Helmut Krausser

Unser Lied
Gesang vom Untergang Burgunds. Nibelungendestillat.
4 D, 10 H, Verwandlungsdek
UA: 30.09.2005 · Theater der Bundesstadt Bonn · Regie: Kay Vogel
Ganz aus der Sicht Hagens von Tronje perspektiviert Krausser seine Version des Nibelungenliedes. Der für seine unerschütterliche Treue zum Burgunderhof berühmte Gefolgsmann König Gunthers macht sich selbst zum Zentrum des Geschehens, indem er dem Hofsänger Volker von Alzey seine Version des Geschehens in die Feder diktiert.

Krausser erzählt die Geschichte als einen Entscheidungskampf zwischen dem Heidentum, als dessen Agent Hagen verdeckt agiert und dem christlichen Monotheismus, für den Gunther steht. Bevor die eigentliche Handlung des Nibelungenliedes beginnt, tötet Hagen seinen Vater, der ihn in Kindertagen fortgegeben hatte und schließt sich darauf dem christlichen König an. Er verpflichtet den Sänger Volker von Alzey als seinen Propagandisten. Im Dialog mit Volker differenziert Hagen zwischen der Wahrheit und der offiziellen, politisch nützlichen Version einer Begebenheit. Er zeigt sich so als machtbewusster Stratege. Als König Gunthers einflussreicher Ratgeber wird Hagen bei Krausser zum Drahtzieher der Ereignisse...
Der Nationalmythos Nibelungenlied ist über die Jahrhunderte von verschiedenen politischen Richtungen instrumentalisiert worden, zuletzt von den Nationalsozialisten. Seine wechselhafte Rezeptionsgeschichte unterliegt Kraussers Stück als Subtext. Dem Autor ist es gelungen, die Bildlichkeit des Originals sprachlich aufzugreifen und für seine Fassung eine eingängige und unprätentiöse Verssprache nachzudichten.