Andreas Marber

Falstaff
Lustspiel nach Shakespeare
6 Darsteller
frei zur UA
"Der Prinz hat ihm das Herz zerbrochen"
- die brüllend komische Tragödie des Falstaff

Wir kennen den dicken Ritter Falstaff als Witzfigur aus Oper, Operette und Komödie: dem Wein verfallen, und der Damenwelt, Held unehrenhafter Abenteuer mit unglücklichem Ausgang. Der Falstaff aber, dessen Geschichte Shakespeare in seine Dramen über Heinrich IV. und Heinrich V. hineingewoben hat, ist dagegen ein veritables Ungeheuer. Versoffen, korrupt, verlogen, feige: das jämmerliche Zerrbild der menschlichen Existenz. Umso verblüffender sein Umgang: der junge Prinz Heinrich, Thronfolger des von Bürgerkriegen geplagten Englands. Das ungleiche Paar zankt und versöhnt sich, sie verfluchen sich und erwachen doch am Morgen in einem Bett. Der König zwingt den Prinzen in den Krieg, wo der junge Mann sich tatsächlich bewährt – um doch, nach Kriegsende, wieder sein altes Leben mit Falstaff aufzunehmen. Auch Falstaff kann dem Krieg nicht ganz entkommen, und wenn es schon nicht anders geht, so schlägt er wenigstens noch Geld heraus. Der König stirbt, Falstaff sieht sich als Protegé des neuen Königs, er hält sein Glück für gemacht – doch der schickt ihn zum Teufel: Er kennt ihn nicht. Und Falstaff stirbt, weil ihm "der Prinz das Herz zerbrochen hat". Das rührende Ende einer skandalösen und rätselhaften Freundschaft.

Es ist eine Komödie, und es ist eine Farce: Falstaffs Charakter und sein Leibesumfang sind gewaltig, sein Witz und seine Selbstverliebtheit gnadenlos. Nur dem eigenen Vorteil verpflichtet, legt er ethische Grundsätze in Trümmer. Was verbindet die beiden? Warum verfällt der Mann, auf den ein Königreich wartet, dem Charme des Bösen? Die ungleichen Freunde wissen es selbst nicht: "Was ist es, was mich derart an ihm anzieht", fragt sich Falstaff, als er sich vom Prinzen verraten sieht – während der Prinz die schlechte Laune, die ihn wegen der Abwesenheit Falstaffs überfällt, mit grausamen Spielen und zynischen Sprüchen zu vertreiben sucht. Und da kippt es um und wird tragisch: Falstaff, der nur halb gescheite, aber ganz von seiner eigenen Genialität überzeugte Denker, versucht den Prinzen zu benutzen, um gesellschaftlich aufzusteigen – und dabei entgeht ihm, dass es vielmehr der Prinz ist, der ihn benutzt: zur Bereicherung seines mittelmäßigen Verstands und zur Erziehung seiner unterentwickelten Gefühle.

Das Lustspiel Falstaff kommt mit sechs Darstellern aus. Falstaff schlüpft in die Rolle Heinrichs IV. - zuerst im Spiel, wenn er mit dem Prinzen die Strafpredigt einübt, die den missratenen Sohn im Palast erwartet, dann im Ernst, wenn er als König Krieg führt und schließlich den Thronfolger verfluchend stirbt und so den eigenen traurigen Tod vorwegnimmt. Die anderen spielen alle anderen Rollen, die das Drama Falstaff bis zum Untergang des Helden braucht: Beamte, Soldaten, Rebellen, Musiker und Prostituierte – die ganze mittelalterliche Welt, die Shakespeare nutzt, um ein überzeitlich widerliches, liebenswertes Scheusal zu zeichnen, einen abstoßenden, hinreißenden, sinnlichen, unersättlichen Anti-Menschen, über dessen elenden Tod am Ende doch, ganz unvermutet, Trauer einkehrt.