Ein Mann hat eine Freundin. Von den hohen Bergen bringt er ihr Blumen mit, am liebst welke. Sie weiß, dass er gerne unsichtbar wäre, weil er ihr das oft sagt. Manchmal stellt er sich auf die abgegrasten Wiesen hinter dem Vieh und tut so, als wäre er ein Grasbüschel. Am Ende ist es ein Pfeil, der ihn aus seinem Zaudern reißt, ihm den Rücken durchbohrt, und dann, ja – dann überfährt ihn ein Gletscher, und gefriert seinen schmalen Körper bis ins Mark.
Fünftausend Jahre vergehen. An einem heißen Septembertag in den Neunzigern wird ein Ehepaar aus Nürnberg auf dem Gletscher Rast machen und ihn, während sie eingetupperten Kartoffelsalat essen, entdecken: Die Mumie. Millionen Menschen werden seinen Körper im Museum betrachten, Hollywood-Stars sich sein Konterfei auf den Arm tätowieren. Der Mann, der am liebsten unsichtbar gewesen wäre, wird zur Sensation.
Gletschermumie, Liebe ist eine heiter-absurde Reflektion über Vergänglichkeit, vergessene Liebe und den tiefsitzenden Wunsch, der Nachwelt etwas zu hinterlassen. Denn was bleibt am Ende von der Menschheit? Küsse? Oder Waffen und Tupperware?
Lea Marlen Balzer
Gletschermumie, Liebe
5 Darsteller, Doppelbesetzung möglich
UA: 14.03.2025 · Kampnagel, Hamburg · Regie: Lea Marlen Balzer