stellt die Dramatikerin und Literaturwissenschaftlerin vor und berichtet von einer glücklichen Fügung des Schicksals. Mit ihrem Stück TRAGÖDIENBASTARD gewann Ewe Benbenek den Mülheimer Dramatikerpreis und wurde jüngst zur Nachwuchsautorin in der Kritiker*innenumfrage von Theater heute gewählt.

 

Wie die Göttin aus Corona

 

Als Ewe Benbenek 2021 den Mülheimer Dramatikerpreis gewann, dachten wir: Ewe Benbenek? Noch nie gehört – und stuften dieses Phänomen des Nichtwissens als unabdingliche Coronabegleiterscheinung ein. Im Zuge dieser Akzeptanz des Unausweichlichen gingen wir außerdem davon aus, dass es nicht lohnenswert wäre, sich weiter mit der Autorin zu beschäftigen, da sie sicherlich schon längst woanders eine dramatische Heimat gefunden habe. Aus diesem Grund lasen wir auch das Mülheim-Gewinnerstück nie, was eine klassische Ärgervermeidungsstrategie darstellte, da unsere Nerven von Corona so ausgedünnt waren, dass selbst der Hauch einer Ahnung, wir hätten eine äußerst begabte Autorin völlig übersehen, unser Selbstwertgefühl zu vernichten drohte.

 

Und weil der Mensch zur Egozentrik neigt, kam uns nicht einmal die Idee, dass es anderen Theaterverlagen ganz genauso ergangen sein könnte. Mit dem Resultat, dass es auf einmal eine Mülheim-Dramatikerin gab, die nicht nur uns aus dem Nichts wie der Phönix aus der Asche bzw. wie die Göttin aus Corona erschien, sondern auch noch auf der Suche nach einem Verlag war, ohne dass die Verlage überhaupt davon wussten.

 

Rückblickend passt diese Situation aber zu Ewe Benbenek wie der Absatz an den Schuh. Die Literaturwissenschaftlerin – mit Schwerpunkt postmigrantische und postkoloniale Diskurse im Theater – beschloss vor zwei Jahren sehr beherzt, von der theoretischen auf die praktische Seite zu wechseln, indem sie ihr erstes Theaterstück schrieb: TRAGÖDIENBASTARD. Ein wütender, selbstermächtigender Stream of Consciousness, der vielstimmig die Geschichte einer jungen Frau thematisiert, die als Kind einer polnischen Einwandererfamilie immer und immer wieder damit konfrontiert wurde, dass sie anders war und aufgrund der gemachten Erfahrungen auch immer anders bleiben wird. Sie sucht mit einer gewaltigen Energie nach Worten, die das Unaussprechliche, die Zwischenräume, beschreiben können. Bäumt sich auf gegen Zuschreibungen, bricht mit Erwartungshaltungen in Deutschland und in Polen. Sie schreitet gemeinsam mit ihren „chosen sisters“ durch die Welt wie eine Göttin, feiert das Leben und die Freiheit, sich nicht mehr zum Opfer machen zu lassen. Klack, klack, bäm, bäm. Aus Wut geborener Stolz, geformt aus einer Sprache, die keine Scheu zeigt, auch die Angst dahinter verletzlich schimmern zu lassen.

 

In den Corona-Monaten überstürzten sich dann die Ereignisse. 2020 fand die Uraufführung am Schauspielhaus Wien statt, nachdem der Text schon 2019 für den Retzhofer Dramapreis nominiert und im Rahmen des Arbeitsateliers von uniT und dem Schauspielhaus Wien gefördert wurde. 2021 wurde die Inszenierung nach Mülheim eingeladen, wo Ewe Benbenek den Mülheimer Dramatikerpreis gewann. Im Sommer wurde sie zur Nachwuchsautorin in der Kritiker*innenumfrage von Theater heute gewählt. Und all das völlig zu Recht. Denn wer das Stück gelesen hat, wird hinweggerissen von seiner Kraft. Da schien es nur konsequent, dass auch die Dynamik um das Stück selbst eine temporeiche, hinwegreißende Sogwirkung entwickelte.

 

Ihr kennt Ewe Benbenek noch nicht? Klack, klack, bäm, bäm. Dann müsst Ihr sie dringend kennenlernen. Weil an dieser Autorin definitiv kein Weg mehr vorbeiführt.


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